Der Speicherchip einer elektronischen Gesundheitskarte. © picture alliance / Zoonar | stockfotos-mg
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AUDIO: Gesundheitskarte für Asylsuchende lässt auf sich warten (3 Min)

Gesundheitskarte für Asylsuchende lässt auf sich warten

Stand: 13.10.2024 06:41 Uhr

Mitte September sollte es so weit sein: Innenministerium und Krankenkassen in Mecklenburg-Vorpommern hatten vereinbart, eine digitale Gesundheitskarte für Asylsuchende einzuführen. Bisher wird jedoch keine einzige Karte genutzt.

von Carolin Kock

Vor jedem Arztbesuch müssen sich Asylsuchende bisher eine schriftliche Bescheinigung vom Sozialamt holen. Anschließend muss die Behandlung über die Gesundheitsämter abgerechnet werden. Eine digitale Gesundheitskarte soll alles vereinfachen: Mit ihr werden die medizinischen Behandlungen der Asylsuchenden im Nachhinein über den Leistungskatalog der Krankenkassen abgerechnet. Das Land Mecklenburg-Vorpommern hofft, damit langfristig Verwaltungsaufwand und -kosten zu sparen, so zumindest die Theorie. In der Praxis läuft aber alles noch wie bisher.

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Ein Mann hält beim Telefonieren eine Gesundheitskarte in der Hand. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa Foto: Karl-Josef Hildenbrand

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Kreise und Krankenkassen verhandeln Details

Schon im März 2023 hatte der Landtag in Schwerin die Einführung einer solchen Gesundheitskarte beschlossen. Mit Rückendeckung der Landkreise und kreisfreien Städte hatten dann Ende August dieses Jahres Innenministerium und Krankenkassen vereinbart, sie einzuführen. Zeitnah sollte die Gesundheitskarte für zunächst 7.200 Asylsuchende angemeldet und bereits zwei Wochen später ausgegeben werden.

Gesundheitskarte scheitert an der praktischen Umsetzung

Doch offenbar scheitert es derzeit an der praktischen Umsetzung. Aus dem Landkreis Ludwigslust-Parchim heißt es, es müssten noch Details mit den Krankenkassen geklärt werden, es soll jedoch noch in diesem Jahr losgehen. In Schwerin könnte die Gesundheitskarte im November kommen, Landkreis und auch die Stadt Rostock haben sich den Jahreswechsel vorgenommen. Wenn die Gesundheitskarte kommt, dann regional also sehr unterschiedlich.

Landkreise fürchten zusätzliche Kosten

Auch zusätzliche Verwaltungskosten sind für einige Landkreise ein Grund, die Gesundheitskarte vorerst nicht einzuführen. Für die Abrechnung sollen die Krankenkassen jeweils acht Prozent der Behandlungskosten bekommen. Diese acht Prozent sollen zunächst die Kommunen zahlen - sie müssen dafür in Vorleistung gehen.

Mecklenburgische Seenplatte bricht Planung ab

Laut Innenministerium können diese Kosten in den kommenden zwei Jahren über den Finanzausgleich zwischen Land und Kommen geltend gemacht werden. Doch nicht allen Kommunen reicht diese Aussage offenbar aus. So hatte sich der flächenmäßig größte Landkreis Mecklenburgische Seenplatte Ende August noch für die Gesundheitskarte ausgesprochen. Der Kreis rechnet nun aber mit Extra-Kosten von rund 400.000 Euro und hat deshalb vorerst alle Planungen abgebrochen. Aus dem Landkreis Vorpommern-Greifswald heißt es ebenfalls, dass die Kosten der Gesundheitskarte eine zusätzliche Belastung für den Haushalt des Landkreises seien.

Neben der Kostenfrage nennen die Landkreise auch weitere Gründe, die für sie gegen die Gesundheitskarte sprechen. Laut dem Landrat von Nordwestmecklenburg, Tino Schomann (CDU), sollen die Ärztinnen und Ärzte seines Gesundheitsamtes "die Asylbegehrenden mit deren gesundheitlichen Nöten selbst im Blick behalten können". Schomann sieht den durch das Land erhofften Synergieeffekt nicht. Vorpommern-Rügens Landrat Stefan Kerth (parteilos) befürchtet, dass die Zahl der medizinischen Behandlungen der Asylsuchenden durch die Gesundheitskarte steige. Das Gesundheitswesen werde damit zum sogenannten "Pull-Faktor", der Migration begünstige.

Innenministerium sieht Vorteile

Das Innenministerium widerspricht diesen Argumenten: Ein Vorteil der Gesundheitskarte liege darin, dass die Ärztinnen und Ärzte am besten wüssten, welche Behandlungen angemessen seien - und die Krankenkassen wüssten am besten, welche Leistungen abgerechnet werden können. Man gehe deshalb nicht davon aus, dass Asylsuchende häufiger zum Arzt gehen oder dass Behandlungen bezahlt werden, die gar nicht notwendig sind.

Innenministerium zuversichtlich bei Umsetzung

Da die Vereinbarung mit den Krankenkassen auf dringenden Wunsch einiger Landkreise und kreisfreien Städte erfolgte, sei das Innenministerium zuversichtlich, dass die noch nicht beigetretenen Landkreise die gebotene Chance noch ergreifen werden. Sollte das jedoch nicht passieren, bleibt ein Teil des Verwaltungsaufwands trotzdem bestehen: Denn ein Asylsuchender, der zum Beispiel im Landkreis Rostock lebt und eine Gesundheitskarte hat, braucht dann weiterhin eine Bescheinigung für einen Facharzttermin in Greifswald.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 13.10.2024 | 12:00 Uhr

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Gesundheitspolitik

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