Der unbekannte Vorgänger der Elbphilharmonie
Die Überraschung war groß
Auch Doris Gruber und Bernhard Popp bekommen in Berlin mit, was sich in Hamburg tut. Als sie den gefeierten Entwurf von Herzog & de Meuron sehen, ist die Überraschung groß. "Zuerst haben wir gedacht: Schön, dass ihr in Hamburg die Idee des Hochhauses neben dem Kaispeicher aufgegeben habt", erinnert sich Gruber. "Aber wir dachten auch: Dann hättet ihr auch unseren Entwurf für den MediaCityPort prämieren können. Das Geld hätten wir damals gut gebrauchen können." Für das Erreichen der zweiten Wettbewerbsrunde wurden nämlich 20.000 Mark gezahlt - umgerechnet gut 10.000 Euro. Aber das kleine Büro geht leer aus.
Keine Vorwürfe an Herzog & de Meuron
Der Gedanke, dass Jacques Herzog und Pierre de Meuron ihre Idee geklaut haben könnten, kommt den Berliner Architekten nicht. Auch wenn ihnen die Nähe zum eigenen Entwurf natürlich aufgefallen ist. "Das zeigt aber nur: Wenn man lange genug über ein Projekt nachdenkt, kommt man mitunter auf ähnliche Ergebnisse", sagt Bernhard Popp. Er schätzt die Kollegen aus der Schweiz. Ihr Entwurf der Elbphilharmonie sei faszinierend. Nur ist der Bau für seinen Geschmack zu hoch geraten. Zumal die Elbphilharmonie mit jetzt 110 Metern Höhe noch einmal zwölf Meter höher geraten sei als im ersten Entwurf. "Diese zwölf Meter weniger würden dem Bau gut tun", findet Popp. "Es wirkt leider nicht so, als ob der Kaispeicher das Konzerthaus leicht Huckepack trägt", findet Popp. Es mache eher den Eindruck, dass er eine schwere Last zu tragen hat.
Der MediaCityPort wird schließlich begraben
Im Sommer 2003 muten die verwegenen Konzerthaus-Pläne von Herzog & de Meuron noch wie ein Wunschtraum an. Aber dann wird das ambitionierte Millionen-Projekt MediaCityPort im Herbst 2003 endgültig begraben. Die Investoren konnten nicht ausreichend Mieter an Land ziehen. Der Weg ist somit frei für die Elbphilharmonie. Nur der Elbphilharmonie-Erfinder Alexander Gérard muss bald von Bord. Im ohnehin komplizierten Geflecht von Stadt, Architekten und Baukonzern ist kein Platz für den Projektentwickler. Schweren Herzens ziehen sich Gérard und seine Projektpartner zurück: "Wir wollten ja kein Hindernis für den Bau der Elbphilharmonie sein", sagt der Hamburger. Immerhin: Die Stadt erleichtert den Ausstieg mit einer Zahlung von drei Millionen Euro.
"Das hätte mich viele Jahre meines Lebens gekostet"
Im Nachhinein ist Gérard froh, dass er das Theater um den Bau der Elbphilharmonie nur als Außenstehender mitbekommen hat. So sind ihm viele Strapazen erspart geblieben. "Das Projekt hätte mich viele Jahre meines Lebens gekostet", ist sich der 67-Jährige sicher. Für das Eröffnungskonzert am 11. Januar ist er zusammen mit seiner Frau als Ehrengast eingeladen. Zudem gibt es in dem Jahrhundert-Bau eine Plakette, die an die Verdienste des Ehepaars erinnern soll - als Ideengeber für die Elbphilharmonie.
Kannten die Architekten den Entwurf von 2001?
An die Architekten Gruber und Popp erinnert sich hingegen in Hamburg niemand. "Uns hat seit 2001 noch nie jemand auf unseren Entwurf für die Neunutzung des Kaispeichers angesprochen", sagt Bernhard Popp. Allerdings würden einige Besucher, die im Berliner Büro vorbeikommen, das Kaispeicher-Modell von damals wahrnehmen - und fragen, was es damit auf sich habe. Das sehe ja aus wie die Elbphilharmonie.
Und was sagen die Ideengeber und die Architekten der Elbphilharmonie? Kennen sie den Entwurf aus dem Jahr 2001? Nein, antworten Alexander Gérard und Jacques Herzog unisono auf Nachfrage von NDR.de. Das mag verwundern, weil sie sich ja eingehend mit dem Kaispeicher befasst haben. Aber das Ganze liegt ja auch schon mehr als ein Jahrzehnt zurück.
Die immergleiche Geschichte
Für Doris Gruber und Bernhard Popp in Berlin bleibt der Kaispeicher auch nach 15 Jahren etwas Besonderes. Bald werden sie wieder nach Hamburg reisen. Sie haben sich fest vorgenommen, ein Konzert in der Elbphilharmonie zu besuchen. Nur bei der Eröffnung, da werden sie fehlen. Und in den vielen Reden, die an dem Festtag gehalten werden, wird sicher wieder die Geschichte erzählt, die jeder in Hamburg kennt. Die Geschichte von einem Geniestreich der Stararchitekten.
- Teil 1: Neue Ideen für den Kaispeicher
- Teil 2: "Die Ähnlichkeit ist uns natürlich aufgefallen"