Stand: 17.01.2012 15:53 Uhr

Wilder Westen inklusive

von Uwe Grützmacher

Am 1. Januar 1992 ist alles anders. Die "Einrichtung nach Artikel 36 des Einigungsvertrages" existiert nicht mehr. Der NDR wird um das Land Mecklenburg-Vorpommern erweitert und somit zur einzigen Vier-Länder-Anstalt der ARD. 256 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zuvor bei den Sendern Schwerin, Rostock und Neubrandenburg sowie im Fernsehstudio Rostock angestellt waren, gehören nun zum NDR.

Uwe Grützmacher heute
Uwe Grützmacher ist heute Redakteur bei NDR 1 Radio MV.

Aus Radio Mecklenburg-Vorpommern (RMV) wird NDR 1 Radio MV, aus dem "Nordreport" das "Nordmagazin". Hier stoßen zwei teilweise unterschiedliche Vorstellungen von Journalismus und zwei Lebenswelten aufeinander, die schnell zusammengeführt werden müssen. Bereits Ende 1991 wird ganz unbürokratisch ein Volontärsjahrgang für zehn junge Kolleginnen und Kollegen aus Mecklenburg-Vorpommern eingerichtet. Uwe Grützmacher, heute Redakteur bei NDR 1 Radio MV, war einer von ihnen und erinnert sich.

"Sie werden NDR Volontär!"

Ursprünglich als Tontechniker beim Sender Schwerin beschäftigt, wechselte ich mit der Wende in die neue RMV-Redaktion. Ich war 23 Jahre alt, jung und unbekümmert, aber gestählt von zwei Jahren journalistischer "Wendebegleitung", als der NDR nach Mecklenburg-Vorpommern kam. Viele Kollegen von Radio Mecklenburg-Vorpommern und dem Fernseh-Landessender Mecklenburg-Vorpommern wurden fest übernommen, einige bekamen Jahresverträge. Für mich und neun weitere Kollegen hatte sich der designierte Landesfunkhausdirektor Gerd Schneider ein ganz besonderes Abenteuer ausgedacht: "Sie werden NDR Volontär!"  

Gerd Schneider, ab 1982 Leiter des Hörfunkbereiches im Funkhaus Kiel, Programmchef der NDR 1 Welle Nord, ab 1988 auch stellvertretender Direktor des NDR-Landesfunkhauses Schleswig-Holstein, ab 1991 kommissarischer, ab 1993 Direktor des Landesfunkhauses Mecklenburg-Vorpommern. 2007 ging er in den Ruhestand. © NDR
Gerd Schneider, Direktor des Landesfunkhauses Mecklenburg-Vorpommern von 1993 bis 2007.

Damals hielt sich die Freude zumindest bei mir zunächst in Grenzen, war doch ein Volontariat in der DDR der erste Schritt in Richtung Journalismus nach dem Abitur und vor dem Studium. Etwas für Anfänger ... Aber die meisten von uns hatten bereits ein Volontariat absolviert und seit November 1989 die Wende und den Neubeginn im Osten Deutschlands aktiv begleitet.

Das erste Seminar

Die folgenden 18 Monate wurden für mich dann doch die spannendsten meiner bisherigen 20-jährigen NDR Karriere. Das erste Seminar, speziell organisiert für uns "Ossis": Wirtschaft! Seminarort: Hamburger Börse! Was ist ein Unternehmen? Wie funktionieren Angebot und Nachfrage? Was ist ein DAX? Das waren spannende Fragen für Kinder der sozialistischen Planwirtschaft.

Danach begann der Volontärsalltag mit ständigem Wechsel der Redaktionen und vielen Seminaren. Unvergessen zum Beispiel der Tag, an dem Unternehmerin Beate Uhse einen Tag lang mit uns im Studio Flensburg Interviews trainierte. Auf vielen Stationen waren wir nicht nur Lernende, sondern mussten, sollten, wollten auch selbst viel erzählen. Oft waren wir die ersten Ostdeutschen, die in den NDR Redaktionen auftauchten ("Du kommst aus dem Osten??? Du sprichst ja gar nicht so ...").

Intensives Kennenlernen

Die Lebenswege des jeweils anderen füllten viele Gespräche. Die Zeit im Funkhaus reichte dafür meist nicht aus. Ob abends in der Kneipe oder bei den Kollegen zu Hause - für mich bleiben in der Erinnerung viele schöne Begegnungen, Gastfreundschaft und ehrliches Interesse. Das Volontariat war für mich damals der perfekte Start in ein neues Berufsleben. Die meisten von uns zehn arbeiten noch heute für den NDR, alle sind bis heute im Journalismus geblieben.

NDR Landesfunkhaus Schwerin © NDR

Wie Mecklenburg-Vorpommern zum NDR kam

3. Oktober 1990: Deutschland feiert die Wiedervereinigung. Gleichzeitig wird hinter den Kulissen eifrig um die Erweiterung des NDR Sendegebiets gerungen. mehr

Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

Umfrage zum Fachkräftemangel: Müssen wir alle länger arbeiten?