Unbekannter bietet als „Claas Relotius“ falsche Interviews an
„Spiegel“-Redakteur Claas Relotius hatte kurz vor Weihnachten zugegeben, dass er zahlreiche Protagonisten und Details in seinen Reportagen erfunden hat. Nun gibt sich ein Unbekannter via E-Mail und am Telefon als Relotius aus und bietet Medien Interviews an.
Ein solches Angebot erreichte auch das rbb-Programm Radioeins, das bei seiner Medienberichterstattung immer wieder mit dem NDR Medienmagazin „Zapp“ zusammenarbeitet. Die Redaktionen zweifelten an der Glaubwürdigkeit des Interview-Angebots. „Zapp“ ließ sich zunächst vom Anwalt des echten Claas Relotius bestätigen, dass es sich um einen Dritten handelt. Radioeins ging daraufhin zum Schein auf das Angebot des vermeintlichen Relotius ein, um den Betrüger zur Rede zu stellen.
Der vermeintliche Relotius hatte sich eine E-Mail-Adresse mit dem Namen Claas Relotius bei einem deutschen Anbieter angelegt. In der E-Mail gab er vor, auf eine Interviewanfrage zu reagieren, die bei Relotius' Adresse beim „Spiegel“-Verlag angekommen sei. Er könne sich vorstellen, „zu allen Vorwürfen Stellung zu nehmen und über meine Arbeit beim 'Spiegel' wie auch über meine Zukunft (u.a. ein Buchprojekt) zu sprechen“. Gegenüber Radioeins behauptete er zudem in einem telefonischen Vorgespräch, er sei nicht der einzige, der Reportagen gefälscht habe. Das habe ein „gewisses System“. Im Gespräch mit Radioeins-Moderator Volker Wieprecht sagte der vermeintliche Relotius schließlich: „Diese Geschichten werden ja überall so gebracht und da kann es gar nicht wild genug sein, nicht wahr? Deswegen war ich da auch der richtige Mann.“
Dieses betrügerische Angebot war offenbar kein Einzelfall: Der Anwalt des echten Claas Relotius aus der Kanzlei Unverzagt von Have erklärte gegenüber „Zapp“, auch andere Medien hätten bereits zu einem angeblich von seinem Mandanten angekündigten Interview nachgefragt. "Es handelt sich offenbar um einen Dritten, der - aus welchen Gründen auch immer - unter der vorgeblichen Identität unseres Mandanten Interviews anbietet", schrieb der Anwalt und stellte klar: „Unser Mandant beabsichtigt derzeit keinerlei öffentliche Auftritte oder Interviews zu erteilen.“ Wer hinter dem Täuschungsversuch der Medien steckt, ist bislang unklar. Als der Radioeins-Moderator an der Identität des Interviewpartners zweifelt und ihn auch anhand einer Stimmprobe als Betrüger entlarvt, legt dieser auf. Bereits seit einigen Tagen gebe sich ein Unbekannter gegenüber Medien als Relotius aus, bestätigt auch die stellvertretende „Spiegel“-Chefredakteurin Susanne Beyer: „Wir haben auch Fotos von ihm, da trägt er eine Mütze. Und er hält einen Journalistenausweis in die Kamera und da steht Claas Relotius drauf - wie auch immer er darangekommen ist oder ob er ihn gefälscht hat. Da wir mit Claas Relotius zusammengearbeitet haben, wissen wir, wie er aussieht. Das ist nicht Claas Relotius. Jedenfalls ist der Mann, den wir auf den Fotos sehen, nicht der Claas Relotius, den wir kennen.“
Claas Relotius hat sich in der Affäre, die der „Spiegel“ Mitte Dezember selbst enthüllte, bislang nur über seine bisherige Redaktion und über seinen Anwalt
geäußert und dabei die wesentlichen Vorwürfe gegen ihn bestätigt.
Mehr Informationen auf www.NDR.de/zapp und www.Radioeins.de.
Hinweis für die Redaktionen:
Den Originalton des Interviews mit dem falschen Relotius befindet sich ausschnittweise auf www.NDR.de/zapp.
7. Januar 2019
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