Geheime Verträge: Wie Augenärzte kassieren
Das Einsetzen von Kunstlinsen gegen den Grauen Star gehört zu einer der am meisten durchgeführten Operationen in Deutschland. Entsprechend viele Linsen werden benötigt. Recherchen belegen nun, dass Hersteller von Kunstlinsen im Wettbewerb um Aufträge versuchen, Augenärzte mit geheimen Zusatzverdiensten zu ködern.
Den Augenärzten werden von Seiten der Hersteller so genannte Koppelgeschäfte angeboten. Dabei richten die Hersteller für die Augenärzte interne Konten ein. Auf diesen soll ein Teil des Pauschalbetrages landen, den die Krankenkassen für Kunstlinsen bezahlen. Rund 150 Euro beträgt diese Pauschale in vielen Bundesländern. Die Hersteller berechnen allerdings eine geringere Summe, so dass sich der "Rest" über die Zeit anspart.
Unzulässige Koppelgeschäfte
Ein Test mit versteckter Kamera beweist, dass einige Linsenhersteller den Augenärzten tatsächlich die Einrichtung eines solchen Kontos anbieten. Sie werben damit, dass das so "angesparte" Kapital eingesetzt werden kann, um damit neue medizinische Geräte zu finanzieren.
Nach Angaben von Krankenkassen und Rechtsexperten sind solche Koppelgeschäfte unzulässig. Denn an Sachkosten wie etwa für Linsen dürfen Ärzte nichts verdienen. Die Korruptionsermittlerin der Krankenkasse KKH in Hannover, Dina Michels, ist alarmiert: "Dieses konkrete Geschäftsmodell, das bei der Sachkostenabrechnung durch Ärzte illegale oder auch geheime Konten eingerichtet werden, ist in hohem Maße kriminell und muss auch verfolgt werden.“
Das beste Produkt - für den Geldbeutel?
Peter Heinz vom Berufsverband der Augenärzte in Deutschland streitet nicht ab, dass solche Methoden vorkommen. Es seien aber Einzelfälle, denn "die überwiegende Mehrzahl der Augenchirugen verhält sich korrekt", so seine Replik.
Auch Patientenvertreter wie Charlotte Henkel von der Verbraucherzentrale Hamburg kennen diese intransparenten Praktiken. Sie befürchtet, dass langfristig auch die Qualität der Linsen unter diesen Praktiken leiden könnte. Nämlich dann, wenn die Patienten nicht das medizinisch beste Produkt erhalten, sondern jenes, das dem Arzt den höchsten Bonus bietet. "Für die Patienten ist das nicht zu durchschauen", so Henkel.
Die Kosten tragen die Beitragszahler
Strafrechtlich sind solche Koppelgeschäfte bei Sachkosten bislang nicht zu ahnden. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2012 können niedergelassene Ärzte wegen Bestechlichkeit nicht belangt werden - es fehlt der entsprechende Paragraf im Strafgesetzbuch. Die Richter forderten den Gesetzgeber damals auf, diese Situation zu beenden und die Lücke zu schließen. Doch auch zwei Jahre später hat sich noch nichts getan. Eine gesetzliche Regelung ist nach Plänen der Bundesregierung frühestens in ein bis zwei Jahren zu erwarten.
Nach Einschätzung des Rechtsexperten Prof. Kai Bussmann besteht jedoch dringender Handlungsbedarf. Es sei zu befürchten, dass sich im bestehenden rechtsfreien Raum "im Gesundheitswesen Geschäftsmodelle entwickeln, die unserem deutschen Gesundheitssystem Schaden zufügen“. Schäden in Millionenhöhe, für die Patienten mit ihren Kassenbeiträgen haften.