Tor-Held Patschinski: Neues Leben als Bestatter
"Irgendwann hört dieser große Drang auf, immer Fußball spielen zu müssen", sagt Patschinski. Die Droge Fußball allerdings wirkt noch immer nach. Gerne würde Patschinski, so gesteht er, noch mal die Stiefel schnüren und vor Tausenden von Fans auf Torejagd gehen. So wie am 6. Februar 2002, als die großen Bayern, die Weltpokalsieger, am Millerntor auf Normalgröße schrumpften. "Wir mussten gewinnen, was anderes gab es gar nicht", erzählt Patschinski. "Wer da auf die Bayern gesetzt hat, der war sowieso wahnsinnig."
Immer einen Spruch parat
Ein flotter Spruch war Patschinski immer schon zu entlocken. "Nicht jeder war ernst gemeint, aber die Reporter haben sich immer gefreut." Beispiele gefällig? "Ich zieh' mich nackig aus und mach' den auch noch mit dem Hintern rein." Oder: "Wenn meine Frau sagt, dass ich sie beglückt habe, dann jubele ich noch viel mehr als bei so einem Tor." Die Ehe des dreifachen Vaters ging in die Brüche. Endgültig aus der Bahn warf ihn seine Spielsucht. Als auch noch Anlageprojekte rote Zahlen schrieben, und er vor dem finanziellen Ruin stand, erwies sich Patschinski jedoch als Kämpfer, rappelte sich auf und verdingte sich schließlich als Paketfahrer. Bis ihn sein heutiger Arbeitsgeber abgeworben hat. "Weil ich so ein fleißiges Kerlchen bin." Letztlich wechselte er gerne, weil die "Arbeitszeiten humaner sind".
Neues Outfit in Schwarz
Eigentlich hatte Patschinski Sportlehrer werden wollen. Während der Fußball-Karriere habe er sogar mit dem Studium der Sportwissenschaften begonnen, aber wieder aufgehört. "Als Fußballer hat man ja so wenig Zeit", erklärt er und grinst: "Das ist ja immer die beliebte Ausrede. Ich habe mich ganz dem Fußball gewidmet. Das war wohl ein Fehler." Bestatter wäre er sonst wohl nie geworden. Bereut aber hat er es bis dato nicht. Wie es scheint, fühlt sich Patschinski in seiner neuen Rolle wohl. So wie in seinem neuen Outfit, dem schwarzen Anzug, der silberfarbenen Krawatte und dem dunklen Mantel, den er meistens offen trägt. Die verantwortungsvolle Aufgabe hat ihn offenbar geerdet.
"Quereinsteiger" mit Talent
Respekt ist für ihn dabei ein Schlüsselwort. Respekt für die Verstorbenen ("Ich will nicht nur ein Loch im Rasen graben und sie da reinschachern.") und die Angehörigen. "Der Abschied kommt nicht selten früher, als man denkt. Dann versuchen wir es für die, die dableiben, so schön wie möglich hinzubekommen", sagt er. Dafür strengt er sich an. Gestaltet den tristen Raum bei einer Urnenbeisetzung wenigstens ein bisschen freundlich und feierlich, legt eine dezente Decke über den Tisch, auf dem er die mit Blumen geschmückte Urne sorgsam platziert. Gelernt hat er den Beruf nicht, aber sein Chef ist zufrieden mit dem "Quereinsteiger" (Patschinski über Patschinski).
Letzte Ruhe im Fünf-Meter-Raum
Dabei ist der Chef nicht einmal St.-Pauli-Fan - zumindest ist das nicht überliefert. Überhaupt möchte Patschinski beruflich nichts mit seinem Ex-Club zu tun haben: "Gott sei Dank mussten wir noch keinen St.-Pauli-Fan unter die Erde bringen." Der erste könnte Patschinski selber werden, falls sein schräger Vorschlag eines Tages Wirklichkeit wird: Als Patschinski für die Dreharbeiten der ARD-Dokumentation "Nachspielzeit" im Stadion am Millerntor war, musste er natürlich auch über sein Tor zum 2:0 gegen Bayern für den Tabellenletzten berichten, der am Ende der Saison dennoch abstieg. Er sprach von der großen Ehre, mit Spielern wie Holger Stanislawski, Fabian Boll oder Thomas Meggle (schoss das andere Tor) in einem Atemzug genannt zu werden. Und über den Fünf-Meter-Raum, von wo aus er Oliver Kahn damals überwand: "Ja, dort drüben, da ist es passiert. Und da werden sie mich wahrscheinlich auch begraben."
- Teil 1: Neuer Job mit Demut und Respekt
- Teil 2: Für immer Weltpokalsiegerbesieger