Stand: 16.03.2018 10:03 Uhr

Resistente Keime: Bundestag debattiert Maßnahmen

Eine Agarplatte mit Bakterien. © NDR
Multiresistente Erreger fanden sich in Gewässern in Niedersachsen und Frankfurt.

Vor knapp einem Jahr war in Frankfurt am Main ein Mann in einen Bach gefallen und fast ertrunken. In der Klinik entdeckten die Ärzte neben Wasser und Laub auch extrem gefährliche Keime in seiner Lunge - es handelte sich um Bakterien, gegen die fast kein Antibiotikum mehr wirkt. Das Frankfurter Gesundheitsamt nahm daraufhin Proben aus verschiedenen Gewässern.

Keime weiter verbreitet als bislang angenommen

Die Untersuchungsergebnisse teilte die stellvertretende Amtsleiterin Ursel Heudorf am Donnerstag mit: "Wir haben in fünf von 19 Proben in verschiedenen Oberflächengewässern Keime gefunden, die auch gegen Reserveantibiotika resistent sind." Die Ergebnisse würden darauf hinweisen, dass solche Erreger weiter verbreitet seien als bislang angenommen, so Heudorf.

Untersuchungen in Niedersachsen

Erst vor kurzem hatte der NDR eine exemplarische Untersuchung von niedersächsischen Gewässern veröffentlicht. Hier fanden sich an allen zwölf Probenorten multiresistente Erreger. Überall konnten auch Keime nachgewiesen werden, gegen die bestimmte Reserveantibiotika nicht mehr wirken. Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies hat deshalb angekündigt, insgesamt 200 weitere Proben nehmen zu lassen.

VIDEO: Auf der Spur der Superkeime (30 Min)

Grüne: Nicht Medien, sondern Behörden müssen Wasser untersuchen

Am Donnerstag haben auch die Abgeordneten im Bundestag über mögliche Konsequenzen aus den Funden beraten. Die umweltpolitische Sprecherin der Grünen, Bettina Hoffmann forderte, Gewässer standardmäßig auf solche Keime zu kontrollieren. "Nicht die Presse, sondern unsere Behörden müssen das Wasser untersuchen. Das ist machbar und das ist bezahlbar", sagte Hoffmann.

Sie forderte zudem Maßnahmen, um zu verhindern, dass multiresistente Erreger überhaupt erst entstehen. Vor allem müsse Schluss sein mit dem Einsatz von Reserveantibiotika in der Tierhaltung. Die Linke unterstütze diese Forderung und sprach sich darüber hinaus dafür aus, die Hygiene in Kliniken zu verbessern, um eine Ausbreitung der Keime zu verhindern.

Kritik an Einsatz von Reserveantibiotika bei Tieren

Auch die SPD forderte mehr Gewässer-Kontrollen und eine Verringerung des Antibiotika-Einsatzes in der Landwirtschaft. Es sei kein rein niedersächsisches Problem, sagte der agrarpolitische Sprecher der Partei, Rainer Spiering, "sondern unser aller Problem". Er glaube, dass der Einsatz von Reserveantibiotika in der Tiermast sehr bedenklich sei - und wenn es nach ihm ginge, untersagt werden müsse.

Der CSU-Abgeordnete Artur Auernhammer, der selbst Landwirt ist, sagte dagegen, es werde jetzt wieder einmal die große Keule gegen die deutsche Landwirtschaft geschwungen. Man solle sich stattdessen mehr auf die Humanmedizin konzentrieren. Aufklärung sei da wesentlich wichtiger als in der Veterinärmedizin.

Klärbecken im Klärwerk Osnabrück. © NDR
Kläranlagen können derzeit nicht alle Keime herausfiltern.
Sollen Kläranlagen ausgebaut werden?

Diskutiert wurde zudem ein Ausbau von Kläranlagen, um mehr multiresistente Keime aus dem Abwasser zu filtern. Der AfD-Abeordnete Heiko Wildberg warnte jedoch, dass damit die Kosten für die Abwasserbehandlung dramatisch erhöht würden.

Generell warnten Union, FDP und AfD im Bundestag vor schnellen Maßnahmen. Sie wollen zunächst die endgültigen Ergebnisse der laufenden Forschungen abwarten. Auf Basis dieser Daten sollten dann Maßnahmen getroffen werden, sagte Heiko Wildberg. Dabei müsste die Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Der FDP-Abgeordnete Lukas Köhler sprach sich für einen vernünftigen Dialog aus.

CDU: Kein Grund zur Panik

Die CDU-Abgeordnete Astrid Damerow betonte, in Deutschland würden jedes Jahr Menschen durch Antibiotika-Resistenzen sterben. Wasser könne dabei einer der zahlreichen Übertragungswege sein. "Die im Auftrag des NDR durchgeführten Proben aus Bächen, Flüssen und Badeseen in Niedersachsen, die alle positiv waren, erfüllen uns natürlich deshalb mit Sorge", so die CDU-Politikerin.

Allerdings gebe es keinen Grund zur Panik, betonte Damerow. Es gehe jetzt nicht darum, ganz schnell ganz viel zu fordern, sondern es sei wichtig, mit aller Sorgfalt das Richtige zu tun. Welche konkreten Maßnahmen das sein werden, darüber beraten nun die Bundestags-Ausschüsse.

Martin Exner und Ursel Heudorf auf einer Pressekonferenz in Frankfurt am Main. © NDR
Martin Exner und Ursel Heudorf stellten in Frankfurt Ergebnisse von Wasserproben vor.
Ergebnisse von Kläranlagen-Untersuchungen

Dabei sollen auch weitere Forschungsergebnisse helfen. In einem großen bundesweiten Projekt untersuchen Wissenschaftler zum Beispiel, wie wirksam verschiedene Aufbereitungsverfahren in Kläranlagen antibiotika-resistente Erreger reduzieren können. Erste Ergebnisse stellte nun einer der Leiter des Projekts, der Mediziner Martin Exner, im Frankfurter Gesundheitsamt vor. Am besten habe die besonders feine sogenannte Ultrafiltration Mikroorganismen und Antibiotikaresistenzen zurückgehalten, erklärte Exner. Außerdem sei eine Kombination aus Ozon- und UV-Desinfektion durchaus effizient.

Darüber hinaus müsse man überdenken, ob man in Zukunft Badegewässer nicht wie bisher vor allem auf bestimmte Fäkalkeime untersuche, so Exner, sondern zusätzlich schaue, ob diese Keime auch gegen bestimmte Reserveantibiotika resistent seien. Außerdem empfehle er, Menschen, die nach Ertrinkungsunfällen in Krankenhäuser eingeliefert würden, auf multiresistente Erreger zu untersuchen.

Mediziner mit "schlaflosen Nächten"

Grundsätzlich hält Martin Exner, der Direktor des Hygiene-Instituts am Universitätsklinikum Bonn ist, es für unbedingt notwendig, die Verbreitung multiresistenter Keime in der Umwelt weiter zu untersuchen. Insbesondere die Zunahme resistenter Erreger, bei denen bestimmte Reserve-Antibiotika nicht mehr wirken, bereite vielen Medizinern "schlaflose Nächte", so Exner.

Weitere Informationen
Wasserprobe in einer durchsichtigen Flasche. © NDR

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Jemand hält eine Platte mit Bakterien drauf.

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Dieses Thema im Programm:

Infoprogramm | 16.03.2018 | 07:38 Uhr

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