Ein Mann reitet auf einem weißen Pferd hält ein Degen hoch und   - Ein Bild, gemalt von Franz Gertsch: "Huaa...!" von 1969 © Franz Gertsch AG
Ein Mann reitet auf einem weißen Pferd hält ein Degen hoch und   - Ein Bild, gemalt von Franz Gertsch: "Huaa...!" von 1969 © Franz Gertsch AG
Ein Mann reitet auf einem weißen Pferd hält ein Degen hoch und   - Ein Bild, gemalt von Franz Gertsch: "Huaa...!" von 1969 © Franz Gertsch AG
AUDIO: Meister des Hyperrealismus: Franz-Gertsch-Schau in Hamburg (4 Min)

Meister des Hyperrealismus: Franz-Gertsch-Schau in Hamburg

Stand: 12.12.2024 06:00 Uhr

Am Freitag startet die Retrospektive "Blow Up - Franz Gertsch" des Schweizers in Hamburg. Der Pionier des Fotorealismus und Meister des modernen Holzschnitts starb 2022. Die eindrucksvolle Ausstellung läuft bis Mai 2025.

von Anette Schneider

Die riesigen Porträts passen geradezu perfekt in die gleichfalls riesige und 20 Meter hohe Deichtorhalle. Man schwankt zwischen Faszination und Abwehr, so überwältigend groß sind die Formate: Drei Meter Höhe misst das hyperrealistisch gemalte Trotzgesicht eines jungen Mädchens. 4,20 Meter Breite ein Bild von Patti Smith, das ganz links an den Rand gerückt wurde. Zwei Dschungelbilder füllen eine ganze Wand und scheinen einen verschlingen zu wollen.

68er-Jahre-Generation: Zurück zur Realität

Franz Gertsch (Jahrgang 1930) stand nicht allein mit dieser Art Malerei. Um 1970 begannen KünstlerInnen in den USA und Westeuropa unterschiedliche Formen des Fotorealismus zu entwickeln. "Der reagiert auf die Unverbindlichkeit des abstrakten Expressionismus, des Tachismus, des Informellen, dem was inhaltsleer geworden ist", erklärt Deichtorhallen-Leiter Dirk Luckow. "Man wollte unbedingt zurück zur Realität. Die Realität war damals eben hochspannend! Das war die Zeit nach der 68er-Generation: Die jungen Leute haben die Welt anders gesehen und wahrgenommen und sich entsprechend ausgelebt."

Künstler wie Claudio Bravo, Ralph Goings oder Robert Bechtle brachten spiegelnde Autos, menschenleere Provinzorte oder Ketchupflaschen auf Diner-Tischen im XXL-Format auf Leinwände. Franz Gertsch malte - nach bunten Pop-Art-Szenen, mit denen die Ausstellung eröffnet - Menschen nach eigenen Schnappschüssen: Seine Kinder in der Badewanne, am Meer spielende Roma- und Sinti-Mädchen in Südfrankreich, und immer wieder taucht eine Gruppe junger Männer um den Luzerner Künstler und Punk-Bandgründer Luciano Castelli auf, die zusammen in einer Villa ein Bohémeleben führten. "Mit Geschlechterrollentausch, mit so einem glamourösen, nonkonformistischen Aussteigertum-artigen Lebensstil", erklärt Luckow. "Mit wilden Partys, Verkleidungen, starker Schminke. Und das hat den Franz Gertsch, der eigentlich eine Nummer zu alt für diese Szene gewesen ist, interessiert."

Das Große im Alltag: Bild "Medici" vor Absperrbalken wird berühmt

Eine Gruppe von Menschen in Jeans und Leder gekleidet in den 70er-Jahren vor einem Laden  - Ein Bild, ggemalt von Franz Gertsch: "Medici, 1971-1972" © Franz Gertsch AG Foto: Dominique Uldry, Bern (2020)
Medici, 1971–1972 / dispersion on unprimed canvas, 400 x 600 cm, Copyright: Franz Gertsch AG.

Er verdichtet alltägliche Szenen in zeittypische Momente: Riesengroß sieht man den langhaarigen Luciano mit nacktem Oberkörper und bunten Ketten um den Hals, einen Tisch voller Kippen und leerer Weinflaschen, oder das Bild "Medici", das Gertsch bekannt machte: Fünf junge, lachende Männer hängen lässig über einem Absperrbalken der Baufirma "Medici": Lange Haare, Spiegelbrille, Jeans und Lederjacke, unheimlich cool - und absolut "70er-Jahre"! "Er wollte einfach diese neue Freiheit, die in dieser Szene zum Ausdruck kam, er wollte diese Lebensnähe, die Aufbruchstimmung, das Leben dieser Zeit einfangen", sagt Luckow.

80er-Jahre: Wandel von Malerei zu Holzschnitt

In den 80er Jahren hatte Gertsch die Malerei erst einmal ausgereizt und widmete sich dem Holzschnitt: In gleichfalls fotorealistischer Genauigkeit zeigt er Blicke in den Wald oder auf bewegte Wasseroberflächen. Überraschend und durchaus faszinierend bleiben aber bis heute vor allem seine Bilder der jugendlichen Subkultur, die er auf monumentale Weise ins Bild gerückt und damit kunstwürdig gemacht hat. Doch viele, so Dirk Luckow, hielten das für banal. "Dabei ist nichts zu banal, was einen irgendwie mitnimmt, fesselt, Geist und Seele anspricht, anspornt, über die Dinge nachzudenken. Und vor allem solch einer Epoche der Jugendrevolte, des Aufbegehrens, des Nonkonformismus, dem so eine Bühne zu bieten in der Kunst!"

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Ab Freitag sind ikonische Frauenporträts, überdimensionale Bilder und Holzschnitte des vor zwei Jahren verstorbenen Schweizers in den Deichtorhallen zu erleben.

Art:
Ausstellung
Datum:
Ende:
Ort:
Deichtorstraße 1-2
20095 Hamburg
Telefon:
040/32103-0
E-Mail:
mail@deichtorhallen.de
Öffnungszeiten:
Di -So 11-18 Uhr. Jeden 1. Donnerstag im Monat bis 21 Uhr (ab 18 Uhr freier Eintritt)
1. und 2. Weihnachtsfeiertag 11-18 Uhr, Neujahr 13-18 Uhr. Heiligabend und Silvester geschlossen.
Führungen immer mittwochs, samstags und sonntags, 16 Uhr, sowie jeden 1. Donnerstag im Monat, 18 Uhr
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Dieses Thema im Programm:

Hamburg Journal | 13.12.2024 | 19:30 Uhr

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