"Meine Kindheit in der Weihnachtszeit - Norddeutsche erinnern sich"
Sendung: Dienstag, 21. Dezember, 22.25 Uhr, NDR Fernsehen
Die Weihnachtszeit ist voller Hoffnung und Vorfreude - so war es schon immer und so soll es möglichst für immer bleiben. Doch die norddeutsche Nachkriegsgeneration hat ein ganz anders Weihnachten erlebt als die Generation ihrer Enkel. Der Film "Meine Kindheit in der Weihnachtszeit" von Claudia Wallbrecht und Anika Giese geht auf eine nostalgische Zeitreise in die 50er-, 60er- und 70er-Jahre. Prominente und "ganz normale" Norddeutsche erinnern sich an die Weihnachtszeit ihrer Kindheit. "Die schönste Zeit des Jahres"? Nicht für alle.
Anne-Liese Peters aus Tostedt in Niedersachsen hat keine Ahnung, was Krieg ist und traut sich nicht zu fragen, warum sie und ihre Schwester Weihnachten 1944 nur eine nackte Puppe unter dem Weihnachtsbaum finden. Komisch, so ohne Kleider. Kurz darauf gerät der Vater in britische Gefangenschaft. Anne-Liese und ihre Mutter schreiben ihm regelmäßig. Drei Jahre lang. Genau 25 Wörter sind erlaubt. Auch zu Weihnachten. 1947, kurz vor Weihnachten, kommt der Vater endlich zurück. "Ich hörte Männerschritte auf dem Hof und wusste: Das ist er." Er hat sogar selbst gebaute Geschenke dabei: einen Puppenwagen für die Mädchen und ein Holzauto für die Jungs, mit Schuhcreme gefärbt. "Das war eine Freude - allerdings hatte ich meinen Vater irgendwie größer in Erinnerung."
Für Michael-Peter Schiltsky aus Niedersachsen ist in den 50er-Jahren die Weihnachtszeit "die einzig heile Zeit" im Jahr. Da holen die kanadischen Soldaten ihn und die anderen Heimkinder zum Truthahnessen in die Kaserne. Es gibt Geschenke, Kerzenlicht und Lieder. Und für einen kurzen Moment vergisst der 10-Jährige die Schikanen, die Prügel und die Einsamkeit des Waisenhaus-Alltags.
Maria Jepsen, ehemalige Bischöfin des Sprengels Hamburg-Lübeck, erinnert sich mit gemischten Gefühlen an die Krippenspiele ihrer Kindheit in Bad Segeberg. "Ich wollte immer mal die Maria spielen - schließlich heiße ich ja so -, aber das hat nie geklappt. Immerhin habe ich es aber zum Hirten und zum Engel gebracht." Ihre Begeisterung während der Aufführung war dann so groß, dass sie gar nicht merkte, dass eine der vielen Kerzen ihre Haare ankokelte.
Stille Nacht, heilige Nacht? Von wegen, "Weihnachten war bei uns die stressigste Zeit des Jahres", sagt Peter Belli. Als Schaustellerkind muss er schon früh mit anpacken: Karten abreißen am Kinderkarussell und die Puppen aus dem Märchenwald reparieren. Die sind seit 50 Jahren der Renner auf dem Lübecker Weihnachtsmarkt. Seine Schulaufgaben macht Peter auf dem Karussell, im hinteren Wagen der Kinder-Eisenbahn. Schönschrift ist da natürlich nicht drin. Die Musikstunden schwänzt er oft. Weil er beim Weihnachtssingen immer die Triangel spielen soll - und die ist einfach nicht sein Ding.
Auch Lilo Wanders erlebt Weihnachten eher hektisch als idyllisch. Ihre Eltern haben einen Kaufmannsladen in der Lüneburger Heide. Und da herrscht Hochbetrieb bis kurz vor der Bescherung.
Carsten Breß aus Ückermünde in Mecklenburg-Vorpommern erinnert sich an Hausmusik und Westpakete. Neben Jacobskaffee für die Mutter gehört in den 70ern unbedingt Hanuta dazu, wegen der Klebebildchen. Und Orangen: "Wir hatten in der DDR ja nur die ollen Kuba-Apfelsinen, die konnte man überhaupt nicht pellen", sagt Carsten Breß. In die Kirche geht seine Familie nicht, auch sonst keiner von seinen Freunden. Christliche Weihnachten, das ist eher die Ausnahme im Osten.
20. Dezember 2010 / IB
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