ARD lehnt Musikquote ab
Die ARD hat sich gegen eine Quote für deutschsprachige Titel in den Hörfunkprogrammen ausgesprochen. Der Programmdirektor Hörfunk des NDR, Gernot Romann, nimmt zu sieben Thesen Stellung:
Durch die Quotierung wird die kulturelle Vielfalt und Kunst gefördert
Falsch. Eine Quotierung kann nur die Anzahl der zu spielenden deutschen Künstler oder Produktionen regeln, nicht die Qualität. Nach der vorgeschlagenen Quotenregelung müsste die ARD auch den nationalen Künstler Daniel Küblböck fördern. Ist das Kunst? Trägt das zur kulturellen Vielfalt bei?
Vielleicht ist Küblböck ein extremes Beispiel, aber es belegt die Sinnlosigkeit einer Diskussion, die die unvereinbaren Begriffe von Kultur und Quantität zu einen versucht. Kulturelle Vielfalt lässt sich weder mit dem Taschenrechner berechnen noch über eine Quotierung regeln.
Dies lässt sich auch durch ein weiteres Beispiel belegen:
Zu welcher kulturellen Vielfalt führt ein Titel, der in Deutschland produziert wurde, englischsprachig ist und genauso klingt wie ein in den USA produzierter Song. Titel wie diese werden den Musikredaktionen jeden Tag angeboten. Bereichern sie unsere kulturelle Vielfalt?
Nein, im Höchstfall bereichern sie die Musikkonzerne - was legitim ist, aber eben nicht durch eine Musikquotierung im deutschen Hörfunk gefördert werden muss.
Der musikalische Nachwuchs bekommt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk keine Chance
Falsch. Gerade der öffentlich-rechtliche Rundfunk gibt dem Nachwuchs eine Chance. Die öffentlich-rechtlichen Jugendprogramme haben in den letzten zehn Jahren die nationalen Newcomer unterstützt. Künstler aller Genres wie "Xavier Naidoo", "Wir sind Helden", "Scooter" oder die "Beginner" wurden von Programmen wie N-JOY, Eins Live oder Fritz von Anfang an unterstützt.
Das ist auch heute so: N-JOY beispielsweise führt mit Sängerin Joy Denalane die Premiere ihrer DVD durch, N-JOY und Fritz wurden soeben für ihr Engagement um die deutsche Band "Seeed" mit einer Goldenen Schallplatte belohnt. Im Gegensatz zum privaten Rundfunk haben sich die öffentlich-rechtlichen Programme nicht erst auf den fahrenden Zug gesetzt, sondern die Künstler von Anfang an vorgestellt.
Das Radio kann die Hörer zu einem besseren Musikgeschmack erziehen
Falsch. Das Rezeptionsverhalten im Hörfunk hat sich in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend geändert. Aber nicht, weil die Radiomacher bewusst eine Veränderung herbeigeführt haben - wie oft behauptet wird - , sondern weil sich die Mediennutzung verändert hat. Radio wird heute nebenbei gehört, es begleitet die Hörer durch ihren Tag. Einige Musiktitel eignen sich nicht für das Radio, weil der Hörer sie nur in bestimmten Situationen hören will. In diesem Fall greift er dann zur CD, um sich mit der Musik z.B. in eine Stimmung zu versetzen, in die er beispielsweise im Büro gar nicht kommen will und kann.
Musik-Erziehung durch Radio kann nur in monopolistischen Märkten funktionieren, in denen der Hörer keine Ausweichmöglichkeit hat.
Heute bildet das Radio also den musikalischen Ist-Zustand und die Trend-Entwicklung ab. Aber es ist nicht allein in der Lage, einen Titel zum Hit zu machen. Es gibt zahlreiche Beispiele, bei denen Titel extrem häufig im Hörfunk gespielt wurden und trotzdem keine hohe Chartposition erreichten.
Viele nationale Künstler werden in Deutschland gar nicht wahrgenommen, weil sie im Radio nicht stattfinden
Falsch. Bei allem Respekt für die vielfältigen Künstler muss man aber auch sagen dürfen: Viele nationale Künstler werden nicht wahrgenommen, weil die Bevölkerung sie gar nicht wahrnehmen will. Das muss kein Qualitätsurteil sein, kann es aber.
Niemand weiß so genau, was die deutsche Bevölkerung im Radio hören will, wie die Radiomacher.
Dabei setzen sie nicht wie viele Verfechter der Quote auf Meinungen, Vermutungen und Äußerungen im Freundeskreis, sondern auf wissenschaftliche Studien mit hohen Fallzahlen. Demnach ist es nicht so, dass alle Deutschen mit den Hörfunkangeboten der öffentlich-rechtlichen Programme unzufrieden sind. Das Gegenteil ist der Fall, wie auch die MA nachweist.
Natürlich findet nicht jeder Hörer in jedem Programm die Titel, die ihm besonders am Herzen liegen. Doch gerade der öffentlich-rechtliche Rundfunk bietet in seinen Programmen die gesamte Vielfalt vom Mainstream bis zum Trend in allen Genres.
Das Radio boykottiert deutsche Songs
Falsch. Ein Boykott ist eine Verrufserklärung mit dem Ziel, Zwang auf den Boykottierten auszuüben. Diesen Fall möge man uns erst einmal belegen, bevor man dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk so etwas vorwirft.
Die Musikredaktionen orientieren sich lediglich am Geschmack der Hörer und der Qualität der Produktionen.
Es ist Zensur, dass Radiosender deutsche Künstler wie etwa Peter Maffay nicht spielen
Falsch. Und ebenfalls ein Begriff, der in dieser Diskussion keine Verwendung finden darf. Natürlich findet keine Zensur statt. Deutschsprachige und nationalproduzierte Titel werden nach denselben Regularien ins Programm aufgenommen oder eben nicht aufgenommen, die auch für internationale Titel gelten. Diese Regeln werden im Übrigen nicht nach dem Geschmack der Musikchefs aufgestellt, sondern orientieren sich an den Bedürfnissen der Hörer.
Die Radiosender können ruhig 50 Prozent neue Lieder spielen
Falsch. Diese Idee geht an der Realität des Mediums vollkommen vorbei.
Hörer aller Altersklassen benötigen in ihrem Programm so genannte "familiäre", also bekannte, ältere Titel. Der Anteil kann bei jüngeren Programmen etwas geringer sein, bei Programmen für Erwachsene etwas höher - insgesamt muss er aber deutlich über 50 Prozent liegen. Ansonsten wird es für den Hörer zu stressig. Das ist keine Erfindung von Programmmachern - wie uns oft vorgeworfen wird - es ist die Programmrealität . Eine 50-Prozent-Neuheitenquote wäre ein massiver und unprofessioneller Eingriff in das öffentlich-rechtliche Programm.
"Bereits seit über einem Jahr werden intensive Gespräche zwischen Vertretern der ARD-Hörfunkprogramme, der Bundeskulturministerin und verschiedenen Bundesländern geführt. Die letzte Gesprächsrunde hat vor vier Wochen stattgefunden. Dabei hat die ARD noch einmal detailliert ihr Engagement zur Förderung deutscher Künstler und Produzenten in den einzelnen Bundesländern erläutert und ausdrücklich ihre Bereitschaft zur Fortsetzung des Dialogs erneuert - fernab von Quoten und freiwilligen Selbstverpflichtungen.
Frau Dr. Weiss hat am vergangenen Freitag unter anderem das Engagement der sogenannten Main-Stream-Programme im öffentlich-rechtlichen Hörfunk als "guten Weg" unterstrichen. Sie sieht in Sendungen, die sich speziell mit Neuheiten beschäftigen, eine angemessene Förderung musikalischer Vielfalt. Ich teile diese Auffassung insofern, als die Förderungsmaßnahmen vieler ARD-Wellen erstmals öffentlich anerkannt wurden, verweise aber darauf, dass der musikalische Nachwuchs in Deutschland bereits seit vielen Jahren in den Sendungen gebührenfinanzierter Programme unterstützt wird.
Dort, wo neue Formate entwickelt oder bestehende modifiziert wurden, tragen diese folgerichtig den erfreulich kreativen musikalischen Entwicklungen innerhalb der letzten Jahre Rechnung, sind aber keineswegs das Ergebnis eines, insbesondere von einigen ohne Zuständigkeit agierenden Bundestagsabgeordneten beabsichtigten Drucks. Der von Frau Weiss formulierte "Anfang ohne Zwang" ist daher schlicht die konsequente Fortführung und Weiterentwicklung von Nachwuchsförderung durch die verschiedenen Landesrundfunkanstalten."