Asbestentsorgung: Illegal soll legal werden
Die Verwendung von Asbest ist in Deutschland seit Anfang der neunziger Jahre verboten. Asbestfasern sind als krebserzeugend eingestuft. Die eingeatmeten Fasern entwickeln in der Regel erst nach Jahrzehnten ihre tödliche Wirkung. Seit 1994 sind nach Angaben der Berufsgenossenschaften in Deutschland mehr als 25.000 Beschäftigte an den Folgen asbestbedingter Erkrankungen gestorben. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Und der Höhepunkt der Erkrankungszahlen ist immer noch nicht erreicht.
Asbest lauert auch heute noch an vielen Stellen
Auch heute noch haben Handwerker und Unbeteiligte häufig Kontakt mit Asbest. Die gefährlichen Fasern lauern in alten Fliesenklebern, Wandputzen und Spachtelmassen. Panorama 3 hat in einer Stichprobe Fliesen aus Abfallsäcken für Bauschutt in Hamburg untersuchen lassen. Das Ergebnis: Zwei von sechs Proben waren deutlich mit Asbest belastet.
Welche Folgen so etwas für Handwerker und Unbeteiligte haben kann, hat der Fachmann für Arbeitssicherheit Walter Hiltpold in der Schweiz untersucht. Er hat die Belastung mit Asbestfasern bei typischen Arbeiten mit Fliesen gemessen. Beim Abschleifen von asbesthaltigem Fliesenkleber wurden 1,4 Millionen lungengängige Asbestfasern pro Kubikmeter Atemluft gezählt. Und selbst beim einfachen Abschlagen von Fliesen waren es immer noch 100.000 lungengängige Fasern pro Kubikmeter. Zur Orientierung: Wohnräume werden nach Asbestsanierungen in Deutschland erst bei einer Konzentration von unter 500 Fasern pro Kubikmeter freigegeben.
Ungeschütztes Arbeiten ist gefährlich
Bei den Versuchen in der Schweiz waren die Arbeiter geschützt wie Asbestsanierer, mit speziellen Anzügen und Masken. Walter Hiltpold warnt davor, solche Arbeiten ungeschützt auszuführen: "Die Fasern werden freigesetzt, eingeatmet oder verschleppt." Ein Risiko auch für die Bewohner mit den Fasern verunreinigter Innenräume. Die bemerken oft gar nicht, dass die Atemluft mit den gefährlichen Fasern belastet ist.
In der Schweiz hat man daraus Konsequenzen gezogen. Keine Badsanierung mehr, bevor auf Asbest untersucht wurde. Wird etwas gefunden, dann muss unter strengen Sicherheitsanforderungen saniert werden. Jede Belastung von Menschen mit Fasern muss dabei vermieden werden. Das ist in Deutschland eigentlich genauso. Nur spezielle Asbestsanierer dürfen den "Wunderbaustoff" vergangener Zeiten ausbauen und entsorgen. Das Problem: Es gibt viel mehr Asbest als bisher vermutet. Und der wird oft von Handwerkern illegal entsorgt.
Neue Gefahrstoffverordnung sorgt für Unruhe
Panorama 3 liegt ein Entwurf der neuen Gefahrstoffverordnung aus dem Bundesarbeitsministerium vor. Darin werden Ausnahmen für den Umgang mit Asbest geregelt. Demnach sollen Handwerkern Arbeiten erlaubt werden, bei denen es zu einem unbeabsichtigten Kontakt mit Asbest kommen kann. Erwähnt werden in dem Entwurf "Tätigkeiten, die zur Restaurierung, Modernisierung und Renovierung" erforderlich sind.
Bedeutet im Klartext: Will ein Fliesenleger eigentlich keinen Asbest entfernen und entsorgen, sondern trifft er bei seiner handwerklichen Tätigkeit auf Asbest, dann darf er den gefährlichen Stoff entfernen. Vorgeschrieben werden sollen dafür aber "emissionsarme Verfahren". Der Schadstoffsanierer und Asbestexperte Christoph Hohlweck hält diesen Vorschlag für eine "menschenverachtende Idee". Damit verabschiede man sich von den bisher vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen bei der Asbestsanierung.
Praxistaugliche Lösung?
Das Bundesarbeitsministerium weist diesen Vorwurf auf Anfrage von Panorama 3 zurück: "Das BMAS beabsichtigt die hohen existierenden Schutzstandards beim Umgang mit Asbest aufrechtzuhalten." Es gebe noch kein im Ministeirum abgestimmten Entwurf für die Verordnung. Man befände sich noch im "Dialogprozess".
Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) begrüßt allerdings in einer Stellungnahme gegenüber Panorama 3 schon einmal den "Lösungsvorschlag" aus dem Ministerium und teilt mit, es "kommen nur Lösungen infrage, die praxistauglich für die Handwerksbetriebe und gleichzeitig bezahlbar für die Kunden sind." Der ZDH betont allerdings, dass es darum gehe, Beschäftigte und Dritte vor Asbestfasern zu schützen. Tatsächlich ist das geplante Schutzniveau aber nicht mit dem bei der Asbestsanierung zu vergleichen. Christoph Hohlweck meint: "Man scheint zu vergessen, dass es darum geht, Menschen vor tödlichen Krebserkrankungen zu schützen."