Sirlord Conteh: Über Umwege im Vollsprint ins Fußball-Glück
Sirlord Conteh hat nie ein Nachwuchsleistungszentrum von innen gesehen. Der Weg des Hamburgers in den Profifußball war ungewöhnlich und steinig. Im Trikot des 1. FC Heidenheim hat der Angreifer nun gleich in seiner ersten Bundesliga-Saison Geschichte geschrieben.
Einfach mal ein paar Spieler wie lästige Fliegen abschütteln, die vermutlich das Zehnfache in ihrer Lohntüte haben als er selbst: Genau das tat Sirlord Conteh am vergangenen Sonnabend. Nach seiner Einwechslung in der Partie Heidenheims beim deutschen Rekordmeister FC Bayern München sorgte der 28-Jährige für jede Menge Schwung. Einer seiner Sprints wurde dabei mit 36,82 km/h gemessen.
Holtmann als Schnellsten abgelöst
Das bedeutete nicht nur einen Temporekord in dem Spiel, das die Bajuwaren erwartungsgemäßg mit 4:2 gewannen, sondern auch eine neue Bestmarke in der Bundesliga-Geschichte. Conteh löste damit Gerrit Holtmann vom Tabellenschlusslicht VfL Bochum ab, der sich mit 36,74 km/h hatte "blitzen" lassen. Zwei Nordlichter - Holtmann stammt aus Bremerhaven - sind aktuell die flinkesten Erstliga-Kicker. Und zudem zwei Spieler, die bei akut abstiegsgefährdeten Clubs unter Vertrag stehen. Angst verleiht Flügel - könnten Spötter meinen.
Traum vom Profivertrag bei St. Pauli erfüllt sich nicht
Aber wovor sollte Sirlord Calvin Conteh Angst haben? Der Deutsch-Ghanaer hat sportlich jetzt schon viel mehr erreicht, als es ihm beispielsweise beim FC St. Pauli zugetraut worden war. Vier Jahre lang hatte der Offensivspieler vergeblich versucht, beim Club aus seiner Heimatstadt den Sprung von der U23 in die Profimannschaft zu schaffen. Er durfte zwar immer mal wieder an den Übungseinheiten des damaligen Zweitligisten teilnehmen. Nachhaltig aufmerksam machen konnte der pfeilschnelle Angreifer jedoch nicht auf sich.
Möglicherweise lag dies ja daran, dass er als Jugendspieler nur für Hamburger Amateurclubs wie Vorwärts-Wacker Billstedt und Concordia Hamburg gekickt hatte. Den Feinschliff, den Gleichaltrige in den Nachwuchsleistungszentren der Profivereine erhalten, bekam Conteh nicht.
Durchbruch beim 1. FC Magdeburg
Er war ein guter und vor allem sehr schneller Regionalliga-Spieler, als er St. Pauli 2019 den Rücken kehrte. Um vorwärts zu kommen, musste der Fußballer mit den ungeheuren Sprint-Qualitäten anderswo einen neuen Anlauf nehmen. Conteh wechselte zum 1. FC Magdeburg. Von einer Elbstadt in die nächste Elbstadt. Gleicher Fluss, ganz andere Voraussetzungen: Beim früheren Europapokalsieger erhielt der Angreifer das Vertrauen, was er beim Kiezclub vermisst hatte.
"Ich habe nicht dafür trainiert. Bei uns in der Familie ist jeder schnell. Wir haben es vererbt bekommen." Sirlord Conteh
Conteh stieg mit Magdeburg in die Zweite Liga auf. Nach drei Jahren ging es für ihn die Karriereleiter dann abermals einen kleinen Schritt hoch. Er wurde vom ambitionierten Ligarivalen SC Paderborn verpflichtet. Auch im Dress der Ostwestfalen zeigte er seinen Gegenspielern immer wieder die Hacken.
Trotz schwacher Torquote: Heidenheim holt Conteh
Was er sich vorwerfen lassen musste, war, nicht torgefährlich genug zu sein. Nur neun Treffer in 67 Zweitliga-Begegnungen waren eingentlich kein Wert, mit dem man sich zwingend bei Bundesligisten erfolgreich um einen Kontrakt bewirbt. Aber Heidenheim, das seit Jahren für seine äußerst kluge und weitsichtige Transferpolitik bekannt ist, sicherte sich dennoch seine Dienste.
Bundesligist lobt "außergewöhnliche Schnelligkeit"
"Sirlord Conteh ist ein sehr interessanter Spieler, der insbesondere durch seine außergewöhnliche Schnelligkeit besticht. Wir sind davon überzeugt, dass er durch seine Spielweise eine Bereicherung für uns sein wird", sagte Robert Strauß, Bereichsleiter Sport beim FCH, nach der Verpflichtung des damals noch 27 Jahre alten Angreifers.
Conteh selbst war in seinen Gedanken bereits auf der Überholspur: "Ich bin gespannt auf die neue Challenge und werde mich mit meinen bislang gesammelten Erfahrungen in die Mannschaft einbringen."
Erster Rekord bereits am zweiten Spieltag
Gesagt, getan. Bereits an Spieltag zwei in der Partie gegen den FC Augsburg stellte der gelernte Veranstaltungskaufmann mit 36,67 km/h einen Bundesliga-Geschwindigkeitsrekord auf. Die Bestmarke hielt bis November, dann wurde sie von Holtmann übertroffen. Seit Sonnabend nun steht Conteh wieder auf Platz eins der schnellsten Bundesliga-Spieler aller Zeiten.
Der Wahl-Heidenheimer aus Hamburg ist also im positivisten Sinne ein Raser. Und dafür muss der Bruder von Christian Conteh (Eintracht Braunschweig) laut eigener Aussage noch nicht einmal extra etwas in den Tank tun. "Ich habe nicht dafür trainiert. Bei uns in der Familie ist jeder schnell. Wir haben es vererbt bekommen", erklärte er einst nach seinem Wechsel nach Paderborn.