Stand: 06.07.2014 18:30 Uhr

Nord-Unis profitieren von Militärprojekten

Das Bundesverteidigungsministerium hat die Ausgaben für Rüstungsforschung an Hochschulen und öffentlichen Forschungseinrichtungen in den vergangenen Jahren mehr als verdoppelt. Nach Informationen von NDR Info und "Süddeutscher Zeitung" gehören norddeutsche Universitäten zu den Hauptprofiteuren.

von Arne Meyer und Benedikt Strunz, NDR Info

Hauptgebäude der Universität Hannover im ehemaligen Welfenschloss © imago Foto: Günter Schneider
Spitzenreiter: Die Leibniz Universität in Hannover erhielt mehr als 5,8 Millionen Euro aus dem Verteidigungsministerium.

Deutsche Wissenschaftler haben in den vergangenen Jahren im Auftrag des Verteidigungsministeriums an insgesamt 700 Projekten gearbeitet. So steht es in einer vertraulichen Antwort auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linken. Es geht um Aufträge, die das Ressort seit 2010 vergeben hat. Darunter finden sich Aufträge zur Forschung an Drohnen, intelligenter Munition und Handfeuerwaffen. Das Gesamtvolumen beträgt 390 Millionen Euro. Der Großteil davon ging an außeruniversitäre Einrichtungen wie etwa die Fraunhofer-Gesellschaft. Knapp 30 Millionen Euro landeten allerdings auch an deutschen Hochschulen. Verglichen mit dem Zeitraum 2000 bis 2010 - für diese Jahre liegen die bislang letzten vertraulichen Zahlen dieser Art vor - ist das mehr als eine Verdopplung.

Militärforschung an öffentlichen Hochschulen: Ein "Kurswechsel"

Für Nicole Gohlke, hochschulpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Deutschen Bundestag, markiert das einen Kurswechsel, denn früher habe militärische Forschung vermehrt an Bundeswehreinrichtungen stattgefunden. Heute versuche man "wirklich an die öffentlichen Einrichtungen zu gehen, die mit Steuergeldern finanziert werden, das ist eine neue Entwicklung", so Gohlke.

Das sieht nicht nur die Linken-Politikern so. Für Reiner Braun, bis vor Kurzem Geschäftsführer der rüstungskritischen Vereinigung Deutscher Wissenschaftler mit Sitz in Berlin, sind diese neuen Zahlen sogar ein Beleg dafür, dass Rüstungsforschung in der deutschen Wissenschaft kein Randphänomen mehr ist. Denn noch immer sei der genaue Forschungsumfang unklar, so Braun: "Wir wissen, dass es noch eine ganze Reihe von weiteren Finanzierungen aus der Rüstungsindustrie gibt." Diese Dynamik sei besorgniserregend, so Braun.

Niedersachsen und Schleswig-Holstein oben auf der Liste

Aber hinter dieser Liste steckt noch viel mehr. So hat eine Auswertung ergeben, dass die meisten Forschungsgelder des Bundesverteidigungsministeriums seit 2010 nach Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Schleswig-Holstein gegangen sind. Mit einem Anteil von mehr als 5,8 Millionen Euro erhielt die Gottfried-Wilhelm Leibniz Universität Hannover seit 2010 am meisten Geld aus dem Verteidigungsetat, gefolgt von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (mehr als 3 Millionen Euro) und der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg (mehr als 2,2 Millionen Euro). Insgesamt haben 41 deutsche Hochschulstandorte von Zuwendungen des Ressorts profitiert. Darunter auch Standorte mit einer Zivilklausel, nämlich Tübingen, Konstanz, Frankfurt am Main, Göttingen und Rostock. In Rostock beschäftigte sich ein Forschungs-Projekt beispielsweise mit dem Erkennen von Wasserminen. Der Rüstungskritiker Jürgen Altmann von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft fordert nun, dass die betroffenen Universitäten offenlegen, um welche Projekte es sich genau handelt. "Wenn Universitäten eine Zivilklausel haben, müssen sie genau darlegen, ob diese Projekte da reinpassen oder nicht." Im Zweifelsfall solle man bestimmte Projekte ablehnen. 

Bundesregierung mauert

Konkret ging es um die Erforschung unter anderem von Drohnen-Schwärmen, die Feinde verfolgen sollen, um Arbeiten an neuartigen Geschossen, um Roboter und um Funktechnologien, Satelliten und die Interaktion von Menschen und Maschinen.  Kritiker wie Braun bemängeln, dass die Bundesregierung diese Details weiterhin vor der Öffentlichkeit geheim halten will. Denn die Antwort auf die Anfrage der Linken ist als "Verschluss-Sache" eingestuft.  Um einen gesellschaftlichen Dialog darüber zu führen, was an deutschen Unis erforscht werden soll und was dort nichts zu suchen hat, müsse man zunächst einmal Klarheit und Transparenz schaffen, so Braun. Doch damit ist wohl auch in Zukunft nicht zu rechnen. So teilte eine Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums auf NDR Info- und SZ-Anfrage mit, auch weiterhin werde die Bundesregierung militärisch relevante Forschungsaufträge nicht öffentlich machen, da aus der Summe der veröffentlichten Informationen Rückschlüsse auf wehrtechnische Interessensschwerpunkte und damit letztlich Fähigkeitslücken der Bundeswehr gezogen werden könnten.

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Aktuell | 07.07.2014 | 07:08 Uhr

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