Ostfriesland - Türme, Tee und Orgeln
Die Nordsee, die weite, flache Landschaft und eine lebendige Kultur prägen Ostfriesland. Urlauber können dort viel entdecken - von alten Gutshöfen über historische Orgeln bis zum schiefsten Turm der Welt.
"Eala frya Fresena" - "Seid gegrüßt, freie Friesen", so ist es bis heute im Wappen Ostfrieslands zu lesen. Der spätmittelalterliche Gruß verweist auf die bewegte Geschichte der Region, denn ihre Freiheit mussten sich die Ostfriesen hart erkämpfen. Die Angriffe der Normannen wehrten sie ebenso ab wie die Begehrlichkeiten sächsischer und westfälischer Grafen.
Das Land der Häuptlinge
Die zahlreichen Befestigungsanlagen zeugen bis heute von diesen Kämpfen. Ab Mitte des 14. Jahrhunderts wurden wohlhabende und einflussreiche Bürger, die Anführer ihres Dorfes oder Landstrichs waren, Häuptlinge genannt. Manchen gelang es, ihre Steinhäuser mit Gräben und Mauern zu stattlichen Burgen auszubauen. Ein Beispiel ist die Beninga-Burg in Dornum, die heute ein Hotel ist.
Der kleine Ort lohnt auch sonst einen Besuch: Wahrzeichen des 1.000-Einwohner-Ortes ist das Wasserschloss Norderburg, in dem heute neben einer Schule auch ein Museum untergebracht ist. Auch die barocke Kirche ist sehenswert: Die Orgel mit ihren mehr als 1.700 Pfeifen wurde von einem Schüler Arp Schnitgers - dem berühmtesten Orgelbauer Norddeutschlands - gebaut.
Ostfriesland ist orgelreichste Region der Welt
Ostfriesland gilt als orgelreichste Gegend der Welt. 150 wertvolle Instrumente verteilen sich auf die Kirchen der Region. Wer mehr über die Vielzahl ostfriesischer Kirchenorgeln erfahren möchte, sollte einen Abstecher nach Weener unternehmen. Dort informiert das sogenannte Organeum über Geschichte und Funktionsweise der Kircheninstrumente. Neben zahlreichen Orgeln gibt es im Organeum auch etliche andere Instrumente aus sieben Jahrhunderten zu sehen, darunter ein wertvolles Cembalo aus dem Jahr 1741. Gleich nebenan in der Weener Kirche befindet sich zudem eine original Schnitger-Orgel.
Einer der schiefsten Türme weltweit in Suurhusen
Weniger für ihre Orgel, sondern vor allem für ihren Glockenturm bekannt ist die Kirche von Suurhusen. Denn mit 2,34 Metern Überhang bei einer Höhe von 27,37 Metern gilt er als einer der schiefsten Türme der Welt, bestätigt vom Guinness-Buch der Rekorde. Schiefer ist nur noch der Dorf-Glockenturm von Gau-Weinheim. Besonders aus östlicher Richtung ist die Neigung deutlich sichtbar.
Der Suurhusener Glockenturm ist aber nicht der einzige schiefe Turm der Region. Auch der 800 Jahre alte Kirchturm in Midlum ist rekordverdächtig schief. Immerhin muss er durch einen großen, gemauerten Backsteinkeil gestützt werden. Auch in Groothusen verhindert ein Keil, dass der Kirchturm umstürzt. In Uttum war es dafür zu spät. Um den Reichtum der Häuptlinge zu zeigen, wurde an die Kirche aus der Mitte des 13. Jahrhunderts im 16. Jahrhundert ein mächtiger Turm angebaut. Ein Sturm zerstörte 1930 den oberen Teil des Turmes, der daraufhin gestutzt wurde.
Abstecher zu den Sielorten
Viele weitere Orte in Ostfriesland können auf eine lange Geschichte zurückblicken. Lohnend ist der Besuch in einem der typischen Sielorte wie Bensersiel, Carolinensiel, Greetsiel oder Neuharlingersiel mit ihren kleinen Häfen und den geduckten Backsteinhäuschen. Ihren Namen verdanken die Orte den verschließbaren Sielen, die das Wasser der Entwässerungsgräben in die Nordsee leiten, aber kein Meerwasser ins Binnenland fließen lassen.
Städte mit langer Geschichte: Emden, Aurich, Jever und Leer
Als eine der ältesten Städte Niedersachsens gilt Jever mit seinem schönen Schloss und einer schmucken Altstadt. Größte Stadt Ostfrieslands ist Emden mit einer bedeutenden Kunsthalle und dem drittgrößte Hafen an der deutschen Nordseeküste, beliebtes Ausflugsziel nordwestlich der Stadt der malerische, rot-gelb gestrichenen Pilsumer Leuchtturm. Ebenfalls sehenswert sind Leer mit seinem Museumshafen und die ehemalige Residenzstadt Aurich.
Gulfhöfe: Alles unter einem Dach
Typisch für Ostfriesland sind außerdem die großen Gulfhöfe, die seit dem 16. Jahrhundert in der gesamten Region gebaut wurden. Nachdem es gelungen war, die Marschen zu entwässern und für den Getreideanbau zu nutzen, benötigten die Bauern Räumlichkeiten, um die Ernte zu lagern. Im typischen Gulfhaus befinden sich das Vorderhaus mit dem Wohnbereich ebenso wie der Stall und der Scheunenbereich unter einem großen Dach. Im Zentrum des Scheunentraktes liegt zwischen den vier Ständern des Hauses der quadratische Gulf, in dem früher Ernte, Heu und landwirtschaftliche Gerätschaften gelagert wurden. Zahlreiche Gulfhöfe sind noch immer bewirtschaftet und stehen heute unter Denkmalschutz.
Ideal für Radfahrer
Die Weite Ostfrieslands lässt sich hervorragend mit dem Fahrrad erkunden - wegen des häufig starken Windes am besten mit einem Pedelec oder E-Bike. Zahlreiche Radwege, darunter mehrere Fernradwege wie die Internationale Dollartroute, die Deutsche Fehnroute oder der Nordseeküstenradweg, führen durch die Region. Darüber hinaus gibt es zahlreiche ausgeschilderte Routen, die sich für Tages- oder Mehrtagestouren anbieten.
Traditionssport Boßeln
Noch gemächlicher können Urlauber die flache Landschaft mit den verstreuten Windrädern und den typischen, auf künstlichen Hügeln errichteten Warftendörfern bei ausgedehnten Spaziergängen erleben. Wer dabei noch einen typischen Friesensport kennen lernen möchte, kann sein Geschick beim Boßeln versuchen. Dabei wird eine etwa handgroße Holz- oder Gummikugel die Straße entlang geworfen. Die Mannschaften, die gegeneinander antreten, legen bei Wettkämpfen bis zu zehn Kilometer zurück.
Ostfriesland kulinarisch: Tee, Braten und Räucheraal
Snirrtjebraa, Smoortaal und natürlich kräftiger Schwarztee sind einige der typischen Köstlichkeiten aus Ostfriesland. Die Ostfriesenmischung besteht meist aus mehr als zehn unterschiedlichen Teesorten. Kräftige Assams sorgen für den würzigen Geschmack. Echter Ostfriesentee wird sehr stark gekocht und meist mit Milch oder Sahne und Kluntjes (Kandiszucker) genossen. Snirrtjebraa ist ein frischer Schweinebraten, der - in kleine Stücke geschnitten - kurz angebraten und dann zum Beispiel mit Zwiebeln, Wacholder, Lorbeer und Nelken geschmort wird.
Eine andere Spezialität stammt aus dem Ammerland: der Smoortaal - ein Räucheraal, der früher aus dem Zwischenahner Meer stammte und nach traditioneller Art mit den Fingern gegessen wird. Erstmals erwähnt wurde er bereits 1108 in Aufzeichnungen des Kloster Iburg. Zum Smoortaal wird traditionell der "Löffeltrunk" gereicht, ein Schnaps, der aus einem Löffel getrunken wird.
Karte: Ostfriesland auf einen Blick