Ehrenamt: Freiwillige Feuerwehr und THW plagen keine Nachwuchssorgen
Fast 29 Millionen Menschen in Deutschland engagieren sich ehrenamtlich. Viele Bereiche des öffentlichen Lebens würden ohne sie nicht funktionieren - deshalb gibt es heute den Internationalen Tag des Ehrenamtes. Über besonders viel Nachwuchs freuten sich zuletzt vor allem Freiwillige Feuerwehr und Technisches Hilfswerk.
Kleine Flüsse und Bäche werden zu reißenden Strömen, die teils ganze Ortsteile oder Landschaften unter Wasser setzen: Das Weihnachtshochwasser 2023 hat in Nord- und Mitteldeutschland für Schäden in Höhe von rund 200 Millionen Euro gesorgt. Dass diese Summe nicht noch viel höher ausfiel, ist auch Tausenden ehrenamtlichen Helfern des Technischen Hilfswerks (THW), der Freiwilligen Feuerwehren sowie engagierten Nachbarn zu verdanken, die während der Weihnachtsfeiertage und auch noch bis in die ersten Januar-Tage 2024 Sandsäcke befüllt, transportiert und am Deich und vor Hauseingängen gestapelt haben.
Vom einmaligen Einsatz zum Ehrenamt
Einer von ihnen war Jonas Böhm, der zusammen mit seiner Familie und Freunden in der Gemeinde Schladen südlich von Braunschweig mit Sandsäcken die Wassermassen des Flusses Oker im Zaum gehalten hat. Statt gemütlicher Festtage galt es für den heute 30-Jährigen, mit anzupacken, um im Elternhaus und den Häusern in der Nachbarschaft Schlimmeres zu verhindern. Die Gemeinschaft vor Ort hat den gelernten Landwirt dazu bewegt, sich auch abseits von Ausnahmesituationen vor der eigenen Haustür für das Gemeinwohl zu engagieren. "Dieses Miteinander, zusammen eine Situation zu überstehen, fand ich sehr schön", sagt Böhm. Neben der Promotion am Thünen-Institut für Betriebswirtschaft in Braunschweig und seiner Tätigkeit als Übungsleiter im Sportverein suchte Böhm nach einer Möglichkeit, sich ehrenamtlich zu engagieren. Er fand sie schließlich beim Technischen Hilfswerk, wo er seit diesem Oktober seine Grundausbildung absolviert.
"Generell war mir überhaupt nicht bewusst, wie viele Bereiche im öffentlichen Leben durch das Ehrenamt abgedeckt werden", sagt Böhm. Ob die Johanniter, die am Wochenende bei den Fußballspielen im Stadion dabei sind, oder eben die zahlreichen Einsatzbereiche des THW. "Als ich realisiert habe, dass meine Hilfe dort auch wirklich gefragt ist, war für mich klar, dass ich das durchziehen und meine Freizeit dafür investieren möchte", sagt er. Besonders die vielen technischen Aspekte und die mögliche Hilfe für die Bevölkerung bei einem größeren Katastrophenereignis reizen ihn bei seinem neuen Ehrenamt - und auch die Gemeinschaft. "Das Wichtigste beim THW ist, dass wir im Team zusammenarbeiten."
Immer mehr Einsatzkräfte für das THW
Deutschlandweit engagieren sich aktuell rund 88.000 Ehrenamtliche beim Technischen Hilfswerk. Ein Plus von rund zehn Prozent im Vergleich zu 2019. In den norddeutschen Landesverbänden sind aktuell rund 18.000 Ehrenamtliche aktiv. Von Nachwuchssorgen ist das THW folglich nicht geplagt. Dass das so ist, hat vermutlich auch mit den immer häufiger auftretenden Katastrophen in Deutschland und der Welt zu tun. "Wir beobachten durchaus Anstiege durch große Einsätze", sagt Emanuel Jaschko, Pressesprecher des THW Landesverbands Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein. Auch durch Auslandseinsätze der Helferinnen und Helfer mit der blauen Einsatzkleidung und den gelben Helmen würden vermehrt Menschen auf das THW aufmerksam.
Stetigen Nachwuchs kann das THW jedoch auch gut gebrauchen: 98 Prozent der Mitarbeiter des THW sind Ehrenamtliche, lediglich zwei Prozent sind hauptamtlich Beschäftigte. Attraktiv sei eine Tätigkeit beim Technischen Hilfswerk vor allem durch die vielfältigen Einsatzbereiche, sagt Jaschko. Die Ehrenamtlichen sind unter anderem bei der Rettung nach Erdbeben, bei der Hochwasserbekämpfung sowie der technischen Hilfe bei der Instandhaltung der Infrastruktur tätig. Aufgaben und Herausforderungen, die auch immer mehr weibliche Mitglieder ansprechen. Im Landesverband von Jaschko liegt der Frauenanteil bei bis zu 30 Prozent.
Kinder und Jugendliche stürmen die Freiwilligen Feuerwehren
Ohne große Nachwuchssorgen sind auch die Ortsverbände der Freiwilligen Feuerwehren. Seit 2020 hat sich die Mitgliederzahl im Kinderbereich deutschlandweit von mehr als 28.000 auf über 90.000 im vergangenen Jahr mehr als verdreifacht. Im Jugendbereich lag der Zuwachs in diesem Zeitraum bei gut neun Prozent - von rund 242.000 auf mehr als 266.800. "Wir müssen wirklich keine große Werbung machen, dass es die Freiwillige Feuerwehr gibt", sagt Lennart Kutzner, Bildungsreferent bei der niedersächsischen Jugendfeuerwehr. Allein sein Landesverband zählt aktuell rund 55.000 Kinder und Jugendliche.
Den stetigen Zuwachs im Nachwuchsbereich begründet Kutzner unter anderem durch die große Sichtbarkeit der Freiwilligen Feuerwehr in den Ortschaften. Und durch die deutsche "Kinderbuchromantik". Bereits im Kleinkindalter sei die Feuerwehr omnipräsent. "Wer Mitglieder in einem Kulturverein oder einer Theatergruppe anwerben will, muss vor Ort schon eine ganz andere Aufmerksamkeit generieren", sagt Kutzner. Weiterer wichtiger Faktor für das Ehrenamt seien aber auch Vorbilder aus dem Familien- oder Freundeskreis. 30 seiner 40 Lebensjahre ist Kutzner bereits selbst bei der Feuerwehr ehrenamtlich aktiv. Die Tätigkeit bekam er durch seinen Vater, der als Stadtjugendfeuerwehrwart aktiv war, quasi in die Wiege gelegt. Und auch Kutzners sechsjährige Tochter ist bereits in der Kinderfeuerwehr. Ähnlich wie beim Technischen Hilfswerk ist auch der Nachwuchs bei der Freiwilligen Feuerwehr in Niedersachsen immer diverser. Im Kinderbereich liegt der Anteil der Mädchen mittlerweile bei 40 Prozent, im Jugendbereich sind es 32,5 Prozent und bei den erwachsenen Frauen in der sogenannten Einsatzabteilung rund 15 Prozent.
Ehrenamt auch wichtig für sozialen Zusammenhalt
Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen bei der Freiwilligen Feuerwehr sei mehr als nur die Vermittlung der grundlegenden Lösch- und Hilfsarbeiten. "Ein Kollege von mir nennt dabei gerne immer das Beispiel von zwei Kopfbedeckungen, die im Spind sind. Die eine ist der Helm, wenn es darum geht, Schläuche auszurollen und zu löschen. Die andere ist die Kappe, die sinnbildlich für soziale Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen steht." Abseits der technischen Fertigkeiten werde somit auch viel im sozialen Bereich getan.