Der Deutsche Radiopreis: Eine Gattung zeigt Profil
Radio – das Wort strahlt Zuverlässigkeit aus, es klingt vertraut, beruhigend, vielleicht ein bisschen bieder. Dabei ist Radio eine der spannendsten Gattungen unter den Medien, eine Spielwiese für journalistische Fähigkeiten, ein Erlebnis besonderer Art - und nach wie vor unangefochtener Spitzenreiter unter den medialen Tagesbegleitern.
Wer einen Deutschen Radiopreis erhalten würde, war in den Tagen vor der erstmaligen Verleihung im September 2010 ein wohlgehütetes Geheimnis. Zu den wenigen, die die Namen kannten, zählten die unabhängige Jury des Grimme-Institutes - und der Hamburger Zoll. Damit die Gala im „Schuppen 52“ stattfinden konnte, einer ehemaligen Lagerhalle mitten im Freihafen, musste den Beamten die Einfuhr jeglicher Gerätschaften, Utensilien und Requisiten angezeigt werden: Scheinwerfer, Mikrofone, das Schlagzeug von Phil Collins, der rote Teppich und nicht zuletzt die gläsernen Trophäen – letztere auch verbunden mit der Angabe, wer sie nach der Gala wieder ausführen würde.
Bekennende Radio-Fans
Am Ende der Galanacht waren es 15 Preise, die die herausragenden deutschen Radiomacher des Jahres 2010 mit nach Hause nehmen konnten: Die besten Moderatoren, Reporter, Comedy-Autoren und Sounddesigner, die Teams, die hinter der besten Morgensendung, der besten Sportberichterstattung, dem innovativsten Radioprojekt standen. Überreicht wurden die Auszeichnungen, die nicht mit einer Geldsumme verbunden sind, von ebenso prominenten wie unterhaltsamen Laudatoren.
Die Anerkennung und die Wertschätzung, die der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher („Ich bekenne mich als Radiofan – es ist ein wunderbares Medium“), ARD-Moderator Reinhold Beckmann („Radio ist ein Phänomen“) oder der mehrfache Box-Weltmeister Wladimir Klitschko („Ich glaube, Radio wird manchmal unterschätzt – für mich bleibt es ein Schwergewicht“) für die Leistungen der Gewinner und das Medium Radio zum Ausdruck brachten, waren Höhepunkte des Abends – ebenso wie die Auftritte von Stars wie Phil Collins, Lena, Silbermond oder Ich & Ich.
Eine Fest fürs Radio
Die Idee für den Deutschen Radiopreis war rund zwei Jahre zuvor im NDR entstanden. Ausgangspunkt war der Gedanke, dass Bescheidenheit für Medienmacher nicht die unvorteilhafteste Eigenschaft ist, Radiomenschen indes gelegentlich dazu neigen, es mit der Bescheidenheit ein wenig zu übertreiben.
Anders als in so manchem Untergangsszenario prophezeit, hat das Radio seinen bedeutenden Platz im Medienmix halten können. Rund 60 Millionen Menschen in Deutschland schalten Tag für Tag das Radio ein. In einem Zeitraum von zwei Wochen nutzen sogar 90 Prozent ein Radioangebot – ein Wert, der in den vergangenen zehn Jahren stabil geblieben ist. Doch so wenig Anlass der Hörfunk hat, sein Licht unter den Scheffel zu stellen, so selten rückte er bislang sich und seine Stärken ins Scheinwerferlicht – ganz anders als die übrigen Mediengattungen, die ihre Leistungen regelmäßig und mit großer Selbstverständlichkeit auszeichnen und feiern.
Treuer Begleiter für Millionen
Keine Frage: Mit Prix Italia, Prix Europa oder dem Hörspielpreis der ARD gibt es bedeutende und renommierte Auszeichnungen für einzelne, vor allem künstlerisch-literarische Gattungen des Hörfunks. Indes: Die Qualitäten, die das Radio im Alltag von rund 60 Millionen Menschen fest verankern, gehen meist leer aus. Dazu gehören die schnelle und verlässliche Information, die Nähe und Vertrautheit, die Moderatoren ausstrahlen, oder die Überraschung und Spontanität, die in gut geführten Interviews und originellen Radio-Comedys steckt. Ziel des Deutschen Radiopreises war und ist es, genau diese Leistungen auszuzeichnen, auf diese Weise Qualität zu fördern und dem Radio als unverzichtbarem Alltagsmedium breite Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Erstmals gemeinsam: Öffentlich-Rechtliche und Private
Schon als im NDR die ersten Blaupausen für den Radiopreis entwickelt wurden, war klar: Soll die Auszeichnung zu einem Leuchtturm für den Hörfunk werden und Strahlkraft auch über eine Gala hinaus haben, dann wird dies nur gelingen, wenn der Preis von der gesamten deutschen Radiobranche getragen und zusammen mit namhaften Partnern verliehen wird.
Dass es eine gewisse Herausforderung war, Öffentlich-Rechtliche und Private in ein Boot zu holen, liegt auf der Hand. Nicht alle vertrauten von Beginn an darauf, dass von dieser Initiative beide Seiten gleichermaßen profitieren würden. Doch mit der Zahl der Partner wuchs die Anziehungskraft: Stifter wurden die ARD, Deutschlandradio und die Privatradios in Deutschland, Kooperationspartner das Grimme-Institut, die von öffentlich-rechtlichen wie privaten Sendern getragene Radiozentrale, die Freie und Hansestadt Hamburg sowie die Vermarkter ARD-Werbung SALES & SERVICES (AS&S) und Radio Marketing Service (RMS).
Flächendeckende Übertragung
Bereits im Vorfeld der Gala wurden wichtige kommunikative Ziele erreicht: Der Radiopreis und die Gattung Radio waren über mehrere Wochen Thema in allen Medien, in Zeitungen ebenso wie in Onlinediensten, im Hörfunk wie im Fernsehen. Ausgelöst wurde eine – zumal für Radioverhältnisse –umfangreiche und ganz überwiegend positive Berichterstattung. Das Spektrum reichte dabei von den Tagesthemen über Frankfurter Allgemeine Zeitung und Süddeutsche Zeitung bis hin zu BILD.
Ein Novum in der deutschen Rundfunkgeschichte war die Ausstrahlung der Gala: Von 20.05 Uhr an übertrugen erstmals öffentlich-rechtliche und private Radiosender live und flächendeckend eine gemeinsame Veranstaltung. In einigen Ballungsgebieten wie Hamburg oder Berlin entstand die bemerkenswerte Situation, dass bis zu sieben Sender die Verleihung gleichzeitig im Programm hatten. Ab 24.00 Uhr sendete das NDR Fernsehen die Gala – mit einer für diese Zeit guten Quote von zehn Prozent. Im Internet verzeichnete die Seite www.deutscherradiopreis.de allein am Tag der Gala rund 230.000 Page Impressions.
Gut gelaufen - auf ins nächste Jahr
Für den federführenden NDR war die Premiere des Radiopreises ein in dieser Größenordnung beispielloses trimediales Projekt. Gelingen konnte es nur, weil Kolleginnen und Kollegen aus den Programmdirektionen Hörfunk und Fernsehen, aus Produktionsdirektion, Markenkommunikation und Pressestelle eng und mit großem Engagement zusammenarbeiteten.
Freilich: Auch Gutes kann man noch besser machen. Zu einer professionellen Bilanz gehört die Erkenntnis, dass die Premiere noch einige Schwachpunkte hatte. Das Radio und seine akustische Anziehungskraft im Bühnengeschehen noch mehr hervorzuheben, den Ablauf zu straffen und damit die Gala zu verkürzen, die Zahl der Kategorien zu reduzieren – dies sind einige der Optimierungen, die sich die Macher für die zweite Ausgabe vorgenommen haben. Dass der Radiopreis fortgesetzt wird, steht fest: Alle Stifter und Kooperationspartner haben vereinbart, den Deutschen Radiopreis auch 2011 zu verleihen - am 8. September im „Schuppen 52“ im Hamburger Freihafen.