Neurodermitis erkennen und behandeln

Stand: 04.08.2023 17:41 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Neurodermitis gehört heutzutage zu den häufigsten Hauterkrankungen. Sie beginnt meist im Kindesalter, verläuft in Schüben und tritt oft zusammen mit Lebensmittelunverträglichkeiten auf.

Neurodermitis, auch atopisches Ekzem genannt, ist nicht ansteckend. In Deutschland leiden 3,5 bis 5 Millionen Menschen unter den juckenden Hautrötungen - Tendenz steigend. Besonders oft zeigt sich die Erkrankung im Säuglings- und Kleinkindalter, etwa jedes achte Vorschulkind ist betroffen. Bei den meisten Kindern verschwinden die Symptome bis zur Pubertät. Von den Erwachsenen leiden nur etwa drei Prozent an Neurodermitis. Die Erkrankung tritt typischerweise in Schüben auf.

Trigger führen zu Neurodermitis-Schüben

Bestimmte Auslöser, auch Schlüsselreize oder "Trigger" genannt, führen zum Ausbruch oder der Verschlechterung der Krankheit. Dazu zählen:

  • psychische Faktoren (Stress, Konflikte, Langeweile)
  • Umweltfaktoren (Pollen, Hausstaub, Chemikalien)
  • Ernährung (bestimmte Lebensmittel, Zusatzstoffe)
  • Klimafaktoren (überheizte Luft, Kälte, Schwüle),
  • mechanische Hautirritationen (Kratzen, zu enge, reibende Kleidung)
  • Tierhaare (Katze, Meerschweinchen, Hamster, Pferd) und Federn
  • Infekte

Symptome der Neurodermitis

Neurodermitis äußert sich durch eine trockene, raue und rissige Hautoberfläche, die häufig schuppt. Man unterscheidet zwei Stadien der Krankheit: Im akuten Entzündungsstadium ist die Haut angeschwollen, tiefrot, nässt und bildet stark juckende Bläschen. Im chronischen Stadium schuppt die Haut, hat ein vergröbertes Oberflächenrelief (Lichenifikation), ist gerötet und auch teils geschwollen. Außerdem juckt sie - Betroffene kratzen sich nicht selten blutig. Immerhin jucken blutende Stellen nicht mehr, weil dort kein Histamin mehr ausgeschüttet wird.

Formen der Neurodermitis

Milchschorf: gelblich-weiße Krusten, die gemeinsam mit nässenden Ekzemen auftreten und sich über größere Flächen besonders an Wangen und behaarter Kopfhaut ausdehnen können. Milchschorf tritt meist bei Säuglingen auf.
Beugenekzeme: Rötungen (im Kindes- und Jugendalter) und Flechtenbildungen (im Laufe der Jahre) an Kniekehle, Ellenbogen, Händen, Hals und Nacken.
Prurigo nodularis (lat. "von Knoten ausgehender Juckreiz"): am ganzen Körper auftretende, stark zerkratzte Knoten (meist bei Erwachsenen).

Diagnose von Neurodermitis

In der hautärztlichen Fachpraxis werden neben der eingehenden Begutachtung der Hautstellen die Krankengeschichte und familiäre Vorbelastungen erfragt. Mit Haut- und Bluttests lassen sich Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Pollenallergie oder andere Allergien ergründen. Bei Pollenallergien bestehen häufig Kreuzallergien mit bestimmten Lebensmitteln.

Ursachen für Neurodermitis

Bei Neurodermitis reagieren Haut und Schleimhäute durch eine vermutlich erblich bedingte Störung des Immunsystems überempfindlich. Der Körper hält harmlose Stoffe wie Hausstaub, Pollen oder bestimmte Lebensmittel für gefährliche Fremdkörper und reagiert auf sie mit einer Entzündung: Er produziert übermäßig viel Immunglobulin E (IgE). Der aktiviert sogenannte Mastzellen in der Haut, die vermehrt Histamine auszuschütten. Die verstärken die Entzündung und verursachen den charakteristischen Juckreiz. Zugleich bringen sie die Barrierefunktion der Haut durcheinander: Sie produziert zu wenig Talg und zu wenig Schweiß, der Säureschutzmantel leidet. Die Trockenheit der Haut erleichtert Bakterien und Viren das Eindringen - und dies fördert wiederum Entzündungen.

Die richtige Hautpflege bei Neurodermitis

Menschen mit Neurodermitis brauchen immer eine gute Basispflege, zum Beispiel zweimal täglich Glycerin oder Harnstoff (Urea), da ihre Haut besonders viel Fett und Feuchtigkeit benötigt. Bei einem akuten Schub hilft eine kurzzeitige äußerliche Therapie mit Kortison. Im Gesicht können juckreizstillende Cremes mit sogenannten Calcineurin-Hemmern eingesetzt werden, die anders als Kortison die Haut nicht verdünnen.

Anpassungen der Ernährung und der Lebensweise

Die Behandlungsbausteine müssen grundsätzlich individuell auf jeden einzelnen Betroffenen abgestimmt werden. Das gilt auch für die Ernährungstherapie bei Neurodermitis. Dauerhaft meiden sollten Betroffene grundsätzlich nur Nahrungsmittel, gegen die eine Unverträglichkeit vorliegt. Denn wer aus Angst auf zu viele Nahrungsmittel verzichtet, der versorgt seinen Körper auf Dauer nicht mehr mit allen nötigen Nährstoffen - Mangelernährung droht. Ein Ernährungstagebuch kann helfen herauszufinden, auf welche Produkte man reagiert. Nach ein paar Tagen oder Wochen zeigen sich darin logische Zusammenhänge: etwa Alkohol oder viel Weißmehl am Wochenende - und Montag dann das Aufblühen der roten Stellen. Übrigens können Lebensmittelunverträglichkeiten im Laufe des Lebens durchaus wegfallen oder neu hinzukommen. Grundsätzlich hilfreich ist, naturbelassene Lebensmittel einzukaufen und viel frisch zu kochen.

Wer den Verlauf der Krankheit positiv beeinflussen will, der sollte neben der Ernährung unbedingt auf regelmäßige sportliche Aktivität und auf Entspannung setzen. Neurodermitis trifft meist sensible Menschen, die keine "dicke Haut" haben. Nicht von ungefähr heißt es: "Die Haut ist ein Spiegel der Seele". Yoga oder autogenes Training, Spaziergänge in der Natur, Musik - seien Sie achtsam sich selbst gegenüber und beobachten Sie, was Ihnen hilft.

Biologika: Medikamente gegen Neurodermitis

Lange gab es kaum Therapien, die Menschen mit schwerer Neurodermitis wirklich helfen konnten. Das hat sich mit Einführung der sogenannten Biologika vor einigen Jahren geändert. Fachleute sprechen sogar von einem Quantensprung, denn obwohl auch die sogenannten monoklonalen Antikörper eine Neurodermitis nicht heilen können, lassen sich die Beschwerden mit ihrer Hilfe weitestgehend beseitigen.

Bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Entzündungen und Juckreiz spielen bestimmte Botenstoffe, sogenannte Interleukine, eine entscheidende Rolle. Seit 2017 ist das Medikament Dupilumab zugelassen. Das Biologikum wird alle zwei Wochen per Spritze verabreicht und blockiert den Rezeptor für die Interleukine 4 und 13, die für die Entzündung verantwortlich sind. Das führt dazu, dass die Entzündungsmechanismen in den Zellen nicht mehr aktiviert werden können. Der Entzündungsprozess bricht zusammen, der Juckreiz verschwindet.

Januskinase-Inhibitoren stoppen Entzündungen

Für Patientinnen und Patienten, die Biologika wie Dupilumab nicht vertragen oder bei denen diese nicht anschlagen, gibt es inzwischen eine Alternative: Die sogenannten Januskinase-Inhibitoren Baricitinib, Upadacitinib und Abrocitinib hemmen die Signalweiterleitung für die Entzündungen innerhalb der Zelle und bringen die Entzündung so zum Stillstand. Sie werden als Tabletten täglich eingenommen. Da Januskinase-Hemmer Nebenwirkungen wie Infektionen der oberen Atemwege, Reaktivierung von Herpes-Infektionen, Blutbildveränderungen oder erhöhte Cholesterinwerte haben können, müssen die Patientinnen und Patienten regelmäßig zu Kontrollterminen zu ihrer Ärztin oder ihrem Arzt.

Bei Patientinnen und Patienten im Alter von 65 Jahren oder älter, solchen mit erhöhtem Risiko für schwere Herz-Kreislauf-Probleme (etwa Herzinfarkt oder Schlaganfall), bei Raucherinnen und Rauchern sowie erhöhtem Krebsrisiko sollten Januskinase-Hemmer allerdings nur eingesetzt werden, wenn keine geeigneten Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen. Bei Menschen mit Risikofaktoren für Blutgerinnsel in der Lunge und in tiefen Venen sollten sie nur mit besonderer Vorsicht verwendet werden.

Ernährungstherapie
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Dieses Thema im Programm:

NDR Fernsehen | Die Ernährungs-Docs | 11.09.2023 21:00

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