Stand: 07.06.2012 15:13 Uhr

"Exclusiv im Ersten: Die mit den Ohren sehen" Reportage über eine neue Orientierungs-Methode für Blinde

Sendetermin: Sonnabend, 9. Juni, 15.30 Uhr

Die zweijährige Juli ist seit ihrer Geburt blind. Das kleine Mädchen tastet und hört sich durch die Welt der Sehenden. Zusätzlich schnalzt sie mit der Zunge, um Hindernisse hören zu können. Genauso wie eine Fledermaus vernimmt Juli so die Echos, die von den Wänden und Bäumen zurückkommen, und kann sich orientieren. Juli kann quasi mit den Ohren sehen. Gelernt hat das blinde Mädchen diese neue Methode von US-amerikanischen Blindentrainern, die ihre Eltern extra dafür nach Berlin eingeflogen haben.

Auch die blonde Frida, 4 Jahre alt, ist seit ihrer Geburt blind und schnalzt sich seit dem Besuch der amerikanischen Echo-Orter erfolgreich durch Berlin. Ein Auto, eine Häuserwand, einen Eingang konnte das blinde Mädchen schon "erschnalzen". Juli und Frida sind die ersten blinden Mädchen in Deutschland, die die Methode der menschlichen Echo-Ortung systematisch gelernt haben. Laura Capellmann, Mutter von Frida sagt: "Mein Hoffnung ist einfach, dass Frida teilhaben kann an der Gesellschaft, ohne Einschränkungen zu haben." NDR-Reporter Kolja Robra hat die blinden Mädchen und ihre Eltern ein halbes Jahr lang mit einer HD-Handkamera begleitet. So konnte er sich den blinden Mädchen und den Eltern sensibel nähern und beobachtend im Alltag begleiten. Seine Reportage "Die mit den Ohren sehen - Neue Wege für blinde Kinder" läuft am Sonnabend, 9. Juni, um 15.30 Uhr in der Reihe "Exclusiv im Ersten".

Das Schnalzen als Methode zur menschlichen Echoortung ist in Deutschland noch relativ unbekannt. Da es bisher keine Trainer oder Lehrer dafür gibt, wollen die engagierten Eltern der blinden Mädchen ein Seminar organisieren. Steffen Zimmermann, der Vater von Juli, spürt eine Verpflichtung, sein Wissen zu teilen: "Wenn ich etwas weiß, dass anderen helfen kann, muss ich das den anderen mitteilen."

FrühfördererInnen, Mobilitätstrainer und Eltern blinder Kinder, so Zimmermanns Idee, sollen diese neue und hilfreiche Methode kennenlernen. Die Eltern von Juli versuchen deshalb, zusammen mit Daniel Kish, dem berühmtesten blinden "Echo-Orter" aus den USA, ein großes Seminar in Deutschland zu organisieren. Darüber hinaus gründet Steffen Zimmermann "Anderes sehen", eine Initiative, die sich zum Ziel gesetzt hat, "fortschrittliche Methoden" zur Förderung blinder Kinder zu sammeln und zu veröffentlichen. Steffen Zimmermann wird dafür im April 2012 in sieben Kategorien für den Deutschen Engagementpreis nominiert.

Verbände wie der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) haben das Schnalzen bzw. das menschliche Echo bislang nicht sonderlich ernst genommen. Es gibt bisher keine Förderung für diese neuartige Methode zur Orientierung für blinde Menschen. Auch unter den ca. 150.000 blinden Menschen in Deutschland ist die Technik bis heute wenig verbreitet. Die Reportage zeigt, wie die Eltern der zwei blinden Mädchen dafür kämpfen, dass die menschliche Echo-Ortung in Deutschland bekannter wird.

Für die NDR-Reportage wurde eine Hörfilmfassung produziert. Diese "Audiodeskription", bei der eine Sprecherin die Fernsehbilder beschreibt, kann über den Zweikanalton während der Ausstrahlung dazugeschaltet werden. Blinden Menschen soll damit ermöglicht werden, die Reportage barrierefrei zu erleben.

NDR-Reporter Kolja Robra (Jahrgang 1980) absolvierte von 2009-2010 ein Volontariat beim Norddeutschen Rundfunk. Die Reportage "Die mit den Ohren sehen" ist sein Debüt im Langformat.

Audio: ARDTVAudio.de

7. Juni 2012

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