Kaputte Datenkabel in der Ostsee: Chinesischer Frachter im Fokus

Stand: 03.12.2024 20:22 Uhr

Szenen wie aus einem Agentenfilm: Seit Tagen kreist ein regelrechtes Rudel europäischer Polizei- und Marineschiffe um den Frachter "Yi Peng 3" im Kattegat. Das Schiff steht im Verdacht, zwei Datenkabel in der Ostsee beschädigt zu haben.

von Christoph Deuschle und Andreas Schmidt

Die "Bamberg" der Bundespolizei driftet nur einen guten Kilometer entfernt von der "Yi Peng 3" durch das Kattegat. Das Meeresgebiet zwischen der dänischen Ost- und der schwedischen Westküste ist viel befahren. Die "Yi Peng 3" und ihre Bewacher fahren aktuell hingegen nicht - und das seit nunmehr zwei Wochen. Denn der 224 Meter lange Schüttgutfrachter und seine Crew sind offenbar Hauptverdächtige für die Behörden.

Der chinesische Frachter Yi Peng 3 liegt in der Ostsee. © Screenshot
Der Kapitän der "Yi Peng 3" ist nicht per Funk zu erreichen.

Der Verdacht: die mutwillige Zerstörung von zwei Datenkabeln, dem "C-Lion 1" zwischen Deutschland und Finnland, sowie dem "BCS-East-West Interlink" zwischen Schweden und Litauen. Über diese Datenkabel läuft unter anderem der Internetverkehr zwischen Skandinavien und dem Rest von Europa. Auf Anfrage äußert sich die Bundespolizei "aus ermittlungstaktischen Gründen" nicht.

Standortdaten deuten auf Verbindung hin

Ein NDR Rechercheteam hat die Positionsdaten der "Yi Peng 3" analysiert und mit internationalen Experten abgeglichen. Danach kreuzte der Frachter mit hoher Wahrscheinlichkeit die Stellen in der Ostsee, an denen die Kabel liegen, zeitgleich mit dem Auftreten der Beschädigungen an den Datenkabeln. Für den Verdacht sprechen verschiedene Faktoren. Die "Yi Peng 3" stoppt kurz nach der Beschädigung der Kabel vorübergehend ihre Fahrt nahe der Datenkabel. Wurde hier der Anker wieder eingeholt? Außerdem schaltet der Frachter jeweils kurz vor der Querung der Kabel das Ortungssystem aus, kurz danach wieder an. Und: Bilder dänischer Medien zeigen einen offenbar beschädigten Anker an dem Schiff.

Bereits kurz nach dem Vorfall legt sich Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) außerdem fest: "Niemand glaubt, dass diese Kabel aus Versehen durchtrennt worden sind und ich mag auch nicht an Versionen glauben, dass das Anker waren, die zufällig über diesen Kabeln, wie soll ich sagen, Schaden angerichtet haben."

Ähnliches Vorgehen bereits vor einem Jahr

Ein ziviler Frachter, dessen Crew den Anker zur Beschädigung von kritischer Infrastruktur nutzt? Diese Taktik gab es im vergangenen Jahr schon einmal, sie würde also ins Bild passen. Denn im Oktober 2023 beschädigt der Anker der "NewNew Polar Bear", ebenfalls ein Schiff unter chinesischer Flagge, drei Datenkabel und die Pipeline "Balticconnector" in der Ostsee.

Der Anker des Frachters wurde gut 200 Kilometer über den Meeresboden geschleift. Als Grund wird von den chinesischen Behörden ein Versehen und ein zu dem Zeitpunkt tobender Sturm über der Ostsee angegeben.

Experte: Versehen ausgeschlossen

Stefan Krüger von der Technischen Universität Hamburg hält diese Begründung für praktisch ausgeschlossen: "Eine Ankerwinde ist gröbster Maschinenbau." Wenn der Anker gesetzt würde, wäre das ganze Schiff wach, "das macht so einen Lärm, wenn die schweren Kettenglieder rumpeln." Zudem sei die Ankerkette mit Kettenschloss und Kettenstopper gesichert. "Es ist völlig ausgeschlossen, dass das ein Versehen war", ist sich Krüger sicher.

Auch Johannes Peters, Abteilungsleiter Maritime Strategie und Sicherheit am Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel, zeigt sich überrascht. Aber aus einem anderen Grund. Denn man habe die Herangehensweise der "NewNew Polar Bear" vergangenes Jahr quasi kopiert. "Das kann man sicherlich dreist nennen", so Peters.

China bereit zu kooperieren

Das Einsatzschiff "Bamberg" der Bundespolizei. © picture alliance/dpa Foto: Lars Penning
Seit zwei Wochen immer wieder Aufpasser der "Yi Peng": Das Bundespolizeischiff "Bamberg".

Anders als 2023 scheint im aktuellen Fall die Haltung Chinas zu sein. Die Reederei der "Yi Peng 3" reagiert zwar nicht auf Presseanfragen, genau so wenig der Kapitän des Schiffs über Funk auf Fragen antworten möchte. Aber die Haltung der chinesischen Behörden scheint im aktuellen Fall weniger ausweichend zu sein - wohl auch aufgrund diplomatischen Drucks im Hintergrund. Auch die deutliche Reaktion der Ostsee-Anrainer und das Aufgebot an Militär dürften ein Signal an die noch unbekannten Drahtzieher der Beschädigung sein.

Mittlerweile hat die chinesische Regierung wohl Bereitschaft signalisiert, der Bundespolizei Zugang zu dem Frachter zu gewähren, hört man hinter den Kulissen. Und auch der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson sagt bei einer Pressekonferenz: "China ist bereit, mit den betreffenden Ländern zusammen zu arbeiten."

Bisher war eine Kontrolle des Schiffs und seiner Besatzung nicht möglich, denn die Schadensereignisse an den Datenkabeln passierten außerhalb der 12-Meilen-Zone. In diesem Seebereich haben die europäischen Behörden praktisch keine Befugnisse an Bord des chinesischen Frachters.

Wie reagiert der Westen?

Global ist der Vorfall genau so brisant wie innerhalb Europas. Denn man steht nun vor einem Dilemma. Reagiert man auf Vorfälle wie die - wahrscheinlich mutwillige - Beschädigung der Unterseekabel zu zögerlich, wirke man angreifbar. Auch psychologisch habe das Effekte, so Peters von der Uni Kiel. "Wenn dann solche Vorfälle sind wie letztes Jahr und jetzt wieder, kommen jedes Mal wieder diese Fragen hoch. Was passiert? Können wir uns dagegen schützen? Tun wir genug?" Genau darauf Ziele ein möglicher Akteur: Die Bevölkerung verunsichern.

Im Fall der "Yi Peng 3" haben die Behörden deutlich schneller und auch schärfer reagiert als noch vor einem Jahr. Denn im Oktober 2023 wurde die "NewNew Polar Bear" weder gestoppt noch kontrolliert, in der deutschen Öffentlichkeit fand der Vorfall kaum Interesse. Das ist dieses Mal anders. Nach vielen Statements, dass "dieser Schutz der Infrastruktur so zentral" sei, so Peters, habe man zwingend anders reagieren müssen. Ob es nach der klaren Reaktion nun die letzte Fahrt mit Schäden an kritischer Infrastruktur in der Ostsee war, darf aber trotzdem bezweifelt werden.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 03.12.2024 | 19:30 Uhr

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