Kunsthalle Bremen: Inklusives Team erarbeitet besondere Ausstellung
In der Ausstellung "Kunst fühlen. Wir. Alle. Zusammen." werden Arbeiten von Künstler*innen mit Behinderung aus der historischen Sammlung der Kunsthalle Bremen sowie zeitgenössische Positionen und verschiedene Zugänge zur Kunst präsentiert.
Ein Nachmittag in der Kunsthalle Bremen: Lara Franke, die Referentin für Inklusion, reicht Fotos mit Kunstwerken des Braille-Künstlers Peter Schloss herum. Seit über einem Jahr trifft sich eine inklusive Projektgruppe regelmäßig, um die Ausstellung "Kunst fühlen. Wir. Alle. Zusammen.", die ab Mai in der Kunsthalle zu sehen sein wird, vorzubereiten.
Sie soll nicht nur Arbeiten von zeitgenössischen und historischen Künstlerinnen und Künstlern mit Behinderung zeigen, sondern auch vermitteln, wie Menschen sich mit ihren unterschiedlichen Zugängen Kunst aneignen können. "Wir kümmern uns gemeinsam um die Gestaltung, aber auch die Inhalte der Ausstellung", erläutert Franke. Dass Perspektiven von Menschen mit Behinderung in die kuratorische Arbeit einfließen, macht das Projekt für sie außergewöhnlich. Die Teilnehmer der Projektgruppe werden für ihre Arbeit honoriert.
Ausgrenzung erfahrbar machen
Die großen Braille-Werke aus unterschiedlichen Materialien des Kölner Künstlers lassen sich ertasten. Menschen ohne Sehbehinderung können jedoch für gewöhnlich nicht lesen, was dort geschrieben steht - so werde dem Künstler zufolge die Ausgrenzung von Sehbehinderten für Sehende erfahrbar. Die Gruppe ist angetan und entscheidet sich dafür, mit dem Künstler für die Ausstellung zu kooperieren.
Auch weitere Kunstwerke sollen in der Ausstellung angefasst und ertastet werden dürfen: Die Projektgruppe nimmt dafür unter anderem eine Skulptur von Edgar Degas aus der Sammlung der Kunsthalle in die engere Auswahl. Voraussichtlich wird eine Replik der Skulptur Teil der Ausstellung werden. Am Ende soll ein ansprechender Mix aus sammlungseigenen Werken und Leihgaben entstehen.
Trotz aller Bestrebungen: Immer noch viele Hürden bei Inklusion

Die inklusive Projektgruppe, die eigens für die anstehende Ausstellung gegründet worden ist, soll sicherstellen, dass verschiedene Bedürfnisse an eine Kunstausstellung berücksichtigt werden. Denn zwar gebe es laut Franke bereits zahlreiche Bestreben der Museen, inklusiver zu werden - Franke selbst ist das beste Beispiel: Sie kümmert sich seit vier Jahren an der Kunsthalle Bremen ausschließlich um die Themen Inklusion und Barrierefreiheit -, aber der Expertin zufolge existieren dennoch viele Hürden und gerade Künstlerinnen und Künstler mit Behinderung seien noch stark unterrepräsentiert.
Neben regionalen und zeitgenössischen Werken von Künstlerinnen und Künstlern werden daher Arbeiten von Vincent van Gogh, Francisco de Goya, Mary Cassatt, Edgar Degas, Henri Matisse und Henri de Toulouse-Lautrec zu sehen sein.
Inklusion auch Mehrwert für andere Besucherinnen und Besucher
"Vielen ist sofort bewusst, dass wir eine Rampe oder einen Aufzug brauchen, aber die Vielfalt der Behinderungen wird noch nicht stark genug berücksichtigt. Wir wollen die Erfahrungen und Expertise der Menschen nutzen und mit einbinden", so Franke. Möglichkeiten und Themen gebe es demnach viele: verschiedene Sinne anzusprechen, Gebärdensprache oder einfache Sprache einzusetzen, um weitere Hürden abzubauen.
Für Menschen, die schnell reizüberflutet sind, soll es außerdem einen Ruheort in der Ausstellung geben. "Wir sehen das auch als Mehrwert für alle Besuchenden, vielleicht möchten sich auch andere gerne mal zurückziehen. Es kann auch spannend sein, sich mal etwas in Gebärdensprache anzuschauen", sagt Franke.
Perspektive der Betroffenen einbeziehen
Neben der Auswahl von geeigneten Werken für die Ausstellung hat die Projektgruppe noch einige andere Themen auf dem Zettel. Wie soll das Plakat gestaltet werden? Ergibt es für Menschen mit Sehbehinderungen Sinn, einen QR-Code mit weiterführenden Informationen auf das Ausstellungsplakat zu setzen?
Als sehbehinderter Mensch wisse man ja gar nicht, dass dort ein QR-Code sei, argumentiert einer der Teilnehmer der Gruppe, der den Blinden- und Sehbehindertenverband vertritt. Vor einem Museumsbesuch informiere er sich daher immer direkt auf der Internetseite eines Hauses über Inhalte und inklusive Angebote, so sein Input. Auch für die kommende Ausstellung der Kunsthalle Bremen ist ein taktiles Leitsystem der Gestaltungsagentur tactile studio in Arbeit.
Inklusion: Immer auch eine Herausforderung
Auch die Vernissage der Ausstellung steht zur Diskussion: Wer moderiert? Wer passt zum Thema? Laute Musik? Könnte für Menschen mit Autismus zum Problem werden. Die Arbeit der inklusiven Projektgruppe macht schnell deutlich: Wirklich alle Bedürfnisse mitzudenken, ist auf jeden Fall eine große Herausforderung und sehr kleinteilige Angelegenheit!
Das sieht auch Franke: "Wir müssen weiter denken, in die Breite." Das sei für Menschen, die keine Berührungspunkte zu Menschen mit Behinderung haben, zunächst oft herausfordernd - aber wie das Projekt der Kunsthalle Bremen zeigt, keinesfalls unmöglich.
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