Martin Paas und Carsten Haffke sind Ernie und Bert
Martin Paas und Carsten Haffke sind Ernie und Bert. Seit 2006 spielt und spricht Martin Paas Ernie, Carsten Haffke ist ebenso lange Bert. Ein Interview mit den beiden Puppenspielern anlässlich des Jubiläums 50 Jahre deutsche Sesamstraße am 8. Januar 2023.
- Das Gespräch ist im Zuge einer journalistischen Berichterstattung über das NDR Kinderprogramm Sesamstraße frei zur Verwendung -
Die deutsche Sesamstraße wird 50. Wie feiert Ihr das?
Carsten Haffke: Ausgiebig! Wir sind am 8. Januar, dem Geburtstag, beim Aktionstag in dem Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg. Wir sind auch in den Tagesthemen. Und wir haben Ende Januar Konzerte in der Elbphilharmonie. Da geht es natürlich nur und ausschließlich um den Geburtstag der Sesamstraße.
Martin Paas: Am 8. Januar sind wir morgens schon bei Mikado im NDR Kinderradio und es gibt noch viele weitere Termine. Ich glaube, am Abend nehme ich mir vielleicht ein lustiges Getränk und stoße mal auf diese wunderbare Sesamstraßen-Welt an.
Was bedeutet die deutsche Sesamstraße für Euch?
Martin Paas: Das Besondere an der deutschen Sesamstraße ist für mich das, was für alle Sesamstraßen weltweit gilt. Nämlich: Jeder ist anders und das ist gut so und zusammen können wir mehr erreichen als allein. Wenn sich das mehr Leute auf die Fahne schreiben würden, ginge es, glaube ich, vielen Menschen und auch vielen Regionen besser.
Carsten Haffke: Zunächst einmal ist die Sesamstraße meine erste Fernseh-Erfahrung gewesen. Anfang der 70er Jahre liefen die ersten Folgen – noch auf Englisch. Ich habe kein Wort verstanden, fand es aber großartig, wie diese Puppen mit den Menschen interagierten.
Ich kann mich auch noch erinnern, dass ich das mit meiner Mutter geguckt habe, die dann irgendwann sogar mal gesagt hat “Komm, bleib doch zuhause, dann gucken wir schön zusammen Sesamstraße”. Da brauchte ich an einem Tag nicht in die Schule gehen.
Damals habe ich natürlich nicht gedacht, dass ich da jemals mitmachen werde. Mittlerweile finde ich es auch nicht mehr selbstverständlich, dass mit so viel Mühe und Liebe zum Detail so eine Sendung für Kinder gemacht wird.
Wie haben Ernie und Bert zu Euch gefunden und war von Anfang an klar, wer wen spielt?
Carsten Haffke: Anfangs wurden ausschließlich Ernie-und-Bert-Sketche aus den USA synchronisiert. Irgendwann hatte der NDR sich überlegt, selbst Sketche zu produzieren. Es wurden zwei Puppenspieler gecastet, die zwar ganz toll spielen konnten, aber stimmlich nicht passten. Die Sketche wurden also weiterhin von den Sprechern nachsynchronisiert. Die Überlegung war dann, dass es doch viel besser wäre, wenn Ernie und Bert mit Puppenspielern besetzt wären, die auch sprechen können, damit sie auch live auftreten können. Und so haben sie uns, Martin und mich, gefunden. Wer wen spielt, war am Anfang nicht hundertprozentig klar...
Martin Paas: Als Carsten und ich zum Sesamstraßen-Casting eingeladen wurden, sind wir im Rahmen der Vorbereitungen auch zu einer Sprachtherapeutin gegangen. Und die hat sich unsere Stimmen mal angehört und sie war der ganz festen Überzeugung, dass auf jeden Fall er den Ernie und ich den Bert spielen müsste. Und? Ja, dann sind wir ins Casting gegangen und es kam dann genau umgekehrt.
Was ist die größte Herausforderung für Euch als Puppenspieler, Ernie und Bert zu spielen?
Martin Paas: Bei Ernie gibt es mehrere Herausforderungen. Zum einen ist es eine der wenigen Puppen, die zu zweit gespielt wird. Er hat ja zwei greifende Hände und mir fehlt dann quasi ein Arm, wenn ich mit meinem rechten Arm den Kopf spiele. Meine großartige Kollegin, Charly Kaiser, spielt von Anfang an zweiten Arm. Da muss man sich koordinieren und manchmal, wenn ich im Spiel bin, vergesse ich das und mache Bewegungen, die wir gar nicht abgesprochen. Dann schleife ich sie so ein bisschen hinter mir her. Sie liegt dann irgendwie am Boden und ich bewege mich weiter. Aber das spricht auch für die Qualität dieser Zusammenarbeit. Wenn es sehr komplex wird, dann spielen wir die Puppe auch so, dass Charly beide Hände macht und ich nur den Kopf. Grundsätzlich aber haben wir uns komplett das sogenannte 1:1 Spiel angewöhnt. Das heißt, jeder spielt eine Hand, und wir können inzwischen sogar ziemlich perfekt synchron klatschen. Das ist gar nicht so leicht, zwei Menschen mit je einer Hand...
Die andere Herausforderung bei Ernie ist, dass er von einem Ohr bis zum anderen grinst. Er ist ja eine wahre Frohnatur. Aber ich muss mit diesem Gesicht alle Emotionen abdecken. Manchmal ist er auch tottraurig oder überrascht. Da muss man sich hinarbeiten, dass man das mit Stimme und mit der Mimik abbildet.
Carsten Haffke:
Hauptsächlich ist es ein großer Spaß, dass die Emotionskette von Bert eigentlich fast jeden Gefühlsausdruck miteinbezieht. Zu Beginn ist er total entspannt, freudig erregt, weil er vielleicht gerade seine Kronkorkensammlung sortiert oder ein Buch über Tauben liest und sich in absoluter Ruhe wägt. Und dann kommt Ernie. Dann ist er zunehmend genervt, irgendwann ist er vielleicht auch wütend oder cholerisch und dann möchte er doch irgendwie mitmachen und am Ende hat Ernie dann plötzlich keine Lust mehr und Bert singt alleine. Meist endet das so, dass Bert in Ohnmacht fällt oder einfach nur seufzt. Diese ganze Gefühlspalette zu spielen, macht unfassbar viel Spaß. Selbst agiert Bert gar nicht so viel, er reagiert. Und diese Reaktionen auszudrücken, ist ein großes Fest für mich.
Was können wir von Ernie und Bert lernen?
Carsten Haffke: Ernie ärgert Bert nicht vorsätzlich oder bewusst und das weiß Bert. Deswegen kann ihm verzeihen. Am Ende ist alles wieder wie vorher und sie bleiben beste Freunde. Ich denke, dass man auch vom Gegenteil lernen kann. Man sollte vielleicht nicht so sein wie Bert, also nicht cholerisch, nicht zu genervt, vielleicht auch nicht so spießig, sondern die Welt auch mal mit anderen Augen sehen. Und ich persönlich finde es einfach schön, dass Bert so sehr in seinen kleinen langweiligen Hobbys aufgehen kann.
Martin Paas: Ich sagte neulich mal, dass Ernie ein 360 Grad Interesse hat. Er ist einfach komplett offen und neugierig in jede Richtung und hat einen unverstellten Blick auf die Dinge. Das ist oft ein sehr gesunder Blick auf Dinge, davon kann man sich hin und wieder mal eine Scheibe abschneiden.
Und von den beiden, von Ernie und Bert, kann man lernen: Egal wie konträr die Charaktere sind, man kann doch etwas miteinander anfangen, wenn man sich ein bisschen Mühe gibt. Bert ist ein sehr aufrechter Charakter mit seinen senkrechten Streifen, mit diesem Eier-Kopf. Ernie ist eine sehr breite Person und man kann vielleicht von ihnen beiden lernen, was es braucht, um eine gute Mitte zu finden.
Interview: Anna Nisch