Mit Tracking-Apps gestohlene Sachen orten: Was ist erlaubt?

Stand: 29.11.2024 15:15 Uhr

Immer mehr Menschen nutzen auf ihrem Handy eine Tracking-App, mit der sie Gegenstände orten. Das kann beispielsweise ein Handy, Kopfhörer, ein Fahrrad oder ein Reisekoffer sein. Wie sollte man vorgehen, wenn man den Standort eines gestohlenen Wertgegenstandes kennt?

von Marc-Oliver Rehrmann

Für Anina Pommerenke ist es ein Schreck am frühen Morgen gewesen. Auf dem Weg zur Arbeit bemerkt die Hamburgerin, dass ihre Kopfhörer nicht wie gedacht in der Handtasche liegen. Sosehr sie auch sucht, die AirPods von Apple im Wert von mehr als 200 Euro sind nicht zu finden. Immerhin: Die NDR Journalistin hat auf ihrem Smartphone eine App, mit der sie unauffindbare Gegenstände orten kann. Was ihr Handy anzeigt, erstaunt sie noch mehr: Die Kopfhörer sollen sich etliche Kilometer entfernt in einer Gegend befinden, in der sie lange nicht mehr war. Wie sind die Kopfhörer dorthin gelangt? Es ist ihr ein Rätsel. Bald fällt ihr ein: Sie könnte die Kopfhörer am Vorabend in einem Mietauto liegengelassen haben. Die Tracking-App führt sie schließlich zu einem großen Bürohaus in der Hamburger Innenstadt. Dort kommt sie mit ihren Nachforschungen nicht weiter.

Erst die Anzeige, dann ermittelt die Polizei

Daraufhin ruft Pommerenke bei der Polizei an und fragt, wie sie weiter vorgehen soll. Der Rat der Polizei: eine Anzeige gegen unbekannt stellen. Dann erst kann die Polizei in dem Fall ermitteln. Also gibt Pommerenke eine Anzeige auf. Am Abend bemerkt sie, dass die Kopfhörer nun in einem ganz anderen Viertel geortet werden. Sie beschließt, am folgenden Tag dort nachzuschauen. Aus Sorge, dass die Kopfhörer bald nicht mehr zu orten sind.

Das Tracking ist so genau, dass sie das Gebäude ausfindig machen kann, in dem die Kopfhörer liegen. Es ist ein Wohnhaus mit mehreren Etagen. Sie klingelt und bittet, in den Hausflur gelassen zu werden, weil sie ihre Kopfhörer sucht. Im Treppenhaus kann sie über ihre App die Kopfhörer zum Piepen bringen. Das akkustische Signal hört sie schließlich durch eine Wohnungstür. Als sie dort klingelt, öffnet eine Frau und händigt ihr bereitwillig die Kopfhörer aus. Sie habe die Kopfhörer im Mietwagen gefunden, so behauptet die Frau. Sie habe auch die Mietwagen-Firma über den Fund informiert, aber dort habe man ihr nicht weitergeholfen - aus Datenschutz-Gründen.

AirTags, Smart Tags und Co.: Wie funktioniert das Tracking?

AirPods, AirTags oder vergleichbare Produkte wie Smart Tags lassen sich nur tracken, wenn sich ein Smartphone in der Nähe befindet. Wird hingegen beispielsweise ein Autoschlüssel beim einsamen Spaziergang im Wald verloren, ist er nur schwerlich über ein AirTag oder Smart Tag zu finden. Denn die kleinen Ortungsgeräte selbst sind nicht mit dem Internet oder dem Mobilfunknetz verbunden, sie senden lediglich ein Bluetooth-Signal aus. Erst wenn ein Smartphone in der Nähe dieses Bluetooth-Signal empfängt und die Information über den Standort des gesuchten Gegenstandes in die iCloud von Apple oder in das Netzwerk von Google weitergibt, kann das Tracken per App funktionieren. Eine andere Möglichkeit, Gegenstände zu finden, sind GPS-Tracker. Das sind kleine Geräte, die GPS-Signale oder Wi-Fi verwenden, um die präzise Position eines Objekts zu bestimmen. 

Polizei warnt: Bloß nicht in Gefahr begeben

Eine Frau hält ein Smartphone in der Hand, auf dem eine Tracking-App geöffnet ist. © NDR Info Foto: Marc-Oliver Rehrmann
Dass Menschen Tracking-Apps nutzen, um Wertgegenstände wiederzufinden, ist laut Polizei ein Massen-Phänomen.

Für Pommerenke ist es ein Happy End: Sie hat ihre wertvollen Kopfhörer wieder. Aber war ihr Vorgehen richtig? Nein, sagt die Polizei. Sie rät dringend davon ab, auf eigene Faust zu ermitteln. "Auch wenn verlorene oder gestohlene Gegenstände getrackt werden können: Wir empfehlen definitiv nicht, solche Orte alleine aufzusuchen", sagt Anastasia Polonewicz von der Polizei Hannover auf Anfrage von NDR Info. Es sei völlig unklar, wie die ertappte Person reagiert. "Wenn man sich in eine solche Situation begibt, kann das auf verschiedene Art und Weise enden. Das kann zwar ein nettes Gespräch an der Tür sein, aber auch zu Körperverletzungsdelikten führen oder zu Straftaten, die man selber aus Unwissenheit begeht", sagt die Polizeisprecherin. Denkbar sei zum Beispiel Hausfriedensbruch, wenn man sich weigert zu gehen, einen Fuß in die Tür stellt oder gar die Wohnung betritt, um sich den getrackten Wertgegenstand herauszuholen.

Der beste Weg sei auf jeden Fall, Anzeige zu erstatten und die Ermittlungen der Polizei zu überlassen, so Polonewicz. "Eine Anzeige kann auf verschiedenen Wegen aufgegeben werden: entweder über die Online-Wache, in einer Polizei-Wache vor Ort oder telefonisch.

Je genauer das Tracking, umso besser

Auch die Polizei Hamburg rät dringend von Selbstjustiz ab. Wer einen entwendeten Gegenstand mittels Ortung lokalisieren kann, sollte diese Erkenntnis umgehend dokumentieren und ohne zeitlichen Verzug die Polizei über den Notruf verständigen. Eine generelle Aussage zu möglichen Maßnahmen der Polizistinnen und Polizisten vor Ort sei nicht möglich. "Klar ist aber: Die alarmierten Streifenwagen-Besatzungen werden die notwendigen Informationen aufnehmen und alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um das Diebesgut aufzufinden", teilt die Polizei Hamburg mit. "Je genauer der Ortungspunkt konkretisiert werden kann, desto mehr Möglichkeiten bieten sich den Einsatzkräften in der Regel vor Ort."

Mehrfamilienhäuser sind ein schwieriger Fall

Wie die Polizei vorgeht, hängt auch davon ab, ob es sich um Ein- oder Mehrfamilienhaus handelt. "Bei einer Ortung im Einfamilienhaus lässt sich das zu durchsuchende Objekt konkret bestimmen. Insofern ist die Einholung eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses angezeigt", so die Polizei Hamburg. In einem Mehrfamilienhaus lasse es sich schwieriger oder gar nicht feststellen, in welcher Wohnung sich der Gegenstand befindet. "Hier könnte zum Beispiel ergänzend der abzuspielende Signalton eines AirTags weiterhelfen, was jedoch erheblich von der Größe des Hauses abhängig ist. Beim Abspielen des Signaltons ist es jedoch dem Zufall geschuldet, dass dieser im Treppenhaus auch wahrgenommen werden kann."

"Das Tracking von Diebesgut ist ein Massen-Phänomen"

Jan Reinecke kann von sehr vielen Fällen erzählen, in denen Menschen gestohlene Dinge ohne Zutun der Polizei aufspüren - dank Tracking per Smartphone. "Das ist inzwischen ein Massen-Phänomen", sagt Reinecke. Er ist der Landesvorsitzende beim Bund Deutscher Kriminalbeamter in Hamburg. Vielfach geht es um gestohlene Handys, Kinderwagen, Fahrräder oder auch Fahrrad-Anhänger. "Heute bekommt man GPS-Tracker ja schon für wenig Geld, deswegen sind sie so weit verbreitet." Die Hamburger Polizei habe zu wenig Personal, um allen Fällen gerecht zu werden. "Wir haben gar nicht die Ressourcen, um dem nachzugehen", so Reinecke. Er nennt ein Beispiel: Um bei einem ausreichenden Verdacht die Durchsuchung einer Wohnung zu beantragen, sei ein "wahnsinniger Aufwand" nötig. "Und dann muss die Polizei eben überlegen, ob dieser Aufwand im Verhältnis zu ein Paar Kopfhörern steht", macht Reinecke deutlich.

Auch Fundunterschlagung ist eine Straftat

Im konkreten Fall der per Tracking-App aufgespürten Kopfhörer gibt es für die Finderin möglicherweise ein Nachspiel. Die Polizei ermittelt weiter gegen die Frau. Die Frage lautet: Handelt es sich um Fundunterschlagung? Auch das ist eine Straftat. Als Finder darf man einen verlorenen Gegenstand, der einen Wert von 10 Euro überschreitet, nicht einfach behalten. "Grundsätzlich habe ich als Finder von Wertgegenständen Pflichten", erklärt Polizeisprecherin Polonewicz. "Man kann die Fundsache zum Fundbüro bringen oder bei der Polizei abgeben." Bestimmte zeitliche Fristen dafür gebe es nicht. "Es ist immer eine Einzelfall-Entscheidung. Aber es sollte in einer lebensnahen Betrachtung zeitnah passieren", so die Polizistin. Eine Fundsache über mehrere Tage oder gar Wochen zu Hause liegen zu haben, kann problematisch werden.

Finderlohn soll ein Anreiz sein

Das Gute daran, wenn man einen gefundenen Gegenstand im Fundbüro oder bei der Polizei abgibt: Der Finder oder die Finderin kann Finderlohn verlangen. Bei einem Wert von bis zu 500 Euro stehen einem fünf Prozent des Wertes zu. Bei Kopfhörern im Wert von 200 Euro wären es also 10 Euro. Und es kann noch besser kommen: Wenn sich der Eigentümer oder die Eigentümerin des Gegenstandes innerhalb von sechs Monaten nicht meldet, hat der Finder oder die Finderin sogar Anspruch auf die Fundsache. Sprich: Man darf den Gegenstand dann behalten.

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NDR Info | NDR Info | 29.11.2024 | 15:00 Uhr

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