Ebola-Angst: Vorsicht oder grundlose Hysterie?
Nun auch New York. Der neue Ebola-Fall in Amerika, bei dem ein Arzt sich nach seinem Aufenthalt in Guinea mit Ebola infiziert hat, schürt die weltweite Angst vor der Krankheit. Das Virus scheint vor der Haustür angekommen und in seinem Gepäck bringt es die Hysterie mit sich - mehrmals wurde bereits Ebola-Alarm in Deutschland ausgelöst: Vor zwei Wochen eskortierte ein Seuchenkommando einen 15-jährigen Afrikaner aus dem Hamburger Hauptbahnhof zum Ebola-Test ins Krankenhaus - er hatte sich im Zug übergeben.
Erst vor ein paar Tagen rückte die Bio-Taskforce in ein Mietshaus in Oberhausen ein, weil ein afrikanischer Bewohner krank im Bett lag. Er sei kürzlich in Ghana gewesen, hieß es zur Begründung. In Ghana ist kein Ebola-Fall registriert. Auch der 15-jährige Junge aus Hamburg war seit Jahren nicht in Afrika - doch gegen die Angst haben es Argumente derzeit schwer.
"Aufklärung hat immer schlechte Chancen in einen Zeitalter, wo ein Bild oder eine dramatische Szene genügt, um sich persönlich betroffen zu fühlen", sagt Medienwissenschaftler Norbert Bolz.
Ausgrenzung nach der Rückkehr
Heiner Fricke hat diese Angst selbst zu spüren bekommen. Er war als Helfer mit der Organisation I.S.A.R. Germany in Liberia, baute dort eine Isolierstation auf. Zurück in Deutschland erwartete ihn jedoch nicht nur Anerkennung, sondern auch Skepsis und Ablehnung. Freunde mieden ihn, grenzten ihn aus. "Das war sehr verletzend", sagt Fricke. "Mir wurde unterstellt, dass ich das Leben meiner Familie und meiner Freunde durch meinen Einsatz aufs Spiel gesetzt hätte." Dabei hatte der 48-Jährige während seiner Zeit in Liberia gar keinen direkten Kontakt zu Erkrankten. "Wir haben Ebola-Patienten zwar gesehen, aber unsere Aufgabe war eine völlig andere. Wir haben ein Krankenhaus aufgebaut, niemanden gepflegt oder berührt", sagt Fricke.
Ebola wird nicht wie eine Grippe durch Tröpfchen übertragen. Für eine Ansteckung muss der Betroffene in direkten Kontakt mit Flüssigkeiten wie Kot, Blut, Schweiß oder Erbrochenem von Erkrankten kommen. "Das waren wir nie", sagt Fricke. Darauf hätten alle drei I.S.A.R. Mitarbeiter genau geachtet und sich permanent gegenseitig kontrolliert. "Obwohl wir keinen direkten Patientenkontakt hatten, haben wir trotzdem immer mehrere Handschuhe übereinander getragen und jeden Tag einen Liter Desinfektionsmittel verbraucht", sagt er. Es habe ein strenges Sicherheitsprotokoll gegeben, an das er sich peinlich genau gehalten habe. Zurück in Deutschland maßen Fricke und die beiden anderen Mitarbeiter dennoch jeden Tag dreimal Fieber - das ist Vorschrift, eine weitere Vorsichtsmaßnahme.
Fragen und Antworten zu Ebola
Fricke fühlte sich sicher. "Die Viren sind nicht durch die Luft übertragbar, wenn ein Ebola-Patient fünf Meter von mir entfernt steht und ich ihn nicht berühre, dann kann ich mich nicht anstecken", sagt er. Infektiös ist ein Ebola-Patient erst dann, wenn er selbst Symptome wie hohes Fieber oder Übelkeit zeigt. Doch mit rationalen Erklärungen drang Fricke bei einigen seiner Freunde nicht durch. Auch seine Frau wurde gemieden. Die Frickes sind enttäuscht, einige Freundschaften noch immer gestört "mich macht das traurig", sagt Antje Fricke.
Liberische Botschafterin: "Helfer nicht ausgrenzen"
"So ein Verhalten liegt an der Unwissenheit der Leute", beklagt die liberianische Botschafterin Ethel Davis auf dem Deutsch-Afrikanischen Gesundheitskongress in Berlin. "Die deutsche Bevölkerung sollte sich informieren, wie Ebola genau übertragen wird und nicht diejenigen ausgrenzen, die nach Afrika fahren und ihre Hilfe anbieten", sagt Davis dem NDR.
In den USA richtet sich der Aktionismus zunehmend gegen die Ebola-Helfer. Die Krankenschwester Kaci Hickox beklagt, sie sei nach ihrer Rückkehr aus Sierra Leone behandelt worden wie eine Kriminelle. Dabei seien Ebolatests bei ihr negativ ausgefallen, wie sie in der Zeitung "Dallas Morning News" schrieb. Dennoch wurde sie unter Zwangsquarantäne in ein unbeheiztes Zelt ohne Dusche gesteckt. In Zeiten der Hysterie ist die Grenze zwischen Held und Verbrecher schmal.
Unterdessen steigt die Zahl der Infizierten in Westafrika weiter an. Es gebe viel zu wenig kompetente Helfer, um die erforderlichen Gesundheitszentren in Westafrika aufzubauen und zu betreiben klagt das Deutsche Rote Kreuz. Dabei wäre die Eindämmung der Krankheit vor Ort der beste Schutz vor einer Ausbreitung in Europa.