die nordstory - St. Pauli - abseits der Reeperbahn

Dienstag, 05. November 2024, 14:00 bis 15:00 Uhr

Der Hamburger Kiez ist nicht nur nachts schillernd und bunt. Unweit der "sündigen" Meile hat St. Pauli tagsüber wahre Perlen zu bieten für alle, die dort wohnen.

Konditorei, Minigrill, Gemüseladen: Die Besitzer dieser Traditionsgeschäfte rund um die Paul-Roosen-Straße halten den berühmten Stadtteil mit viel Herzblut zusammen, immer mit einem lockeren Spruch auf den Lippen.

Süße Verführungen in einer Konditorei

Birgit Aues Konditorei ist auf St. Pauli eine Institution. Ob Künstler, Kizianer oder die Nachbarn, alle lieben die süßen Verführungen von Birgit. © NDR/Miramedia/Stefan Weiße
Birgit Aues Konditorei ist auf St. Pauli eine Institution. Ob Künstler, Kizianer oder die Nachbarn, alle lieben die süßen Verführungen von Birgit.

Birgit Aue ist wohl die bekannteste Konditorin auf dem Kiez. Ihren Laden gibt es schon seit 62 Jahren in der Hein-Hoyer-Straße. "Das hier ist ein kleines Geschäft, wo es familiär zugeht, wo ich alles machen kann", sagt die Chefin. Birgit kreiert ihre berühmten Sahnetorten und nackte Marzipan-Girlies, St. Pauli-Herzen, Leipziger Lerchen oder riesige Hochzeitstorten. "St. Pauli mit seinen 22.000 Einwohnern ist ein Dorf. Man hilft sich gegenseitig", sagt Birgit.

Der kleine Grillimbiss

Marc Lüllemann vom Mini-Grill auf St. Pauli. Tagsüber sorgt er zusammen mit seinen Eltern für die wohl besten Hähnchen auf dem Kiez - unweit der Reeperbahn. © NDR/Miramedia/Stefan Weiße
Marc Lüllemann vom Mini-Grill auf St. Pauli. Tagsüber sorgt er zusammen mit seinen Eltern für die wohl besten Hähnchen auf dem Kiez - unweit der Reeperbahn.

Wenige Schritte von ihrer Konditorei Rönnfeld entfernt gibt es wohl die besten "frei laufenden" Hähnchen auf St. Pauli. Der kleine Grillimbiss gehört dem 60-jährigen Peter Lüllemann. Vor 32 Jahren hat er ihn gekauft. Er, seine Frau Beatrice und ihr Sohn Marc arbeiten im Grill Hand in Hand "Zu uns kommt jeder vom Kiez. Viele Kunden sind treu, die schon seit Jahrzehnten herkommen", sagt Peter.

Ein Obst- und Gemüseladen und die Stammkunden

Die Lüllemanns lieben den Schnack mit ihrer Kundschaft, das gilt auch für Doris Terheyde. Im Viertel wird sie nur "die Gemüseflüsterin" genannt. Jeden Tag verkauft sie in ihrem Laden Obst und Gemüse.

Zwei Wandergesellen auf Zwischenstopp in Hamburg

Die Wandergesellen wollen neue Orte und neue Menschen kennenlernen. Wer in Kluft auf die Walz geht, folgt einer uralten Tradition. Bei der Tippelei müssen die Zunftbrüder auch arbeiten, um über die Runden zu kommen. © NDR/Miramedia/Stefan Weiße
Die Wandergesellen wollen neue Orte und neue Menschen kennenlernen.

In die kleinen Traditionsläden zieht es auch Adrian Blendinger und Victor Mühlbeyer. Die Wandergesellen sind nach altem Zunftbrauchtum mindestens drei Jahre und einen Tag lang auf der Walz und machen Zwischenstation auf St. Pauli. Nicht verheiratet, keine Kinder, keine Schulden, keine Vorstrafen, aber einen Gesellenbrief. Das waren die Voraussetzungen, um auf Wanderschaft zu gehen. Adrian ist Tischlergeselle und Victor Zimmergeselle. Beide lieben "das Gefühl der großen Freiheit". Sie reisen ohne Handy und Laptop durch die Welt und mit nur ein paar Kilo Gepäck in ihrem Bündel. Der 29-jährige Adrian will auf der Walz in fremden Handwerksbetrieben verschiedene Arbeitstechniken erlernen, Lebenserfahrungen sammeln und menschlich reifen. Mal reisen, mal arbeiten, so sieht ihre Wanderschaft aus. Sie übernachten in Parks, auf der Straße, bei Privatpersonen oder in Herbergen für Wandergesellen, die es auf der ganzen Welt gibt.

Die Herberge für Wandergesellen auf St. Pauli

Auch auf St. Pauli befindet sich eine solche Unterkunft. Adrian und Victor übernachten in der Logis ihrer Vereinigung der rechtschaffenen fremden Zimmer- und Schieferdeckergesellen. Für Transport und Unterkunft dürfen sie während der Wanderschaft kein Geld ausgeben. Das ist Tradition. Auf St. Pauli haben Adrian und Victor einiges vor. Beim Gesellenabend mit anderen Zunftbrüdern wollen sie feiern und ihre Rituale ausleben. Und dann ist da in Altona ein Geschäft, wo sie unbedingt hinmüssen.

Fachgeschäft für eine neue Kluft

Die Gadens in ihrem Familiengeschäft für Berufs- und Zunftkleidung in Altona. Drei Generationen unter einem Dach. Jutta Gaden, ihr Sohn Michael und ihr Enkel Matthias. Ihr Laden hat sogar eine eigene Schneiderei für die Kluft von Handwerkern und Wandergesellen. © NDR/Miramedia/Stefan Weiße
Die Gadens in ihrem Familiengeschäft für Berufs- und Zunftkleidung in Altona. Drei Generationen unter einem Dach.

Der Laden für Zunftkleidung Kurt Gaden besteht seit über 100 Jahren. Für Wandergesellen und Handwerker ist der Familienbetrieb eine Institution. Das Geschäft für Berufs- und Kluftkleidung fertigt sogar Hosen, Westen und Jacken nach Maß in der eigenen Schneiderei an. Chefin Jutta Gaden steht mit 90 Jahren noch täglich im Geschäft. Drei Generationen unter einem Dach, denn auch ihr 72 Jahre alter Sohn Michael und ihr Enkel stehen hinter dem Verkaufstresen. Wandergeselle Victor lässt sich von den Gadens eine neue Hose anfertigen, denn er hat bei Flensburg einen Job in einer Dachdeckerei. Sein Reisekamerad Adrian hat dagegen einen Job als Tischler auf einem Islandpferdehof gefunden. Auch dort sammelt er wieder neue Erfahrungen.

"die nordstory" ist eine Sozialstudie über die Menschen und kleinen Läden auf St. Pauli abseits der Reeperbahn. Und sie zeigt das ungewöhnliche Leben von Wandergesellen während ihrer Tippelei. Auf St. Pauli machen sie immer wieder gerne Zwischenstation.

Weitere Informationen
Blick von der Elbe auf die Hamburger Landungsbrücken © NDR Foto: Kathrin Weber

Elbphilharmonie, Hafen, St. Pauli: Sehenswürdigkeiten in Hamburg

Rathaus und Elbphilharmonie, Reeperbahn und Jungfernstieg, Elbe und Alster: Hamburg bietet viele Ziele für Entdeckungstouren. mehr

Produktionsleiter/in
Thorsten Köpp
Karin Hauschildt
Redaktion
Birgit Schanzen
Autor/in
Stefan Weiße
Redaktion
Dirk Külper, Arne Siebert

JETZT IM NDR FERNSEHEN

Visite 15:15 bis 16:00 Uhr
Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?