Stand: 12.01.2023 11:15 Uhr

NDR und SZ: Zahl der Privatjet-Flüge und Treibhausgas-Emissionen steigen

Die Zahl der Privatjet-Flüge ist in Deutschland auf ein Rekord-Niveau gestiegen. Mit Folgen: Europaweit sind dadurch die Treibhausgas-Emissionen durch Privatjets nach Recherchen von NDR und Süddeutscher Zeitung auf umgerechnet etwa 10 Millionen Tonnen CO2 gestiegen.

Im vergangenen Jahr verzeichnete die Europäische Flugkontroll-Organisation (Eurocontrol) mehr als 94.000 Starts von sogenannten Business-Flugzeugen in Deutschland – etwa 8000 mehr als im Vorjahr. Damit machten diese Flüge mehr als zwölf Prozent des gesamten Flugverkehrs aus. Fast drei Viertel der Flüge, die in Deutschland gestartet sind, waren kürzer als 500 Kilometer, 60 Prozent sogar kürzer als 300 Kilometer. Häufig geflogene Strecken waren etwa Hamburg – Sylt oder Berlin – München. Bei längeren Flügen war der mit Abstand häufigste Zielort Mallorca.

Viele dieser Flüge sind aus Sicht von Kritiker*innen überflüssig. „Wir können aus Klima-Perspektive nicht länger zuschauen, dass viele Reisen mit dem Flugzeug gemacht werden, gerade mit Privat-Flugzeugen, die auch genauso gut mit der Bahn absolvierbar wären oder meinetwegen mit dem Privatwagen,“ sagt Prof. Stefan Gössling. Er arbeitet an der Linnaeus-Universität in Schweden und forscht seit vielen Jahren zu den Auswirkungen des Flugverkehrs auf den Klimawandel.

Auch europaweit ist die Zahl der Privatjet-Flüge stark gestiegen und damit auch die klimaschädlichen Emissionen. Weder die Bundesregierung noch die EU haben dazu jedoch konkrete Daten. Berechnungen von NDR und „Süddeutsche Zeitung“ zeigen, dass die Privatjets in Europa eine Menge von Treibhausgasen verursacht haben, die etwa 10 Millionen Tonnen CO2 entspricht. Flüge von deutschen Flughäfen haben demnach mehr als eine Million Tonnen verursacht. Der Europäische Verband der Geschäftsluftfahrt (EBAA) bestätigte auf Anfrage diese Größenordnung, nannte aber keine konkreten Zahlen zu den Gesamtemissionen.

Grundlage für die Berechnung der Emissionen waren Daten zu den genutzten Flugzeugtypen, den jeweiligen Kerosinverbräuchen und den durchschnittlichen Flugzeiten. Berücksichtigt wurden dabei die CO2-Emissionen sowie weitere Treibhausgaseffekte durch Stickoxide, Ruß oder Wasserdampf. Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass der Klimaschaden durch Flugabgase etwa dreimal so hoch ist wie die ausgestoßene Menge an CO2.

Eigentlich müssen Luftfahrtunternehmen seit 2012 am EU-Emissionshandel teilnehmen und darüber CO2-Rechte kaufen. Doch viele Betreiber von Privatjets profitieren von einer Ausnahmeregel. Danach müssen gewerbliche Anbieter erst ab 10.000 Tonnen CO2 jährlich am Emissionshandel teilnehmen, für nicht-gewerbliche Betreiber gilt eine Grenze von 1.000 Tonnen im Jahr.

Die EU hat sich zwar im Dezember auf eine Ausweitung des Emissionshandels verständigt, aber diese Ausnahme wird bestehen bleiben. Die EU-Kommission teilt auf Anfrage von NDR und „Süddeutsche Zeitung“ mit, sie habe dazu keine Änderung vorgeschlagen, und dies sei auch nicht in den Verhandlungen angesprochen worden. Die Regel sei eingeführt worden, weil sonst der Verwaltungsaufwand zu groß sei. Er stünde in keinem angemessenen Verhältnis zum ökologischen Nutzen, so die EU-Kommission.

Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz bestätigt, dass Änderungen an dieser Ausnahmeregel „nie Bestandteil der Diskussionen auf EU-Ebene und innerhalb der Bundesregierung“ gewesen seien. Stattdessen engagiere sich die Bundesregierung etwa bei der Forschung und Förderung innovativer Technologien und Kraftstoffe, teilt das Verkehrsministerium mit. So solle Deutschland zum „Vorreiter des CO2-neutralen Fliegens“ werden.

Doch viele Wissenschaftler bezweifeln, dass es möglich ist, alle Flüge klimaneutral durchzuführen, insbesondere weil nicht nur das ausgestoßene CO2 zur Erderhitzung beitrage. Laut einer Studie der ETH Zürich vom Juli 2022 kann die Technologie „zwar theoretisch das Wachstum der Luftverkehrsnachfrage und die Abschwächung des Klimawandels miteinander vereinbaren“, doch das beruhe „auf sehr ehrgeizigen und möglicherweise nicht realisierbaren technologischen Durchbrüchen und optimistischen Annahmen“.

Sendehinweis:

„Panorama: Das Klima und die Reichen“ - Donnerstag, 12. Januar 2023 um 21.45 Uhr im Ersten

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12. Januar 2022 – ASR

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