NDR Info: Bund droht Millionenverlust durch fragwürdige Geschäfte von Alteigentümern
Wegen einer Lücke im Entschädigungsrecht droht dem Bund ein Schaden in Millionenhöhe. Hintergrund ist ein Gesetz, das Alteigentümern das Recht gibt, vom Bund landwirtschaftliche Flächen in Ostdeutschland zu etwa einem Fünftel des heutigen Marktpreises zu kaufen. Nach Recherchen des Radioprogramms NDR Info profitiert eine Firma erheblich von dieser Subvention, die eigentlich als Entschädigung für einzelne Alteigentümer gedacht ist. Die Vertragsgestaltung der Firma ist nach Einschätzung von Wirtschaftsstrafrechtlern rechtswidrig.
Bei der Firma handelt es sich um die in Berlin registrierte Hoffondsgut mit Geschäftssitz in Dalwitz (Kreis Rostock). Sie finanziert den Landkauf für ehemals enteignete Alteigentümer, die das Recht auf den Vorzugspreis haben. Die Firma profitiert davon, indem sie nur einen Teil des Preisnachlasses an die Alteigentümer weitergibt. Nach eigenen Angaben will die Hoffondsgut bis zu 100 Alteigentümer für dieses Modell gewinnen. Nach Berechnungen von NDR Info würden dem Bund so bis zu 24 Millionen Euro entgehen, weil er Land zum reduzierten Preis abgeben muss, statt es zum derzeitigen Wert auf dem Immobilienmarkt zu verkaufen.
Die Firma verstoße gegen das Kreditwesengesetz, meint der Professor für Wirtschaftsstrafrecht der Universität Hannover, Carsten Momsen. Die Hoffondsgut betreibe Bankgeschäfte, für die eine Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) notwendig sei. Denn die Firma biete den Erwerbern die Finanzierung des Landkaufs gegen die Sicherheit der Grundschuld an. "Ohne diese Erlaubnis ist das Geschäft verboten und kann von der Bundesanstalt untersagt werden", sagte Momsen. Eine Banklizenz aber hat die Hoffondsgut nicht, wie die BaFin NDR Info bestätigte. Die Behörde prüft den Sachverhalt derzeit.
Auch Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Til Backhaus (SPD) forderte eine Klärung. Backhaus sprach von "Auswüchsen", wenn sich "findige Leute" den vergünstigten Flächenerwerb zunutze machten. Grundsätzlich sei ein solches Geschäftsmodell gesetzlich nicht ausgeschlossen, erklärte der SPD-Politiker NDR Info, "aber wir wollten das nicht. Die volle Verantwortung dafür trägt die Bundesregierung."
Die für den Landverkauf zuständige bundeseigene Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft BVVG teilte NDR Info mit, sie habe bisher keine Veranlassung gesehen, gegen Hoffondsgut rechtlich vorzugehen. Allerdings wurde nicht geprüft, ob eine Banklizenz vorliegt. "Derartige Prüfungen gehören nicht zu unseren Aufgaben", erklärte BVVG-Geschäftsführer Wilhelm Müller.
Die Hoffondsgut verteidigt ihr Geschäftsmodell als rechtlich einwandfrei. "Das ist es, sonst hätten wir es ja gar nicht auflegen können. Wir würden uns ja bis auf die Knochen blamieren, wenn wir etwas auflegen würden, was rechtlich nicht total abgesichert ist", sagte der Hoffondsgut-Aufsichtsratsvorsitzende Heinrich Graf von Bassewitz NDR Info und ergänzte, man trete nicht als Bank auf und brauche daher keine Banklizenz.
Graf von Bassewitz betreibt seit der Wende auf seinem alten Familiengut Dalwitz ökologische Landwirtschaft und wurde dafür mehrfach ausgezeichnet. Von Bassewitz ist unter anderem Präsidiumsmitglied des Deutschen Bauernverbandes und dessen Beauftragter für den ökologischen Landbau. Außerdem ist er Mitglied im Rat für nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung.
Zitate frei bei Nennung NDR Info.
22. Dezember 2011/RC
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