Schwerin will Asylbewerber und Bürgergeldbezieher zur Arbeit verpflichten
In Schwerin sollen Asylbewerber und Bürgergeldbezieher künftig zur Arbeit verpflichtet werden. Das haben die Stadtvertreter am Montag beschlossen.
Oberbürgermeister Badenschier kritisiert den Beschluss scharf. Arbeitsmarktforscher sehen in solchen sogenannten Arbeitsgelegenheiten "ein Instrument, das entweder nichts nützt oder eher schadet".
Die Schweriner Stadtvertreter haben am Montag beschlossen, dass Asylbewerber und Empfänger von Bürgergeld künftig zu Arbeit verpflichtet werden sollen. Wer sich verweigert, riskiert demnach, dass die staatlichen Leistungen gekürzt werden. Zwar ist die Idee, Menschen zu Arbeit zu verpflichten, die staatliche Leistungen beziehen, nicht grundsätzlich neu. Sogenannte Arbeitsgelegenheiten sind im Asylbewerberleistungsgesetz und für Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld im Sozialgesetzbuch vorgesehen. Eine Pflicht, diese sogenannten Gelegenheiten anzunehmen, gab es aber bislang nicht.
Verpflichtende "Arbeitsgelegenheiten" nach dem Vorbild zweier Landkreise in Thüringen
Vorbild für den Beschluss der Stadtvertreter in Schwerin sind nach Angaben von AfD- und CDU-Stadtvertretern die Landkreise Greiz und Saale-Orla in Thüringen. Der Landkreis Greiz sieht seit September 2024 eine solche Pflicht für Asylbewerberinnen und -bewerber auf Grundlage von Regelungen des Asylbewerberleistungsgesetzes vor. Demnach sollen diese Flüchtlinge für eine Entlohnung von 80 Cent pro Stunde gemeinnützige Arbeiten, beispielsweise in den Gemeinschaftsunterkünften, beim Grünflächenamt oder Winterdienst übernehmen, wie es in Greiz bereits praktiziert wird. Wenn sie diese sogenannte Arbeitsgelegenheit verweigern, können ihre Leistungen gekürzt werden.
Bundesweit beispiellos: Arbeitsverpflichtung für Bürgergeldempfänger
Der Beschluss der Stadt Schwerin auf Antrag der CDU-Fraktion geht allerdings darüber hinaus und wäre in dieser Umsetzung bundesweit beispiellos. Demnach sollen nicht nur "insbesondere Asylbewerber" zu solchen Arbeiten verpflichtet werden, sondern auch "erwerbsfähige Leistungsberechtigte von Bürgergeld" auf Grundlage entsprechender Regelungen des Sozialgesetzbuches (SGB II).
Ein entsprechendes Konzept soll nun Oberbürgermeister Rico Badenschier (SPD) in Kooperation mit dem Jobcenter und sozialen Trägern erarbeiten. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion in der Stadtvertretung Gert Rudolf begründet den Vorstoß wie folgt: "Wir wollten klare Linie zeigen, dass - wer Leistungen vom Staat erhält, wenn nichts dagegen spricht - für diese Leistung eine Gegenleistung erbringt, - sprich: arbeitet". Das sei in seinen Augen eine "legitime Botschaft" und werde so mit dem Asylbewerberleistungsgesetz in Kommunen in Thüringen bereits praktiziert. "Da haben wir gesagt, warum nicht auch für das Thema Bürgergeld?" Die arbeitenden Menschen würden sich fragen, so Rudolf, warum "müsse einer nicht etwas für die Gesellschaft tun, wenn er arbeiten kann".
OB Badenschier: "Eine Debatte, die an niedere Instinkte appelliert"
"Die Argumentation, 'wir müssen die faulen Leute zwingen, arbeiten zu gehen', führt meines Erachtens an der Sache vorbei", sagt der Oberbürgermeister von Schwerin, Rico Badenschier (SPD). Es gehe doch darum, die Menschen in eine dauerhafte Beschäftigung zu bringen. "Dafür gibt es ganz andere Maßnahmen", so Badenschier. Insofern bewerte er diesen Beschluss als "eine Debatte, die an niedere Instinkte appelliert". Gegenüber dem NDR in MV bezeichnete er solche "sogenannten Arbeitsgelegenheiten" als "das unwirksamste Instrument der Arbeitsmarktintegration" - insbesondere vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Lage auf dem Arbeitsmarkt. Man dürfe nicht vergessen, so der Oberbürgermeister, dass es bereits jetzt schon viele "Aufstocker" gibt, die arbeiten.
In den vergangenen Jahren seien in der Landeshauptstadt außerdem Stellen für Arbeitsgelegenheiten zurückgefahren worden - auf jetzt noch rund 31 an acht Standorten. "Wenn man es mal auf Deutsch sagt, sind diese Arbeitsgelegenheiten ja Punkte gewesen, um Menschen, die der Arbeitsmarkt nicht gebraucht hat, irgendwie zu parken und ihnen eine sinnvolle Tätigkeit zu geben." Aber der Arbeitsmarkt habe sich gewandelt. "Wir wollen die Menschen auf den ersten Arbeitsmarkt kriegen. Wir müssen keine Menschen mehr parken, weil wir zu viele Arbeitslose haben."
SPD-Fraktion in Schwerin lehnt Stadtvertreter-Beschluss ab
Die Vorsitzende der SPD-Fraktion in der Stadtvertretung, Mandy Pfeifer, hält eine Umsetzung des Stadtvertreter-Beschlusses für nicht durchführbar. Im SGB II wurden die Arbeitsgelegenheiten für Bürgergeldempfänger laut Pfeifer erschwert. Für Asylbewerber sei dieses Instrument möglich und werde auch bereits auf freiwilliger Basis umgesetzt. Aber "alles, was zu einer Verpflichtung führt, führt zu Verwaltungsakten und Bürokratiemonstern", so Pfeifer. "Ich finde das falsch, deshalb hat meine Fraktion das auch abgelehnt".
CDU-Landeschef Peters: "Wer arbeiten kann, der sollte auch arbeiten"
Ganz anders sieht das CDU-Landeschef Daniel Peters. "Ich finde das völlig in Ordnung, die Botschaft ist doch ganz klar: 'Wer arbeiten kann, der sollte auch arbeiten'". Seiner Ansicht nach sollten "diejenigen, die jetzt zu uns kommen" frühestmöglich "mit Arbeit in Verbindung gebracht werden," so Peters. "All das, was wir an sozialen Leistungen erleben und genießen dürfen, basiert darauf, dass andere arbeiten". Deswegen halte er den Beschluss der Stadtvertretung in Schwerin "für eine gute Idee".
Arbeitsmarktforscher: "Ein Instrument, das entweder nichts nützt oder eher schadet"
Arbeitsmarktforscher Prof. Herbert Brücker aus Nürnberg sieht wenig Nutzen im arbeitsmarktpoltischen Instrument "Arbeitsgelegeheiten" für Flüchtlinge. Die Frage müsse sein, wie finden wir Wege, diese Menschen möglichst schnell in den Arbeitsmarkt zu führen. "In der Arbeitsmarktforschung glauben wir nicht, dass 'Arbeitsgelegenheiten' der schnellste Weg sind. Eigentlich ist es ein Umweg. (...) Wir wollen ja eigentlich die Menschen im ersten Arbeitsmarkt haben, wo sie vernünftig Geld verdienen und das sind eben gerade nicht Beschäftigungstherapien und Arbeitsgelegenheiten, die einen relativ geringen Nutzen haben."
"Beschäftigungstherapie" statt Sprachkurs und Jobsuche?
In Bezug auf Flüchtlinge eröffne das Asylbewerberleistungsgesetz zwar grundsätzlich die Möglichkeit, Menschen zur Arbeit zu verpflichten und ihnen Teile der Leistungen zu entziehen, wenn sie dem nicht nachkommen, so Brücker. Es müsse allerdings "sinnvoll" sein "- und darin liegen bestimmte Gefährdungspotenziale. Denn wir wollen, dass die Menschen eigentlich in Sprachkurse und Integrationskurse gehen – und es wäre Gift, wenn wir die Menschen von der Arbeitssuche fernhalten." Außerdem kostet es den Staat Geld. Brücker sagt, die Menschen in Arbeitsgelegenheiten müssten betreut und beaufsichtigt werden, die Kommunen müssten die Gelder dafür bereitstellen. "Das ist also auch keine Maßnahme, die besonders günstig wäre. Und wenn die Menschen dann länger Transferleistungen beziehen, dann hat der Staat natürlich einen Nachteil." Insgesamt "können wir uns eigentlich nicht leisten, in Zeiten von Arbeitskräftemangel, dass wir Menschen anderweitig beschäftigen." Es sei viel besser, wenn die Menschen im ersten Arbeitsmarkt tätig sind "- da, wo wir sie wirklich brauchen."