Prozess um Ausschreitungen bei G20-Gipfel in Hamburg

Stand: 18.01.2024 14:22 Uhr

Im Zusammenhang mit gewaltsamen Protesten gegen den G20-Gipfel in Hamburg im Sommer 2017 hat am Donnerstag ein Prozess gegen fünf Angeklagte begonnen. Den drei Frauen und zwei Männern wird gemeinschaftlicher schwerer Landfriedensbruch und tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte vorgeworfen.

Weitere Anklagepunkte lauten auf versuchte gefährliche Körperverletzung, Bildung bewaffneter Gruppen und Sachbeschädigung. Von den ursprünglich sechs Angeklagten erschien eine Frau nicht. Die Große Strafkammer beschloss, das Verfahren gegen die 32-Jährige abzutrennen. Das heißt, es wird zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt.

Ausschreitungen bei Marsch von G20-Gegnern

Die Angeklagten sollen sich laut Staatsanwaltschaft am 7. Juli 2017 an einem Aufmarsch von 150 bis 200 Gipfelgegnerinnen und -gegnern beteiligt haben, der am Altonaer Volkspark begonnen hatte. Aus der schwarz gekleideten Menge heraus seien Polizistinnen und Polizisten aus Schleswig-Holstein mit Steinen beworfen worden. Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Aufmarsches hätten Verkehrsschilder, eine Bushaltestelle, ein Firmengebäude und zwei Autos beschädigt. Als weitere Polizeikräfte den Marsch in der Straße Rondenbarg im Stadtteil Bahrenfeld stoppten, seien sie mit Steinen und Feuerwerkskörpern angegriffen worden.

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Angeklagte im G20-Prozess haben keine hohe Strafe zu befürchten

NDR 90,3 Gerichtsreprorterin Elke Spanner berichtet. 1 Min

Strenge Sicherheitskontrollen beim Prozessauftakt

Der Prozess begann am Donnerstag mit erheblicher Verspätung. Das lag an den hohen Sicherheitsvorkehrungen. Das Gericht wartete, bis alle Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal waren - und das dauerte, denn viele Unterstützerinnen und Unterstützer der Angeklagten aus der linken Szene erschienen. Die Zuschauerinnen und Zuschauer durften nur über einen Nebeneingang ins Gebäude kommen und wurden da sehr streng kontrolliert. Sie mussten sogar ihre Schuhe ausziehen.

Angeklagte: Protest gegen G20-Gipfel wird kriminalisiert

Zwei der Angeklagten, ein 28-jähriger Wirtschaftsstudent und eine 34 Jahre alte Erzieherin aus Berlin, verlasen eine gemeinsame Erklärung - auch im Namen der übrigen Beschuldigten. Darin hieß es, dass keinem von ihnen eine individuelle Tat vorgeworfen werde. Eine bloße Beteiligung an einem Demonstrationszug solle für die Anklage ausreichen. Damit würden die Proteste gegen den G20-Gipfel kriminalisiert. Auf der Anklagebank saßen am Donnerstag noch eine 51-jährige Fremdsprachenkorrespondentin aus Villingen-Schwenningen und eine 36 Jahre alte Fertigungsmechanikerin aus Stuttgart sowie ein angehender Fitness-Trainer im Alter von 29 Jahren aus Bonn.

Keine hohen Strafen zu erwarten

Den Angeklagten drohen offenbar keine hohen Strafen. Das ließ die Vorsitzende Richterin bereits am ersten Prozesstag durchblicken. Der G20-Gipfel sei schon fast sieben Jahre her und das Gericht habe bisher schlichtweg keine Zeit für den Prozess gehabt. Selbst wenn sie jetzt noch verurteilt werden würden, gelte ein großer Teil der Strafe wegen der Verzögerungen schon als verbüßt. Die Richterin sagte: "Am Ende bleibt womöglich gar nichts übrig." Es geht also eigentlich nur noch um die Frage, ob sie schuldig sind oder nicht.

Unterstützer der Angeklagten fordern: Verfahren einstellen

Teilnehmer einer Kundgebung der Initiative "Grundrechte Verteidigen!" stehen vor Beginn des Prozess gegen sechs Angeklagte wegen besonders schweren Landfriedensbruchs während des G20-Gipfels 2017 in Hamburg vor dem Strafjustizgebäude und halten ein Transparent mit der Aufschrift "Ziviler Ungehorsam ist kein Terrorismus". © picture alliance / dpa Foto: Georg Wendt
Unterstützer der Angeklagten versammelten sich vor Prozessbeginn vor dem Hamburger Landgericht.

Unterstützerinnen und Unterstützer der Angeklagten - darunter die Initiative "Grundrechte verteidigen!" - protestierten am Donnerstagmorgen vor dem Landgericht. Sie hielten ein Transparent mit der Aufschrift: "Ziviler Ungehorsam ist kein Terrorismus!" Das Strafverfahren müsse sofort eingestellt werden, forderten sie. Das Gericht hat 26 Verhandlungstermine bis zum 16. August anberaumt.

Frühere Prozesse zu Ereignissen am Rondenbarg abgebrochen

Im Dezember 2020 hatte bereits ein Prozess vor einer Jugendkammer am Landgericht wegen der Zwischenfälle am Rondenbarg begonnen. Wegen des Corona-Lockdowns war das Verfahren gegen fünf Angeklagte im Januar 2021 abgebrochen worden. Die Ereignisse am Rondenbarg waren erstmals im Herbst 2017 Gegenstand eines Prozesses gewesen. Der damals 18 Jahre alte Fabio V. musste sich vor dem Amtsgericht Altona verantworten. Der Prozess wurde jedoch wegen einer Erkrankung der Richterin abgebrochen. Im Sommer 2023 sei das Verfahren nach dem Jugendgerichtsgesetz eingestellt worden, sagte der Gerichtssprecher. Gründe dafür seien die erlittene Untersuchungshaft, die lange Verfahrensdauer und die Tatsache gewesen, dass der Angeklagte seit 2017 keine weiteren Straftaten begangen habe.

Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 18.01.2024 | 19:30 Uhr

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