"Streicheln" statt "rütteln": Katja Riemann über Menschenrechte und Klimawandel
Am Wochenende ist in Nürnberg der Deutsche Menschenrechts-Filmpreis verliehen worden. Katja Riemann hat in diesem Jahr die Patenschaft übernommen. Im Interview erklärt sie, warum sie davon träumt, nur noch kommerzielle Filme über den Klimawandel zu machen.
Katja Riemann setzt sich seit vielen Jahren für die Achtung von Menschenrechten ein. Für ihr Engagement erhielt sie 2010 das Bundesverdienstkreuz am Bande. Zudem wurde sie mit dem Menschenrechtspreis "Courage" geehrt. Riemann hat zwei Bücher über humanitäre Arbeit verfasst: "Jeder hat. Niemand darf. Projektreisen" und "Zeit der Zäune: Orte der Flucht".
Frau Riemann, welche Themen oder Geschichten haben Sie bei den diesjährigen Gewinnerfilmen besonders berührt oder beeindruckt?
Katja Riemann: Es gab ja verschiedene Kategorien, und das eine Thema war Iran und das andere die Nicht-Aufarbeitung strukturell rassistischer Polizeieinsätze. Die Themen gehen niemals aus in Sachen Menschenrechte, weil es letztlich darum geht, wie Menschen mit Menschen umgehen. Es ist so allumfassend. Dahinter steht die Frage: Wie gehen wir durch unser Leben? Wie werden wir auf das Leben vorbereitet? Wie werden wir sozialisiert, ausgebildet? Wie achtsam sind wir? Ich finde, dass ganz viele Dinge passieren, die für mich dermaßen grundlegend unverständlich sind, weil wir unser Leben schwerer machen, als es ohnehin schon ist.
Was ist besser geeignet, um Menschen zu berühren und damit etwas zu bewirken: ein dokumentarischer oder ein fiktionalisierter Film?
Riemann: Das ist eine sehr gute Frage. Ich träume eigentlich davon, nur noch kommerzielle Filme über den Klimawandel zu machen. Wir müssen den Klimawandel und die humanitären Katastrophen zusammen denken, weil der Klimawandel ist schon unmittelbar dafür verantwortlich, humanitäre Katastrophen auszulösen. Der Klimawandel ist ja schon in der Welt. Wir dürfen nicht denken, dass der irgendwann kommt, aber wir da eh schon tot sind. Sie können sich vielleicht vorstellen, wie die machthabenden Entscheider in all den verschiedenen Plattformen, die Filme ermöglichen, auf so etwas reagieren: Das fasst man besser nicht an... Die Dokumentarfilme - ich habe sie wahrscheinlich alle gesehen - werden erst ab 23 Uhr gesendet. Natürlich würde ich sehr gerne kommerzielle Filme machen über Themen, die Bestand haben, die eine Dimension haben und die uns tatsächlich alle angehen.
Können Sie es auch verstehen, wenn Menschen sagen, dass sie sich eher unterhalten lassen möchten? Wie könnte man das verpacken, dass die Menschen unterhalten werden und trotzdem aufgerüttelt sind?
Riemann: Wir müssen nicht "rütteln", wir müssen eigentlich "streicheln". Wir sind alle schon völlig durchgerockt. Wir brauchen eine Befriedung, einen Heilprozess von all den Dingen, die so schiefgehen und die so schmerzhaft sind. Ich glaube nicht an diese erhitzten Debatten von Beschwerde, Empörung, Vorwurf und Anklage. Was nicht heißt, dass ich irgendwas irgendwas unter den Teppich kehren will. Sondern die Frage ist, wie wir eine andere Erzählung und eine andere Verbindung schaffen, um über politische oder gesellschaftsrelevante Zusammenhänge zu sprechen. Denn durch so ein allgemeines Bashing macht man Menschen und ihr Verhalten ja auch nicht besser.
Das Schöne am Deutschen Menschenrechts-Filmpreis ist, dass er auf Tour geht, und die Filme in verschiedenen Städten gezeigt werden. Das ist ja schon ein guter Anfang, um das zu den Menschen zu bringen, oder?
Riemann: Ja. Es gibt ganz viel - das dürfen wir nicht vergessen. Darüber habe ich auch zwei Bücher geschrieben, was es international an Projekten gibt, die vor Ort geleistet werden. Das ist phänomenal, hoffnungsstiftend und vor allem inspirierend. Da ist viel Verantwortung auf wenigen Schultern verteilt. Darum kann ich eigentlich immer nur rufen: Lasst uns das Gewicht auf mehrere Schultern verteilen! Dann spürt das der Einzelne nicht so sehr.
Das Gespräch führte Philipp Schmid.