Göttinger IT-Dienstleister Arineo gehört jetzt der Belegschaft
Ein Göttinger IT-Dienstleister hat nun einen ungewöhnlichen Eigentümer: Arineo gehört der knapp 400-köpfigen Belegschaft. Das soll Fachkräfte und Kunden begeistern, fördert aber auch die Motivation.
Die letzten fehlenden Bestätigungen hat das Unternehmen am Montag bekommen, nun steht fest, dass die Beschäftigten bei wichtigen Entscheidungen das letzte Wort haben. Das soll vor allem einem Verkauf an möglicherweise renditeorientierte Investoren oder Gesellschafter vorbeugen. "Der beste Eigentümer, das war relativ schnell klar, sind die Mitarbeitenden, die immer wieder dafür sorgen, dass das Unternehmen erhalten bleibt", sagte Geschäftsführer Marko Weinrich.
Mehr Fachkräfte, mehr Kontinuität
Denn mit Eigentümerwechseln haben einige der Beschäftigten keine guten Erfahrungen gemacht. "Schon während der New-Economy-Blase hatten wir den Witz, dass man zwei Jahre am gleichen Platz sitzen kann und danach fünf verschiedene Arbeitgeber hatte", erzählt ein Entwickler während der Kaffeepause. Den Beschäftigten mehr Sicherheit zu geben, ist für Weinrich zentral: Das ziehe Fachkräfte an und sorge für eine geringere Personalfluktuation. Die Folge: Mehr Kontinuität - was laut Weinrich auch Kunden zu schätzen wüssten.
Schritt schon bei der Gründung geplant
Eigentlich ist Arineo ein typischer IT-Dienstleister, vor allem mittelständische Kunden werden bei der Digitalisierung betreut. Doch schon bei der Gründung 2018 war geplant, das Unternehmen in die Hände der Beschäftigten zu geben. 53 Gesellschafter hatte das Unternehmen, allesamt Mitarbeitende der Firma, so Geschäftsführer Weinrich. Schon zur Gründung hätten alle in einem Vertrag zugestimmt, dass Arineo spätestens nach zehn Jahren in die Verantwortung der Mitarbeitenden übergehen soll. "Es war niemand zu überzeugen, sondern nur Überzeugungstäter am Werk."
"Employee Owned Company" kam früher als erwartet
Da sich Arineo bereits nach drei bis vier Jahren am Markt etabliert habe, hätten alle Gesellschafter beschlossen, das Unternehmen nicht erst nach zehn Jahren in die Hände der Belegschaft zu geben. Nun steht das "Employee Owned Company" (EOC) getaufte Konstrukt früher als erwartet: Vereinfacht gesagt können die Beschäftigten in einen Mitarbeitendenverein eintreten. Dort wählen sie die Leitung einer Stiftung - und dieser wiederum gehört das eigentliche Unternehmen. All das ist über Satzungen so verschränkt, dass das Unternehmen ohne Zustimmung der Belegschaft nicht verkauft werden kann.
In Deutschland seltenes Modell
In Deutschland habe so ein Modell Seltenheitswert, bestätigen verschiedene Fachleute. Natürlich bekämen Beschäftigte insbesondere bei Start-Ups mitunter Unternehmensanteile. Dass der Belegschaft das Unternehmen ganz gehöre, sei aber ungewöhnlich, berichtet etwa Dirk Lambach vom Bundesverband Mitarbeiterbeteiligung AGPEV. Im angelsächsischen Raum, insbesondere im Vereinigten Königreich, gebe es hingegen sogar eine steuerliche Förderung für ähnliche Modelle, die sogenannten Employee-Ownership-Trusts (EOT).
Mitarbeiterbeteiligung brachte viel Arbeit mit sich
In Deutschland hat es bislang mit dem von der Ampel-Koalition angedachten, sogenannten Verantwortungseigentum nicht geklappt. Damit sollte eine Rechtsform geschaffen werden, die Verkäufen vorbeugt und ein Unternehmen an einen bestimmten Zweck bindet. Womöglich hätte das auch Arineo geholfen, denn die jetzt gefundene Konstruktion sei kompliziert und auch für beteiligte Behörden Neuland, wie es dort heißt. Sieben Jahre habe die Umsetzung schlussendlich gedauert und viel Aufwand mit sich gebracht, so Wibke Jellinghaus, Gründungsvorsitzende des Mitarbeitendenvereins.
Mehr Motivation durchs neue Modell
Gelohnt hat sich die Mühe offensichtlich. Bislang sei Arineo mit 17 Standorte in vier Ländern nach Auskunft Weinrichs überdurchschnittlich profitabel. Wibke Jellinghaus vermutet, dass das Eigentümer-Modell die Beschäftigten zusätzlich motiviere. Am Ende der Woche wisse sie, das Unternehmen vorangebracht zu haben, "und es sitzt nicht einer dahinter, der mehr Gewinne abschöpfen kann, weil ich mehr gearbeitet habe".