Energiewende: Prototyp eines Wellenkraftwerks in Kiel getauft

Stand: 10.05.2023 16:41 Uhr

Rund drei Jahre lang haben Forscher der FH Kiel an der Entwicklung des Prototyps eines Wellenkraftwerks gearbeitet. Auszubildende von German Naval Yards und ThyssenKrupp Marine Systems bauten es dann. Am Dienstag fand die Taufe statt.

von Karen Jahn

Mit Getöse zerplatzt die Flasche Sekt, mit der Julia Körner, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der IHK zu Kiel, den zwölf Meter hohen Prototypen des Wellenkraftwerks auf dem Gelände von German Naval Yards auf den Namen "Aurelia Wino" tauft. Danach sehen rund hundert geladene Gäste aus Wirtschaft, Forschung und Politik gespannt zu, wie ein Kran den etwa acht Tonnen schweren Koloss in das Hafenbecken setzt. Dort soll das Kraftwerk in den nächsten Wochen weiteren Funktionstests unterzogen werden.

Energiewende mit der Kraft des Meeres

Eine Nahaufnahme des neuen Wellenkraftwerkes © NDR Foto: Karen Jahn
Die Kraft des Meeres nutzen: Eine neuartige Konstruktion soll die Bewegung der Wellen in elektrische Energie umwandeln.

Es ist ein ganz besonderer Tag für Projektleiter Christian Keindorf, Professor für Offshore Anlagentechnik an der Fachochschule Kiel. Er und sein Forscherteam, neben dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Andreas Glaß waren auch Studenten beteiligt, haben rund drei Jahre lang an der Entwicklung des Wellenkraftwerks gearbeitet. Das Ziel: Die Energiewende mithilfe der Kraft des Meeres voranbringen. Die Kieler Erfindung nutzt das Energiepotenzial von Wellen, indem ein Schwimmkörper eine vertikale Bewegung relativ zu einer Stab-Boje durchführt. "Durch diese Bewegung wird eine Hubstange angetrieben, an der zwei Linear-Generatoren montiert sind. Die Generatoren werden durch ein Magnetfeld hindurchgeführt und erzeugen elektrische Energie", erklärt Christian Keindorf. "Vereinfacht kann man das mit dem Prinzip eines Fahrraddynamos vergleichen, nur eben mit der Auf-und-ab-Bewegung der Wellen."

Bau als tolles Projekt für Azubis

Mit insgesamt rund 533.000 Euro haben Land und EU das Vorhaben gefördert, an dem neben dem FH-Forscherteam auch 28 Auszubildende der German Naval Yards und ThyssenKrupp Marine Systems beteiligt waren. Mit Unterstützung der Ausbildungsleiter und Berufsschullehrer durfte der Nachwuchs den Prototypen des Wellenkraftwerks bauen. Fünf Monate dauerte das. "Für die Azubis war das eine tolle Sache, sie durften das komplette Projekt von der Planung über Materialbestellung und Koordinierung der verschiedenen Gewerke bis hin zur Fertigung betreuen", freut sich Klaus Kufalt, technischer Direktor bei German Naval Yards.

Das Wellenkraftwerk hängt an einem Kran © NDR Foto: Karen Jahn
AUDIO: Neues Wellenkraftwerk in Kiel vorgestellt (1 Min)

Wellenkraftwerk als Teil eines hybriden Offshore-Parks

Zwei Männer blicken in die Kamera. Prof. Keindorf und Klaus Kufalt © NDR Foto: Karen Jahn
Klaus Kufalt, technischer Direktor bei German Naval Yards (links), und Projektleiter Christian Keindorf, Professor für Offshore Anlagentechnik an der Fachochschule Kiel, gehören zu den Vätern des Projekts.

Einsatzmöglichkeiten für das Wellenkraftwerk, das später einmal achtmal größer sein soll als der Prototyp, sieht Keindorf zum Beispiel in Offshore-Parks, in denen einzelne Wellenkraftwerke zwischen Windenergieanlagen platziert werden. "So könnten wir die Seegebiete, die ohnehin für die Energieerzeugung reserviert sind, noch viel effizienter nutzen", ist er überzeugt. Zwar komme so ein Wellenkraftwerk wohl nicht an die Effizienz von Sonne und Wind heran, könne aber durchaus den Megawattbereich erreichen. "Und warum sollten wir Potenzial einfach liegenlassen", gibt er zu bedenken. Zudem sei der Einsatz eines Wellenkraftwerks auch unter Umweltgesichtspunkten minimal-invasiv. "Wir nutzen zum Beispiel Betonklötze mit Ankerketten, die nach der Testphase vollständig geborgen werden können. Es findet keine Flächenversiegelung statt."

Geld für Testphase in der Nordsee fehlt noch

Um genauere Zahlen zum Energiepotenzial zu bekommen, wäre der nächste Entwicklungsschritt für das Wellenkraftwerk eine sechsmonatige Testphase an der von der FH Kiel betriebenen Offshore-Forschungsplattform FINO3 rund 80 Kilometer westlich vor Sylt. "Dafür fehlt uns momentan noch eine Anschlussfinanzierung", bedauert Christian Keindorf. Er hofft jetzt auf eine Förderung und weitere Kooperationspartner, um den Transport und die Installation auf hoher See finanzieren und durchführen zu können.

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Schleswig-Holstein Magazin | 09.05.2023 | 18:00 Uhr