Stand: 13.06.2016 13:15 Uhr

Der Klassiker - die Tagesschau und ihr neues Studio

von Dr. Kai Gniffke

Mit solchen Problemen hatte keiner gerechnet, als 2009 die Planungen für das neue ARD-aktuell-Studio begannen. Ein klares Design, Moderatoren, die sich im Studio bewegen können und natürlich das „Herzstück“, die 17,5 Meter breite interaktive Medienwand: Das waren die Vorgaben für das sogenannte ARD 1, aus dem täglich bis zu 20 Tagesschau-Ausgaben, die Tagesthemen, das Nachtmagazin und tagesschau24 gesendet werden. Rückblick auf eine nervenaufreibende Zeit.

Dr. Kai Gniffke, Chefredakteur ARD-aktuell © NDR/Holde Schneider
Dr. Kai Gniffke, Chefredakteur ARD-aktuell, erinnert sich an ein aufregendes Projekt, das ein wenig länger dauerte als geplant.

Bloß keine Party! Auf keinen Fall Sekt kaltstellen oder Gäste einladen. Nichts, gar nichts, einfach nur warten und hoffen, dass nachher alles gut geht. Noch drei Stunden bis zur Tagesschau um 20 Uhr, bis zum on air-Start des neuen Tagesschau-Studios. Natürlich sind alle optimistisch, dass alles klappt, aber so richtig sicher ist niemand. Also gilt die Devise: Ball flach halten.

Was ist mit Angelina Jolie?

Wir haben erst spät den Starttermin öffentlich genannt. Mit einer sehr subtilen viralen Kampagne haben wir das Publikum auf den bevorstehenden Termin hingewiesen, haben in den Tagesthemen kleine versteckte Hinweise auf den Countdown gegeben und erst eine Woche vor dem Karsamstag öffentlich die Katze aus dem Sack gelassen.

Die Presselage heute ist günstig. Wir haben am Tag vorher noch eine Information herausgegeben: Die neue Stimme, die täglich die berühmten Worte: "Hier ist das Erste Deutsche Fernsehen mit der Tagesschau" spricht, ist die deutsche Synchronstimme von Angelina Jolie. Ein Hauch von Hollywood in der Tagesschau.

17.30 Uhr - und das Warten beginnt

Ich gehe noch einmal zu unserem Social Media-Tisch. Heute haben wir hier personell erheblich aufgestockt. Denn die erste Welle der Reaktionen kommt hier an. Alle sind gebrieft, wie wir mit welchen Argumenten auf Kritik reagieren. Auch zwei eigene Telefonplätze haben wir eingerichtet für empörte, hoffentlich aber beglückte Zuschauerinnen und Zuschauer, die ihr Feedback loswerden wollen. Jeder versucht jetzt irgendwie, die verbleibenden zweieinhalb nervtötend langen Stunden bis 20 Uhr rumzukriegen.

Auftritt: Dagmar Berghoff

Um 18 Uhr kommt dann doch ein Gast - und was für einer! Dagmar Berghoff hatte sich vor Tagen bei mir gemeldet und ihren Wunsch geäußert, bei der Premiere dabei sein zu dürfen. „Ich möchte der Glücksbringer der Redaktion sein", hatte sie gesagt.

Dagmar Berghoff mit einem Blumenstrauß. © NDR.de Foto: Sascha Sommer
Hoher Besuch vor der Premiere: Die ehemalige Tagesschau-Chefsprecherin Dagmar Berghoff (hier auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2013).

Und jetzt steht die Grande Dame der Tagesschau im knallroten Blazer vor mir, und ich bin gerührt, denn alle spüren das Signal: Die Vorgängergeneration der Tagesschau-Familie wünscht uns Glück und stärkt uns den Rücken.

Gemeinsam mit dem Projektleiter und Erfinder des Studios, Hans-Georg Grommes, zeigen wir der ehemaligen "Miss Tagesschau" das neue Studio. Sie stellt sich an den neuen Tisch und sagt aus Spaß in die Kamera: "Guten Abend meine Damen und Herren". Gänsehaut! Auch ihren ehemaligen Arbeitsplatz, das alte Studio ARD 1, zeigen wir ihr. Es hat 16 Jahre lang gute Dienste geleistet. Jetzt ist es Geschichte. Ich bin Dagmar Berghoff so dankbar, dass sie da ist und auch dafür, dass sie mich eine ganze Weile abgelenkt hat. Noch eine Stunde bis on air.

Ein guter Anfang

Kaum zu glauben, dass wir vor fünf Jahren begonnen haben, das neue Studio zu planen - welch eine lange Zeit. All das kommt jetzt in mir hoch, zum Beispiel der Wettbewerb mit fünf namhaften TV-Setdesignern im Jahr 2010, als wir die ersten Entwürfe gesehen haben. Das reale Studio hatte uns damals sofort überzeugt. Projektleiter Grommes hatte uns dazu geraten, kein virtuelles Studio zu bauen. Nachrichten leben von Glaubwürdigkeit, von Sicherheit und Vertrauen. Und dazu passt ein reales Studio mit echtem Tisch, echtem Fußboden und vor allem einer realen Medienwand hinter den Moderatorinnen und Moderatoren besser als die virtuelle Kulisse.

Und so haben wir uns mit Feuereifer in das Projekt gestürzt. In zahllosen Meetings haben wir versucht unsere Wünsche und hochfliegenden Plänen mit dem Projektbudget von 23,8 Millionen Euro in Einklang zu bringen. Das ist zwar eine hohe Summe, aber für ein Studio, das rund zehn Jahre lang 24 Stunden am Tag an sieben Tagen pro Woche sendet, ist das eine sehr effiziente Investition.