Hungerstreiks und Suizidversuche? Kritik an Abschiebehaft Glückstadt

Stand: 09.10.2024 20:42 Uhr

Es gibt weiter Kritik an der Abschiebehaftanstalt in Glückstadt. Von Missständen redet die Besuchsgruppe Abschiebehaft. Justizstaatssekretär Otto Carstens weist viele Vorwürfe zurück.

von Carsten Rauterberg

Die Besuchsgruppe Abschiebehaft und weitere Initiativen haben erneut die Lebensbedingungen der Inhaftierten in der Abschiebehaft Glückstadt (Kreis Steinburg) kritisiert. In der Abschiebehaftanstalt in Glückstadt gibt es laut einem Sprecher der Initiative "Kein Abschiebegefängnis in Glückstadt und anderswo" nach wie vor viele Missstände, die seit längerer Zeit bekannt und noch nicht abgestellt seien. So sei die medizinische und psycho-soziale Betreuung der Inhaftierten immer noch unzureichend. Die Sozialberatung sei monatelang unbesetzt gewesen, und es gebe keine Seelsorge für die verschiedenen Religionsgruppen, so ihr Sprecher weiter.

Initiative: "Abschiebehaft ist eine Black Box"

Laut Informationen der Initiative ist es seit der Inbetriebnahme 2021 zu mehreren Hungerstreiks und Suizidversuchen gekommen. Das Gefängnis sei eine Black Box, die Situation der Inhaftierten bleibe hinter den Mauern verborgen. Auch das Motto "Wohnen minus Freiheit" passe überhaupt nicht, sagt der Sprecher der Besuchergruppe Fredrik Nedelmann. "Das ist eine populistische Verklärung der Inhaftierung. Die vergangenen Jahre haben uns gezeigt, dass wir hier nicht über eine humane Situation sprechen." Die Besuchsgruppe würde immer noch zahlreiche Anfragen der Inhaftierten bekommen, und selbst wenn sich einiges verbessert habe, seien die Lebensbedingungen nach wie vor menschenunwürdig, so Nedelmann. Die Einrichtung müsse daher sofort geschlossen werden, so die Forderung der Initiative.

Justiz-Staatssekretär weist Kritik zurück

Die Abschiebehaft Glückstadt war am Mittwoch auch Thema im Innen- und Rechtsausschusses des Landtages. Justizstaatssekretär Otto Carstens (CDU) verlas dort den Jahresbericht des Landesbeirates für die Abschiebehaft. Dann nahm der Staatssekretär als Vertreter der Landesregierung in der anschließenden Aussprache auch Stellung zu den Vorwürfen. Carstens wies daraufhin, dass sich der Bericht auf den Zeitraum 2021 bis Ende 2023 beziehe. Viele Missstände seien bereits abbestellt worden. "Es gibt seit Anfang Juni wieder eine Sozialberatung der Diakonie mit zwei Fachkräften. Und bei der Seelsorge haben wir einen evangelischen Geistlichen gefunden, der in die Anstalt kommt." Nur einen muslimischen Geistlichen für die Inhaftierten zu finden, sei weiter ein Problem, ergänzt Carstens. Eine Angeordnete sprach das im Jahresbericht beschriebene Problem an, dass die Inhaftierten ihr eigenes Handy nicht benutzen dürfen. "Ein Telefonat mit der Familie in der Heimat kann ja deeskalierend wirken, auch mit Kamera. Von daher könnte das ja helfen", sagte sie. Carstens sagte dazu, das sei aus gesetzlichen Gründen nicht erlaubt. Die Inhaftierten könnten sich aber für Telefonate ein Handy bei Anstalt ausleihen und den Internetraum der Abschiebehaft benutzen.

Personalsituation verbessert

Die Lebensbedingungen für die Inhaftierten hätten sich darüber hinaus auch wegen der verbesserten Personalsituation verbessert, so Otto Carstens im Innen- und Rechtsausschuss. Mehr Mitarbeitendne könnten sich besser um die Inhaftierten kümmern, weil mehr Zeit für sie vorhanden sei. Trotzdem seien von den 82 Stellen im Vollzugsdienst derzeit nur 50 besetzt. Auch die Flüchtlingsbeauftragte des Landes, Doris Kratz-Hinrichsen, hatte das Personalproblem angesprochen. "Glückstadt ist einfach ein Ort, der sehr weit in der Peripherie liegt. Man fährt einfach nicht gerne quer durchs Land nach Glückstadt zur Arbeit."

Neuer Anstaltsleiter optimistisch

Der seit dem 1. Juli in Glückstadt tätige neue Leiter der Abschiebehaft, Thomas Dönitz, zeigt sich optimistisch, das Personalproblem in den Griff zu bekommen. "Wir haben im Augenblick 20 Anwärter in der Ausbildung und wir haben 27 laufende Bewerbungen. Eine davon ist schon fix." Man werbe mittlerweile auf Berufsmessen für die Ausbildung und wolle auch für eine bessere Akzeptanz der Beschäftigten sorgen, sagt Dönitz.

Ein Problem sei aber, dass den Mitarbeitenden in Glückstadt im Gegensatz zur Arbeit in anderen Strafanstalten die Perspektive und die Erfolgserlebnisse fehlten. "In der JVA begleitet man die Inhaftierten bis zu einer Entlassung wieder in die Gesellschaft, das Thema Resozialisierung spielt da ja eine große Rolle. All das gibt es in einer Abschiebehaftanstalt nicht." Er wolle in der Region für die Einrichtung und die Arbeit dort werben. Dazu werde er auch das Gespräch mit der Stadt Glückstadt suchen, so Thomas Dönitz. Er selbst habe seit seinem Amtsantritt viele Abläufe und Strukturen in der Abschiebehaft verändert, die Stimmung in der Belegschaft habe sich deutlich verbessert. Und in diese Richtung solle sich die Arbeit in der Abschiebehaftanstalt auch weiter entwickeln.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 09.10.2024 | 19:30 Uhr

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