Neue Kita-Studie sorgt für handfesten Streit in MV

Stand: 04.12.2024 17:05 Uhr

Wie sind die Ergebnisse der neuen Bertelsmann-Kita-Studie zu bewerten? Die Gewerkschaft GEW widerspricht Aussagen von Bildungsministerin Simone Oldenburg (Die Linke).

von Wolfram Dietrich

Es ist ein zentraler Punkt in jeder Kita: Es sollten eigentlich genug Fachkräfte dort arbeiten, die eine bestimmte Anzahl an Kindern betreuen. Allerdings sieht die Realität oft anders aus. In den vergangenen sieben Jahren hat sich im Nordosten etwas verändert. Die Fachkraft-Quote in den Kitas sinkt: von damals 90 Prozent auf 74 Prozent im vergangenen Jahr. Damit steht Mecklenburg-Vorpommern laut neuer Bertelsmann-Studie im bundesweiten Vergleich zwar noch ganz gut da, allerdings zeigt sich der Trend deutlich: es kommt immer mehr Personal in die Horte und Kindergärten, welches nicht die formalen pädagogischen Voraussetzungen mitbringt.

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Nicht kindgerecht

Die Bertelsmann-Stiftung forscht seit 17 Jahren über Kitas und die Betreuung und auch in der neuen Studie kommt sie zu dem Ergebnis: Fast 95 Prozent der Kinder in Kitas in Mecklenburg-Vorpommern befinden sich in Gruppen mit nicht kindgerechten Personalschlüsseln. Das ist der bundesweit höchste Anteil und daran habe sich in den vergangenen Jahren kaum etwas verändert. Der Personalschlüssel in Krippengruppen lag 2023 statistisch bei 1 zu 5,6. In den Kindergartengruppen lag er bei 1 zu 12,1. Die Empfehlungen der Bertelsmann-Stiftung sehen Schlüssel von 1 zu 3, bzw. 1 zu 7,5 als ideal an.

Folgen für die Kinder

Die Bertelsmann-Stiftung sieht viele Nachteile für die Kinder - unter anderem in ihrer sprachlichen Entwicklung. Diese werde beeinträchtigt, weil sich zum Beispiel in größeren Gruppen mit zu wenig geschultem Personal die Kommunikation zu wenig in direkten Gesprächen mit einem einzelnen Kind abspiele. Erzieherinnen und Erzieher müssten bei einer größeren Kinderzahl eher Anweisungen an die ganze KITA-Gruppe richten, so Kathrin Bock-Famulla, Expertin bei der Stiftung für die frühkindliche Bildung.

Folgen für Kitas und Beschäftigte

Die Studie sieht weitere Gefahren in dieser Entwicklung: für die Kitas - nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern - werde es zunehmend schwieriger, ihren Bildungsauftrag zu erfüllen und die Betreuung auch wieder kindgerechter zu gestalten. Und für das Personal sieht es auch nicht gerade rosig aus: wenn Kitas dauerhaft unterbesetzt sind, steigt das Risiko von Überlastung. Das zeigt eine begleitende Untersuchung der Universität Gießen. Nicht einschlägig ausgebildete Mitarbeitende bedeuteten zunächst zusätzlichen Aufwand, das könne zu zusätzlichen Belastungen führen. Dies sei nur in Notsituationen vertretbar, dürfe aber nicht zu einem dauerhaften Absenken der Fachkraft-Quote führen. Allerdings zeige sich jedoch genau diese Tendenz in Mecklenburg-Vorpommern, so Kathrin Bock-Famulla von der Bertelsmann-Stiftung.

Bildungsministerium weist Kritik zurück

Bildungsministerin Simone Oldenburg sieht das alles ganz anders. Sie ist der Meinung, die Berechnungen in der Studie seien falsch. Es würden alle Kinder in den Kitas im Land gebildet, gefördert und betreut. Das Land könne den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ab dem ersten Lebensjahr umsetzen - im Gegensatz zu anderen Bundesländern. Das pädagogische Personal sei in multiprofessionellen Teams vielfältig zusammengesetzt und das sei ein großer Gewinn. Oldenburg sagte: "Uns ist es gelungen, das Qualifikationsniveau des gesamten pädagogischen Personals zu steigern und zu spezialisieren. Mehr junge Menschen absolvieren ihre Ausbildung an Hochschulen. So hat sich beispielsweise allein die Zahl der staatlich anerkannten Kindheitspädagoginnen und -pädagogen mit Hochschulabschluss seit 2014 nahezu verdreifacht."

GEW reagiert verwundert auf Aussagen der Bildungsministerin

Die Erzieher-Gewerkschaft GEW reagiert ganz anders. Die Zahlen der Studie müssten ein Warnsignal sein. Es sei Fakt, dass der Anteil der Fachkräfte mit einer einschlägigen pädagogischen Ausbildung in den Kitas seit 2017 kontinuierlich sinke. "Er liegt in vielen Einrichtungen mittlerweile deutlich auch unter den von der AG Frühe Bildung empfohlenen Werten", erklärt die stellvertretende GEW-Landesvorsitzende, Ulrike von Malottki. Anders als vom Bildungsministerium dargestellt, beziehen sich die Studiendaten "ausschließlich auf das pädagogisch tätige Personal. Vielmehr habe die Ministerin Oldenburg andere Berufsgruppen in ihre Statistik eingerechnet, wie Hebammen oder Physiotherapeutinnen und -therapeuten und rechtfertige so ihren hohen Fachkräfteanteil. Und weiter: "Mit multiprofessionellen Teams hat dies nichts zu tun", sagt von Malottki. Diese Beschäftigten arbeiteten in den Kitas nicht in ihren Berufen und ergänzten damit inhaltlich die Arbeit. Sie würden damit fehlende pädagogisch ausgebildete Fachkräfte ersetzen.

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Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 04.12.2024 | 19:30 Uhr

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