Das Grundwasser sinkt vielerorts in Norddeutschland. Grund sind die seit drei Jahren verstärkt auftretenden Trockenperioden bei gleichzeitig steigenden Durchschnittstemperaturen. "Die trockenen Jahre 2018/19 sind beispiellos für die vergangenen 250 Jahre", so die Einordnung der Helmholtz-Klima-Initiative. Wie trocken die Böden schon 2019 waren, hat das NDR Data-Team analysiert und erklärt. Datengrundlage dafür ist der Dürremonitor des Helmholtz Umweltzentrums.
Die Grundwasser-Situation ist in Niedersachsen, im Vergleich zu Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg am kritischsten: Bei gut 68 Prozent der Brunnen sind die Pegel unverändert, bei nur neun Prozent steigen sie, bei 23 Prozent wiederum sinken die Pegel teilweise bedenklich. Das Land Niedersachsen informiert hier über Grundwassersituation im Bundesland. Für Schleswig-Holstein gibt es frei zugänglich diese Informationen (ohne aktuellen Stand). Mecklenburg-Vorpommern bietet Infos zum Wasserhaushaltsjahr 2019. Die Stadt Hamburg hat ein online abrufbares Angebot zu den Grundwasserpegeln der Stadt. Eine Übersicht für den Ganzen Norden bieten wir in dieser Grafik.
Das Trinkwasser in Norddeutschland stammt überwiegend aus Grundwasservorkommen und weniger aus Oberflächengewässern wie Stauseen. Es ist das am besten kontrollierte Lebensmittel in Deutschland. Doch Expert*Innen finden immer öfter hohe Schadstoffstoffwerte im Grundwasser. Zum Beispiel Nitrat, ein hochlösliches Salz, das eine Folge intensiver Düngung in der Landwirtschaft ist. Die Nitratbelastung von Grundwasser wird an Messstationen regelmäßig überprüft. Die europäische Nitratrichtlinie der EU gibt die Grenzwerte für Nitrat vor: Es dürfen nicht mehr als 50 Milligramm pro Liter sein. Doch trotz einer neuen "Gülleverordnung" sind die Nitratwerte in vielen Regionen in Deutschland noch zu hoch. So ist die Lage in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Dabei fordert die Europäische Wasserrahmenrichtlinie schon seit dem Jahr 2000, dass unsere Gewässer in einen guten ökologischen Zustand versetzt werden müssen. Aber in Niedersachsen gilt das erst für drei Prozent der Oberflächengewässer - im Rest des Nordens sieht es nicht viel besser aus, etwa bei der Nitratbelastung.
Das Umweltbundesamt hat ein FAQ zum Thema Grundwasser und Nitratbelastung zusammengestellt. Informationen zu den Messnetzen wurden auch in top agrar 06/2019 veröffentlicht.
Grundwasser wird nicht nur als Leitungswasser für die Grundversorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser verwendet, sondern auch zur Beregnung in der Landwirtschaft und von der Industrie. Außerdem ist Trinkwasser eine Lebensmittelware. Die Mineralwasserhersteller haben ihre eigenen Grundwasserquellen. Wie Markt berichtet hat, wird zum Erschließen von Mineralwasserquellen einfach der Boden angebohrt. In Norddeutschland handelt es sich überwiegend um wasserführende Sandschichten. Die Hersteller verkaufen das natürlich vorkommende Wasser abgefüllt in Flaschen; als stilles Wasser oder mit Kohlensäure und Mineralien versetzt. Die Konzerne machen viel Geld damit.
Verbraucher*innen protestieren gegen die kommerzielle Nutzung von Grundwasser als Trinkwasser. Im Landkreis Lüneburg fördert Coca Cola schon seit Jahren Grundwasser und verkauft es unter dem Namen "Vio". Der Konzern will nun einen neuen, dritten Brunnen bauen. Das Projekt ist umstritten. Die Wasserknappheit in Niedersachsen sorgt für weitere Brisanz. Allerdings ist die beantragte Fördermenge ist vergleichsweise gering: 350.000 Kubikmeter Wasser will Coca Cola zusätzlich fördern - allein 19 Millionen Kubikmeter Wasser gehen im Landkreis Lüneburg jährlich an die Landwirte. Die Bürgerinitiative "Unser Wasser" macht Druck und protestiert gegen das Vorhaben. Ende April 2021 hat der Coca-Cola seine Pumpversuche beendet.
Das Umweltamt des Landkreises hat währenddessen im Umkreis von mehreren Kilometern an zahlreichen Messstellen Daten erhoben. Diese werden durch einen unabhängigen Gutachter ausgewertet. Bis das Gutachten vorliegt, wird es noch mindestens bis zum Herbst 2021 dauern. Entstanden ist aus dem Protest immerhin, dass der Kreistag ein Wassermanagementkonzept auf den Weg gebracht hat, in dem es darum geht, wie zukünftig mit Grundwasser umgegangen werden soll.
Der Stadtstaat Hamburg bezieht sein Trinkwasser auch von Quellen außerhalb der Stadt, etwa aus der Nordheide. 38 Brunnen sind es im niedersächsischen Landkreis Harburg - einige liegen sogar im Naturschutzgebiet. Das ist so mal genehmigt worden. Aber die die Interessengemeinschaft Grundwasserschutz Nordheide e.V. seit Jahrzehnten dafür ein, dass das Grundwasser des Landkreises Harburg nur hier verwendet wird - und nicht nach Hamburg fließt. Genau so lange dokumentiert Gerhard Schierhorn, Bürgermeister von Hanstedt und Mitbegründer des Vereins die Naturveränderungen im Landkreis. Er ist überzeugt, dass etwa Grundwasserabsenkungen eine Folge der Wasserentnahmen durch Hamburg Wasser sind. Diese führten nach seinen Angaben dazu, dass etwa Moore und Flussläufe deshalb verschwunden seien. Hier der Rundbrief des Vereins vom März 2021. Auch Hamburg Wasser selbst berichtet über die Wasserentnahmen in der Nordheide, genauer an der oberen Este. Bei Hamburg Wasser kann man übrigens nachsehen, woher das eigene Leitungswasser kommt.