An einer Wand hängt eine gerahmte Skizze des verhüllten Reichtages in Berlin. © Kunsthalle Lüneburg
An einer Wand hängt eine gerahmte Skizze des verhüllten Reichtages in Berlin. © Kunsthalle Lüneburg
An einer Wand hängt eine gerahmte Skizze des verhüllten Reichtages in Berlin. © Kunsthalle Lüneburg
AUDIO: "Wrapped": Ausstellung in Lüneburg ehrt Christo und Jeanne-Claude (5 Min)

"Wrapped": Ausstellung in Lüneburg ehrt Christo und Jeanne-Claude

Stand: 23.09.2024 15:42 Uhr

In Deutschland ist das Künstlerpaar Christo und Jeanne-Claude vor allem durch die Verhüllung des Berliner Reichstages im Jahr 1995 bekannt geworden. Die Kunsthalle in Lüneburg zeigt in einer Schau nun Fotografien, Skizzen und Collagen zu diesem und anderen Werken.

von Jon Mendrala

Menschen fast so klein wie Ameisen verlieren sich neben hunderte Meter langen Stegen auf einem See. Oder sie scheinen zu schweben - inmitten endlos wirkender Stoffbahnen. Dann riesige Objekte: Verhüllt und verpackt. Sie wirken luftig - fast, als hätte ein Riese ein Bettlaken oder eine Tischdecke über seinen Nachttisch geworfen.  

Verhüllungskunst von Christo und Jeanne-Claude im Kleinen erlebbar gemacht 

Bekanntes in ganz neuem Gewand - so in etwa lässt sich die Verhüllungskunst von Christo und seiner Frau Jeanne -Claude zusammenfassen. Eine neue Schau in der KulturBäckerei in der Kunsthalle Lüneburg hat sich nun vorgenommen, ihre gewaltige Kunst zusammenzutragen und im Kleinen erlebbar zu machen.

Bunte Fässer stehen im Flur. Mehr als 7.000 davon hatten die Künstler einst zu einer schwimmenden Pyramide auf die Themse gestellt. Judith Fietz von der Kunsthalle Lüneburg beschreibt den künstlerischen Angang so: "Auf der einen Seite wollen wir damit die Monumentalität der Christo-Objekte darstellen. Und wir wollen natürlich Familien mit Kindern auch dieses haptische Erlebnis näher bringen: Wie fühlt sich so ein Stoff an? Wie ist die Schnürung eines Objekts? Es ist einfach eine ganz andere Erfahrung, wenn man einmal die Größe, Form und Materialität zu spüren bekommt." 

Der Stoff, mit dem der Reichstag verhüllt war 

Kleine Stofffetzen, mit denen einst der Reichstag eingeschlagen war, liegen aus. Am Gebäude wirkten sie leicht - hier spürt man die Festigkeit des Materials. Sie wirkt wenig glamourös, sie fühlt sich mehr wie brennfeste Isolierfolie aus dem Baumarkt an.

An den Wänden hängen großflächige Fotos, Collagen und Skizzen. Auch die besagten Verhüllungsmaterialien hat die Kunsthalle Lüneburg zusammengetragen. Für Kurator Steffen Heeckt ist die neue Christo-Ausstellung "Wrapped" auch eine Chance, die Kunst der beiden auch anderen Menschen als kunstaffinen Großstädtern nahe zu bringen. Denn das Künstlerpaar verpackt auch Botschaften, die jeder spüren kann.

Kurator: "Interventionen im gewohnten Umfeld"

Ein Mann und eine Frau stehen in einer großen Halle an einer Säule, die mit grauem Stoff verhüllt ist. © NDR Foto: Jon Mendrala
Auch diese Säule ist "wrapped": Steffen Heeckt und Judith Fietz von der Kunsthalle Lüneburg

"Christo hat im Kleinen angefangen, hat am Anfang mal eine Zeitschrift, eine Statue oder nur wenige Fässer verhüllt - und später dann ganze Gebäude wie den Reichstag oder den Arc de Triomph", erklärt Heeckt. "In erster Linie sind das Interventionen im gewohnten Umfeld. Den Reichstag habe ich als Berliner vielleicht jeden Tag gesehen. Und auf einmal gehe ich dort vorbei und sehe das Gebäude in einem völlig anderen Licht, mit einer völlig anderen Oberfläche." 

In der Lüneburger Kunsthalle sind auch einige Säulen des Ausstellungsraums mit grauen Stoffbahnen verhüllt. Eine Trommel mit rotem Seil steht daneben - fast so, als wäre die Verhüllung noch nicht abgeschlossen.

Projekt Reichstags-Verhüllung: Jede Falte bewusst gelegt  

Bekannt werden die Künstler in Deutschland einem breiten Publikum eben durch dieses Projekt: Kurz vor dem Umzug des Parlaments in die wiedervereinigte Hauptstadt Berlin kleiden sie das Reichstagsgebäude in 100.000 Quadratmeter Stoff. Alles ist akkurat vertäut, jede Falte bewusst gelegt. Das Material besteht aus schwerem Garn: Polypropylen mit einer Aluminium-Beschichtung.

Es ist eine künstlerische Idee, und doch prägte sie eine politische Debatte: Denn mehr als 20 Jahre lang versuchte Christo, die Politik von seinem Vorhaben zu überzeugen. Lange scheint sein Wirken vergeblich, doch schließlich gelingt der Durchbruch: Im Februar 1994 billigt der Bundestag das Vorhaben mit überraschend großer Mehrheit.  

"Die Konservativen wollten das Projekt nicht"

Im Frühjahr 1995 zieht der Anblick der temporären Kunst im öffentlichen Raum zwei Wochen lang Millionen Menschen in den Bann. Dirk Hansen kann sich gut daran erinnern. Denn er war mittendrin: Als Lüneburger Bundestagsabgeordneter der FDP stimmte er dem Antrag zu. Als Dank bekamen er und die anderen Abgeordneten vom Künstler eine handsignierte Original-Skizze. Eben diese hängt nun auch in der Lüneburger Kunsthalle für die Werkschau.

"Die Konservativen wollten das Projekt nicht", erinnert sich Hansen. "Aber Christo und Jeanne-Claude haben nicht locker gelassen. Eines Tages saßen die beiden dann in meinem Büro. Mich musste niemand überzeugen. Ich fand die Idee toll - und auch das Ergebnis."

Die verhüllende Kunst Christos ist kaum denkbar ohne seine Frau Jeanne-Claude, weiß Kurator Steffen Heeckt: "Ohne Jeanne-Claude wären viele dieser Projekte nicht realisiert worden. Denn sie hat im Hintergrund immer den Ansporn gegeben, die Leute kontaktiert und ihn vielleicht auch motiviert, neue Ansätze zu finden." 

Publikum soll in direkten Kontakt den Werken treten 

Es sind auch genau die Kontraste, von denen ihre Kunst lebt: 7.000 bunte Tonnen - aufgeschichtet wie eine Pyramide, mitten in London auf der Themse. Oder hölzerne Pfade über italienische Seen, wie zuletzt 2016, die nur aus der Luft in Gänze erfassbar sind. Ziel des Künstlerpaares war auch immer ein direkter Kontakt des Publikums mit ihren Werken: die Begegnung der Menschen mit der Kunst - im Alltag, im Stadtbild, oder durch das Begehen ihres Kunstwerkes. Diese Wirkung beim Betrachter hält an. Auch Jahre nach dem Tod der beiden Verhüllungskünstler.

"Wrapped": Ausstellung in Lüneburg ehrt Christo und Jeanne-Claude

Die Kunsthalle Lüneburg zeigt Fotografien, Skizzen und Collagen zu den Verhüllungs-Projekten des Künstlerpaares.

Art:
Ausstellung
Datum:
Ende:
Ort:
Kunsthalle Lüneburg
Dorette-von-Stern-Str. 2
21337  Lüneburg
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 24.09.2024 | 07:40 Uhr

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