Neue Marine-Korvetten: Pannenserie ohne Ende
Die Pannenserie beim Milliardenprojekt "Korvette 130" reißt nicht ab. Die fünf Kriegsschiffe, die eigentlich schon 2007 einsatzfähig sein sollten, können nach Informationen des NDR Magazins "Panorama Nord" voraussichtlich erst geschlagene sieben Jahre später in Betrieb genommen werden als geplant. Nach Recherchen von "Panorama Nord" hat es bei Werfterprobungsfahrten Ende Mai erneut Probleme gegeben, dieses Mal mit den Kupplungen der Getriebe auf den Korvetten "Oldenburg" und "Ludwigshafen am Rhein". Welche Reparaturkosten für die Beseitigung des Schadens anfallen und wie lange sich die Einsatzfähigkeit der Korvetten allein dadurch verzögern wird ist bislang unklar.
Die Belastung der Einheiten ist gestiegen
Momentan geht das Flottenkommando davon aus, dass das 1,2 Milliarden Euro teure Korvettengeschwader erst im Jahr 2014 einsatzfähig sein wird. Marineinspekteur Axel Schimpf gegenüber "Panorama Nord": "Die Belastung der Einheiten, die ich in Einsätze schicken muss, ist ungleich höher, da die Korvetten seit Jahren nicht zur Verfügung stehen. Ich als Marinechef brauche am Schluss ein funktionierendes Produkt und ich erwarte natürlich von allen Beteiligten, die in diesem System dafür arbeiten, dass dieses Produkt möglichst schnell und funktionierend zur Verfügung gestellt wird."
Außerdem forderte Schimpf eine "robustere Aufsicht" der Hersteller von staatlicher Seite. Nach Informationen von "Panorama Nord" hatte das Bundesverteidigungsministerium bei der Planung der Korvetten bewusst von einer genauen Kontrolle der Hersteller, einem Werftenkonsortium, abgesehen. So schrieb 2002 der zuständige Projektleiter im Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung, Peter Grundmann, in einem Fachaufsatz: "Auf die Vorgabe von Konstruktionsprinzipien und Bauvorschriften wurde so weit wie möglich verzichtet." Marineexperten halten diese unzureichende Kontrolle für den Hauptgrund für die Verzögerungen bei der Korvette 130.
"Völlig falscher Ansatz"?
"Der Ansatz, dass ein fertiges Produkt von einem Konsortium geliefert werden soll, ist völlig falsch, weil die Kontrolle seitens der Politik aus der Hand gegeben wird. Das Beispiel Korvette 130 zeigt, dass so Beschaffungsvorhaben mit diesem Konstrukt nicht funktioniert", sagte Jan Grebe, Rüstungsexperte im Bonner International Center for Conversion, dem NDR Magazin. Und Heinz Dieter Jopp vom Institut für strategische Zukunftsanalyse der Carl-Friedrich von Weizsäcker-Stiftung, stellte fest: "Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass es durch Privatisierung und Verzicht auf eigenständige Kontrolle unterm Strich für den Bund billiger wird, gleichzeitig aber der Qualitätsstandard erhalten bleibt. Leidtragende ist hier die Deutsche Marine." Jopp nannte das Projekt das "größte Desaster der Marine seit dem Zweiten Weltkrieg".
Immer wieder hat es Pannen gegeben
Bei Leistungstests der Korvetten war es immer wieder zu Pannen gekommen. Bereits 2009 gab es schwere Probleme mit den Schiffsgetrieben. In der Folge mussten diese auf allen fünf Schiffen ausgebaut und erneuert werden. Im Februar 2011 stellte man bei einer Erprobungsfahrt der Korvette "Magdeburg" vor der Küste Norwegens fest, dass sich im Schiff Schimmel und Schwitzwasser bildeten, weil bei der Konstruktion der Klimaanlagen Fehler gemacht worden waren. Wieder mussten alle fünf Korvetten aufwendig überarbeitet werden.
Im Bundesverteidigungsministerium sei man nicht zufrieden mit der aktuellen Situation, wie der Staatssekretär der Behörde, Stéphane Beemelmans, im Interview mit "Panorama Nord" einräumte: "Manchmal gibt es Pech, und dann kommt noch Unglück dazu. Wir versuchen diesen Zustand so schnell zu möglich zu beheben und werden daraus die Lehren ziehen." Auf die Frage, ob man der Industrie beim Bau der Korvetten zu sehr freie Hand gelassen habe, antwortete er: "Ich glaube, dass wir im Schiffbau gut beraten sind, eng mit der Rüstungsindustrie zusammenzuarbeiten. Die Konsequenz kann nur sein, dass wir immer genau hinschauen. Vielleicht können wir uns noch bessern." Was sein Ministerium in Zukunft anders machen will, sagte Beemelmanns allerdings nicht.
Die Korvette 130 wurde als Ersatz für die überalterten Schnellboote der Deutschen Marine entworfen und soll die Möglichkeiten bei Seeraumüberwachung und Küstenschutz im weltweiten Einsatz erweitern, etwa im Rahmen der Anti-Piraten-Mission der EU am Horn von Afrika. 2001 hatte das Bundesverteidigungsministerium ein Werftenkonsortium, die sogenannte Arge K 130, bestehend aus Blohm + Voss, Nordseewerke Emden und Lürssen Werft, mit dem Bau von fünf Schiffen zum Gesamtpreis von rund 1,2 Milliarden Euro beauftragt.