Die Heimreise
In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, 29. Mai 2024, 00:00 bis
01:40 Uhr
"Manchmal denke ich, ich bin geklont, dass ich gar kein echter Mensch bin", erklärt der drahtige Mann nachdenklich. Bernd Thiele wäre so gern "normal", doch seine Mutter war eine schwere Alkoholikerin, trank in der Schwangerschaft und schädigte damit Bernds Gehirn. Ein Schaden, der leider irreparabel ist.
Die Experten nennen das, was Bernd widerfahren ist, FASD (Fetal Alcohol Spectrum Disorder). Es war kein Unfall bei der Geburt, kein Genfehler und auch nicht einfach nur Pech, dass Bernd mit einer geistigen Behinderung zur Welt kam. Bernd ist das voll und ganz bewusst. Und doch wünscht er sich nichts sehnlicher, als einfach nur ein Foto von seiner Mutter zu besitzen.
Eine Kindheit in Heimen und bei Pflegeeltern
Schon als Säugling wurde Bernd Thiele vom Berliner Jugendamt aus seiner Familie genommen. Bernd kennt seine Mutter nicht, seinen Vater nicht und auch seine (angebliche) Schwester nicht; überhaupt weiß er so gut wie nichts über seine Vergangenheit und Herkunft, denn der 38-Jährige hat seine gesamte Kindheit und Jugend in Heimen und bei Pflegeeltern verbracht: "Ich weiß gar nicht, ob es meine Schwester wirklich gibt, es wurde mir immer nur gesagt. Aber ein Foto habe ich nie gesehen". Bernds gesamte Familie ist verschollen. Als Bernd mit Anfang 20 über einen Betreuer vom Jugendamt sich Information über seine Schwester erbat, kam nur die lapidare Antwort, es gäbe keine Unterlagen und man solle von weiteren Nachfragen bitte Abstand nehmen.
Gibt es noch Verwandte?
18 Jahre später nimmt sich der Filmemacher Tim Boehme der Recherche an. Mit Hartnäckigkeit und der Hilfe eines Personensuchdienstes kommen erste schriftliche Hinweis aus Berlin ans Tageslicht. Es soll dort noch einen Onkel geben! Ein Verwandter, von dem bislang niemand etwas wusste, weder Bernd noch seine Betreuer und schon gar nicht das Jugendamt!
Eine Reise in die Vergangenheit
"Die Heimreise" erzählt mit viel Humor die berührende Geschichte, wie Bernd Thiele mit seinem guten Kumpel Joann Natanael Zeylmans von Emmichoven auf eine Reise in die Vergangenheit aufbricht, um Bernds Familie zu finden. Die zwei werden auf ihrer Entdeckungsreise nicht an die Hand genommen, sondern erarbeiten sich ihre Erkenntnisse selbst. Ob es einfach nur gilt, die gesuchte U-Bahn am Hamburger Hauptbahnhof ausfindig zu machen oder den richtigen Umgang mit der Schuld zu finden, die Bernds Mutter mit ihrem Alkoholkonsum während der Schwangerschaft auf sich lud. Im Film übernehmen die zwei Männer die Verantwortung für ihr Handeln, eine Erfahrung, die für betreute Menschen nicht selbstverständlich ist. Und deshalb gewinnt im Laufe des Dokumentarfilms Bernds Selbstbewusstsein sichtbar an Größe.
Vom schleswig-holsteinischen Flintbek aus wollen die zwei Männer vom Lande erst nach Hamburg, Bernd wollte immer schon einmal das Nachtleben auf St. Pauli kennenlernen, dann weiter in Bernds Geburtsstadt Berlin reisen. Was Bernd noch nicht weiß: Es wird die Reise seines Lebens! Und die Kamera durfte dabei sein!
- Autor/in
- Tim Boehme
- Regie
- Tim Boehme
- Redaktion
- Timo Großpietsch
- Produktionsleiter/in
- Tim Carlberg