Landkreise auf Ernstfall vorbereitet? Lüneburg ist Schlusslicht

Stand: 09.12.2024 09:46 Uhr

Laut Gesetz muss jeder Landkreis ein Konzept für die Versorgung vieler Verletzter haben - zum Beispiel bei einem großen Unfall, oder Amoklauf. Doch NDR Recherchen zeigen: Im Landkreis Lüneburg fehlt eine solches "ManV-Konzept".

von Max Seib, Johannes Koch

Es sind Szenarien, die keiner erleben möchte: viele Verletzte, eine unübersichtliche Lage und in den ersten Minuten nur wenige verfügbare Rettungskräfte. "ManV" nennt man das im Rettungsdienst - das steht für "Massenanfall an Verletzten". Laut Niedersächsischem Rettungsdienstgesetz muss jeder Landkreis ein eigenes Konzept für solche Großschadenslagen vorhalten. Darin sind dann unter anderem Meldeketten und die Aufgaben am Unfallort klar geregelt und feste Ablaufpläne festgelegt.

Lüneburg hat kein "ManV-Konzept"

Der NDR hat alle Landkreise in Niedersachsen zu ihren "ManV-Konzepten" befragt. Fast alle Landkreise haben ein Konzept vorliegen. Das älteste hat der Landkreis Ammerland. Dort liegt seit 25 Jahren ein Notfallplan vor und wird nach eigenen Angaben regelmäßig aktualisiert. Nur ein Landkreis in Niedersachsen hat kein "ManV-Konzept" vorliegen: der Landkreis Lüneburg. Ein Konzept werde aktuell erarbeitet, heißt es aus dem Kreishaus. Dabei schreibt das Rettungsdienstgesetz laut Innenministerium ein "ManV-Konzept" schon seit vielen Jahren vor.

Rettung auch ohne Konzept sichergestellt

Lüneburgs Kreisrätin Sigrid Vossers steht vor der Kreisverwaltung. © Screenshot
Lüneburg könne auch ohne "ManV-Konzept" eine Lage mit vielen Verletzten bewältigen, sagt Kreisrätin Sigrid Vossers.

Der Landkreis Lüneburg versichert dem NDR: Auch ohne "ManV-Konzept" könne eine Großschadenslage mit vielen Verletzten bewältigt werden. Lüneburgs Kreisrätin Sigrid Vossers sagt im NDR Interview: "Wichtig ist doch das, dass wir vorbereitet sind, dass wir Strukturen schaffen, dass wir Handlungsanweisungen haben, damit die Menschen dann auch vor Ort richtig reagieren können." Zu den Strukturen gehöre der Leiter des Rettungsdienstes und der leitende Notarzt, die laut Landkreis in Rufbereitschaft seien und ein ausgestattetes Einsatzfahrzeug hätten. Dazu gebe es im allgemeinen Leitfaden für den Rettungsdienst auch Anweisungen für verschiedene Szenarien. Ein richtiges "ManV-Konzept"? "Das ist mehr eine Formalie, dass wir das nicht haben", sagt Kreisrätin Vossers.

Landkreis Göttingen: "ManV-Konzept" wichtig

Doch so ein Papier sei durchaus wichtig, sagt Hanna Haus. Sie ist ärztliche Leiterin des Rettungsdienstes in Göttingen. In ihrem Landkreis besteht seit 2011 ein "ManV-Konzept". "Wenn man kein Konzept hat, dann ist die große Gefahr, dass man in eine Chaos-Phase kommt. Die ist immer da. Aber ich glaube, wenn man ein Konzept hat, ist sie relativ kurz und man kommt schnell vor die Lage, wo man dann eben gut reagieren kann", sagt Haus.

Warnungen aus dem Innenministerium

Die Landkreise sind nicht verpflichtet, ihre Konzepte an das Land zu melden. Daher hat das Innenministerium keinen Überblick, welche Landkreise ein "ManV-Konzept" haben, heißt es von einer Sprecherin. Man gehe davon aus, dass die Landkreise ihre Hausaufgaben machen. Sollte das Ministerium aber Hinweise haben, dass in einem Landkreis das Konzept fehlt, werde man tätig werden. Im schlimmsten Fall müsse dann die Kommunalaufsicht eingeschaltet werden. Explizit zum Landkreis Lüneburg wollte sich das Ministerium nicht äußern.

Experte: Wichtig, "ManV-Szenarien" zu üben

Alexander Lechleuthner ist Dozent an der Technischen Universität Köln - gilt als "ManV-Experte". Auch ohne Konzept könnten Großschadenslagen gut bewältigt werden, sagt er. Aber wenn ein Landkreis ein eigenes Konzept erarbeite, bedeute dies auch, dass alle Organisationen sich Gedanken machen würden. "Dann ist es unter Umständen leichter, sich auf völlig neuartige Situationen einzustellen. Weil man dann eine Grundlage hat."

Lüneburg will "ManV-Konzept" 2025 vorstellen

Diese gemeinsame Grundlage möchte der Landkreis Lüneburg 2025 vorstellen. In der Pandemie sei das Erstellen des Konzepts hinten angestellt worden, heißt es vom Landkreis. Nun sei aber genug Personal dafür frei, sagt Kreisrätin Vossers. "Wenn wir jetzt sehen, alle anderen haben ein Konzept und das wird vom Ministerium für erforderlich geachtet, dann liefern wir das selbstverständlich auch. Aber es ändert an der Praxis nichts, dass wir gut aufgestellt sind, dass wir die funktionierenden Strukturen und Maßnahmen haben, die sich in der Praxis bewähren."

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Hallo Niedersachsen | 05.12.2024 | 19:30 Uhr

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