Als "Miss Tagesschau" auf Sendung ging
Frauen können keine Nachrichten sprechen, weil sie nichts von Politik verstehen und bei Unglücksmeldungen in Tränen ausbrechen. Die erste, die dieses männliche Vorurteil bei der Tagesschau - seit 1977/78 beim NDR in Hamburg angesiedelt - widerlegte, war Dagmar Berghoff. 23 Jahre, von 1976 bis 1999, las sie die Meldungen in Deutschlands meistgesehener Nachrichtensendung.
Politik sei "unweiblich“, so die feste Überzeugung, die viele damalige Kollegen um Berghoff herum vertraten. Dass sie keineswegs dazu neigte, bei ernsten Themen zu weinen, bewies Dagmar Berghoff jedoch schnell und überzeugend. Eine kleine Emotion dagegen, ein kurzes Lächeln vielleicht beim Thema Adelshochzeit, sei erlaubt, so die ehemalige Chefsprecherin in späteren Interviews.
Das war jedoch damals noch Zukunftsmusik. Denn zunächst war es tatsächlich eine kleine Revolution, als Dagmar Berghoff am 16. Juni 1976 als erste Frau in der Geschichte der Tagesschau die Nachmittagsausgabe las. Bis es dazu gekommen war, hatten in der männerdominierten Medienwelt eine Reihe von Hürden übersprungen werden müssen. So hatte sich unter anderem der damalige Chefsprecher der Nachrichtensendung, Karl-Heinz Köpcke, gegen eine Frau bei der Tagesschau ausgesprochen. Schlussendlich musste er jedoch nachgeben, weil die Direktive, sie einzustellen, "von oben“ gekommen war, wie sich Berghoff erinnert.
Adelsprädikat "Miss Tagesschau"
Lange Zeit war sie, die eigentlich Schauspielerin werden wollte, die einzige Frau bei der Tagesschau. An der Hamburger Hochschule für Musik und darstellende Kunst absolvierte Dagmar Berghoff in den 60er-Jahren eine Schauspiel-Ausbildung und übernahm danach kleinere Rollen am Theater und im Film. Nach Stationen als Fernsehansagerin, Hörfunksprecherin und Moderatorin beim damaligen Südwestfunk (SWF) kehrte die gebürtige Berlinerin 1975 nach Hamburg zurück und arbeitete für den NDR Hörfunk.
Mit absoluter Professionalität überzeugte Berghoff dann, als es darum ging, das Sprecher-Quartett Jo Brauner, Wilhelm Wieben, Karl-Heinz Köpcke und Werner Veigel zu ergänzen. Veigel, dessen Nachfolgerin auf der Position des Chefsprechers sie 1995 wurde, war an ihrem ersten Arbeitstag bei der Tagesschau eigens ins Studio gekommen, um zu sehen, ob sie "umkippe oder ihr die Sprache wegbliebe vor Schreck“, wie Dagmar Berghoff 2014 in einem Interview mit dem SWR amüsiert berichtete.
Wer kennt es nicht, das "WC-Turnier"?
Obwohl sie als sehr zuverlässig galt, vergaß Dagmar Berghoff im Laufe der 23 Tagesschau-Jahre dreimal ihren Dienst. Einmal schaffte sie es im Schlussspurt noch vor die Kamera, zweimal mussten Kollegen für sie einspringen. Und unvergessen natürlich ihr Lachkrampf, als sie am 2. April 1988 bei der Meldung über Tennisspieler Boris Becker statt vom WTC-Turnier vom "WC-Turnier“ sprach – inzwischen ein Klassiker, wenn es um Pannen im Fernsehen geht.
Am 31. Dezember 1999 las Dagmar Berghoff zum letzten Mal die Tagesschau. Sie hatte sich dieses Datum fest vorgenommen, und auch die inständige Bitte der Senderverantwortlichen weiterzumachen, änderte nichts an ihrem Entschluss.
Einmal, am 19. April 2014, ist sie dann aber doch noch zu den Kolleginnen und Kollegen der Nachrichtenredaktion zurückgekehrt – als "Glückbringer der Redaktion“ für die erste Tagesschau-Ausgabe aus dem neuen Studio. Vor Beginn der Sendung hat sie sich an den geschwungenen Moderationstisch gestellt - und mit ihrer warmen, leicht rauchigen Stimme "Guten Abend, meine Damen und Herren“ gesagt.