45 Min
Montag, 19. Juni 2023, 22:00 bis
22:45 Uhr
Das höchste Gut der demokratischen Gesellschaft, die Schwächsten, die Kinder, zu schützen, es gelingt seit Jahren in vielen Bereichen kaum: Pro Woche stirbt aktuell durchschnittlich ein Kind in Deutschland durch Gewalt. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch viel höher. Wie kann das sein? Und wer arbeitet in vorderster Linie für das Recht und den Schutz von Kindern?
Wer kümmert sich um Kinderschutz im Norden?
Nach monatelangen Recherchen ist es dem Filmteam gelungen, das Vertrauen von einigen zentralen Akteuren zu gewinnen, die stellvertretend maßgeblich für den Kinderschutz in Norddeutschland verantwortlich sind: das einer Mitarbeitenden des Jugendamts, einer Familienanwältin und eines Kinderarztes. In allen Bereichen gibt der Film intensive Einblicke in die Arbeit der Menschen im Umgang mit Kindern und ihren Eltern.
Jessica Beyer ist Sozialarbeiterin beim Jugendamt Braunschweig und hat die Aufgabe, Kinder aus Notsituationen zu retten. Die Braunschweigerin gab ihren Beruf als Intensivkrankenschwester auf, um beim Jugendamt zu arbeiten. Jetzt kümmert sie sich um familiäre Notfälle.
Kommt ein blauer Fleck von Misshandlung oder vom Spielen?
Auf einem anderen Gebiet versucht der Kinderarzt Uwe Kranz präventiv Kinder zu schützen. In Deutschland herrscht ein heftiger Kinderarztmangel. Kranz betreibt seit 19 Jahren eine Praxis in der Braunschweiger Weststadt, einem sozialen Brennpunktgebiet. Der Kinderarzt sieht jeden Tag zig kleine Patientinnen und Patienten und muss innerhalb von kurzer Zeit beurteilen, ob es den Kindern gut geht oder ob sie möglicherweise vernachlässigt oder sogar gefährdet sind.
Rührt der blaue Fleck am Rücken wirklich vom Spielen oder doch von einer Misshandlung? Am Tag behandelt er 40 bis 50 Kinder. Säuglinge nimmt er noch auf, aber für Kinder, die zu ihm wechseln möchten, hat er keine Kapazitäten mehr. Der 57-Jährige weiß schon jetzt, dass es schwer werden wird, einen Nachfolger zu finden.
Rechtsanwältin: Wohl der Kinder und der Eltern im Blick
Um Kinder zu schützen, haben die Familiengerichte im Jahr 2021 in mehr als 14.600 Fällen Eltern das Sorgerecht entzogen. Magdalena Pichen ist Rechtsanwältin und betreut zahlreiche Problemfamilien. Sie bemerkt, dass das Jugendamt in letzter Zeit immer häufiger einschreitet und Kinder wegen sogenannter Kindeswohlgefährdungen von ihren Eltern trennt.
Das Filmteam begleitet die Rechtsanwältin bei der Arbeit, bei Gesprächen mit den Eltern und bei Gerichtsterminen. Sie steht täglich vor der Herausforderung, das Wohl sowohl der Kinder als auch der Eltern im Blick zu haben. Nicht selten sind sich Vater und Mutter nicht einig, was das Beste für ihr Kind ist.
Laut Kriminalstatistik starben 2022 in Deutschland 51 Kinder durch Gewalt. 4.281 Kinder wurden insgesamt im vergangenen Jahr misshandelt. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch höher. Nach Schätzungen der WHO werden etwa 90 Prozent der Fälle von Kindesmisshandlung und Vernachlässigung nicht erkannt.
Wird Austausch von Ärztinnen und Ärzten bald möglich sein?
Bislang durften Ärzte sich bei Verdacht auf Kindesmisshandlung nicht mit Kolleginnen und Kollegen austauschen. Dr. Ralf Kownatzki, Kinderarzt aus Duisburg, setzt sich dafür ein, dass sich das ändert. 2005 gründete er RISKID, eine Risiko-Kinder-Informationsdatei, über die Mediziner sich bei Verdachtsfällen über die Vorgeschichte ihrer Patienten informieren können.
45 Min auf einer Spurensuche, wie Kinderschutz in Deutschland wirklich funktioniert, wo die Schwachstellen liegen und was verbessert werden muss.
- Redaktionsleiter/in
- Kathrin Becker
- Redaktion
- Christian von Brockhausen
- Produktionsleiter/in
- Tim Carlberg
- Autor/in
- Sanja Hardinghaus