Die Nordreportage

Die Nordreportage: Neues Leben für alte Kleidung - Szenemode statt wegschmeißen

Donnerstag, 07. März 2024, 18:15 bis 18:45 Uhr
Freitag, 08. März 2024, 11:30 bis 12:00 Uhr

Regelmäßiges Ausmisten hilft gegen einen überquellenden Kleiderschrank. Doch wohin mit all den Klamotten? Vier Hamburger Unternehmen suchen Lösungen für den textilen Überfluss.

Alle drei Wochen ein neues Sortiment im 2nd Fit

Im Hamburger Szeneviertel Schanze haben die Geschwister Janina und Elias Urlu mit ihren Eltern einen Secondhandladen eröffnet. Das Konzept von 2nd Fit: alle drei Wochen ein komplett neues Sortiment und jeden Tag sinkende Preise. Knapp drei Tonnen Altkleider alle drei Wochen. Dreimal pro Woche sortieren sie in ihrem Lager gemeinsam Tausende Altkleider, die sie anschließend im Laden verkaufen. Ein Teil der Kleidung wird an Hamburger Initiativen gespendet. Hobby-Graffiti-Künstler Elias Urlu wertet einige Teile auf, indem er sie bedruckt oder besprüht. Vor knapp zwei Jahren haben sie den Laden eröffnet und haben schon viel Stammkundschaft aus dem Viertel. Auch Tourist*innen kommen gern zum Shopping in die Schanze. Vor wenigen Monaten eröffnete Familie Urlu einen zweiten Laden in Hamburg-Ottensen. Wenn es nach Elias Urlu geht, soll das Konzept schon bald über die Grenzen Norddeutschlands hinaus verbreitet werden.

Gebrauchtes wieder in der Kreislauf bringen über recyclehero

Die Altkleider kauft 2nd Fit nur zwei Straßen weiter beim Hamburger Start-up recyclehero. Das Team von Nadine Herbrich und Alessandro Cocco holt sie kostenlos bei Privatleuten und Firmen ab, emissionsarm per E-Bike. Fünf Tonnen pro Monat, Tendenz steigend. Ihre Idee ist es, Gebrauchtes wieder in den Kreislauf zu bringen. Die Kleidung soll außerdem in Norddeutschland bleiben. Denn Altkleider, die ins Ausland exportiert werden, zerstören die dortige Textilindustrie. Früher holten Nadine Herbrich und Alessandro Cocco noch alles nach Feierabend mit einem geliehenen Lastenrad ab. Inzwischen haben sie ihre damaligen Jobs gekündigt und in vier weiteren deutschen Großstädten Zweigstellen aufgemacht. Allein in Hamburg sind 20 Mitarbeitende beschäftigt und acht E-Bikes unterwegs. Neben Altkleidern sammeln sie Altpapier, -glas und Leergut. Nadine Herbrich sagt, das Beste wäre, wenn ihre Arbeit überflüssig würde, weil die Leute nachhaltiger konsumieren. Aber das sei noch ein langer Weg. Bis dahin tüftelt recyclehero an neuen Ideen. Die Sammlung von gebrauchten Mobiltelefonen läuft zum Beispiel gerade an. Und sie wollen in sechs weiteren Städten loslegen.

Hochwertige Stücke im Second Schanze

Der Trend Secondhand ist noch lange nicht vorbei, sagt Britta Falk von der Boutique Second Schanze. Zwei Gründe dafür sind steigende Preise und ein steigendes Bewusstsein, dass Fast Fashion unter unmenschlichen Bedingungen hergestellt wird und der Umwelt schadet. Britta Falk setzt auf das klassische An- und Verkaufskonzept. Sie kauft von Privatleuten hauptsächlich hochwertige gebrauchte Kleidung und Musterkollektionen von nachhaltigen und Hamburger Labeln. Sie nimmt jedes Stück persönlich entgegen und kennt alle 3.000 Teile im Laden. So kann sie die Kundschaft individuell beraten. Britta Falk ist Quereinsteigerin. Das Geschäft Second Schanze kannte sie schon länger als Kundin, schließlich wohnt sie in der Straße. Als sie hörte, dass die Besitzerin in Rente gehen will, zögerte sie nicht lange und übernahm den Laden. Weil er so gut läuft, will sie will ihr Sortiment bald um Männerkleidung erweitern.

Neues aus Altem schneidern im Bridge&Tunnel

Sozial und nachhaltig ist das Motto von Constanze Klotz und Charlotte Erhorn von Bridge&Tunnel. In Hamburg-Wilhelmsburg schneidern sie Neues aus alten Stoffen, die sonst im Müll landen würden. Auch bei ihrem Team setzen Constanze Klotz und Charlotte Erhorn auf zweite Chancen. Sie stellen Näherinnen ein, die Schwierigkeiten haben, auf dem ersten Arbeitsmarkt einen Job zu finden. Ihr aktueller Auftrag: Upcycling unter extra Zeitdruck. Aus einem 200 Quadratmeter großen Banner, das vor wenigen Tagen beim Eröffnungsspiel der Handball-Europameisterschaft noch in Düsseldorf am Stadion hing, sollen binnen einer Woche 500 Kulturbeutel geschneidert werden. Pünktlich zum Finale der Europameisterschaft müssen die Taschen in Köln sein. Ein Job, den Constanze Klotz und Charlotte Erhorn und ihre zehn Mitarbeiterinnen gern annehmen. Seit 2016 nähen sie Jacken, Taschen, Pullover, Kissen und Accessoires aus alten Jeans und anderen Stoffen, die sie aus Privathaushalten oder von Firmen erhalten. Als besonderen Service werden bei Bridge&Tunnel einzelne private Kleidungsstücke umgeschneidert. So bekommt die alte, heiß geliebte Partyjeans von Kundin Julia innerhalb von 30 Minuten als Hipbag ein zweites Leben.

"Die Nordreportage" begleitet die vier Hamburger Unternehmen und zeigt, mit welchen Ideen sie Norddeutschland und die Modewelt besser machen wollen.

Produktionsleiter/in
Karin Hauschildt
Thorsten Köpp
Redaktion
Arne Siebert
Autor/in
Sylvi Hoschke
Redaktion
Dirk Külper