"Langsames Wachsen tiefer Gefühle" - Hamburg Ballett probt für "Slow Burn"
Am Sonntag fand die zweite Premiere unter Hamburgs neuem Balllettintendanten Demis Volpi statt. Für die Vorstellung "Slow Burn" hat er den weltbekannten William Forsythe und die kanadische Kollegin Aszure Barton eingeladen. Ein Probenbericht.
Voller Konzentration arbeiten drei Paare an ihren Pas de deux. Mit ihnen steht Aszure Barton im Ballettsaal: Flanellhemd, dunkler Pulli um die Hüften und sowas wie Crocks an den Füßen. Sie hat es nicht weit: Für die Zeit der Proben wohnt sie in einem der Gästeappartements im Ballettzentrum. Manchmal geht sie tagelang nicht vor die Tür. "Ich bleibe im Haus, es ist verrückt", sagt sie lachend.
"Slow Burn" der Kanadierin Aszure Barton: Hommage an weise Frauen
Aszure Barton liebt Hamburg. Sie kennt allerdings eine andere Ecke der Stadt - die rund um das Kulturzentrum Kampnagel. Dort war die Kanadierin erst im letzten Jahr zu Gast. Jetzt folgt also ihre eigene Kreation mit eigens dafür komponierter Musik für das Hamburg Ballett. "Ich kann es nicht glauben", sagt Barton. "Dass ausgerechnet ich jetzt in dieser Position bin, die ich bekommen habe."
Im Probensaal Nijinsky wird gefeilt und getüftelt. An jedem Haltungsdetail, an ungewohnten Hebefiguren. Es wird viel diskutiert, besprochen. Barton hat eine besondere Art zu arbeiten: Am Anfang lernt jeder und jede in der Compagnie die gleiche Choreografie. "Jeder soll die gleiche Sprache sprechen. Es ist sehr wichtig, dass jeder einzelne die Choreografie verkörpert", meint Barton. Sie sei beeindruckt, dass das Hamburg Ballett so offen sei für diese neue Art zu arbeiten und "dass alle auch neugierig darauf sind."
Ihr Stück "Slow Burn" , was so viel bedeutet wie "langsames Wachsen tiefer Gefühle" - ist ein Art Ode an weise, erfahrene, ältere Frauen. An berühmte wie Joni Mitchell oder Patti Smith, aber auch an ihre eigene Mutter. Deren Stärke, Geduld und Freude - oft gesellschaftlich wenig beachtet - beeindruckt die Choreografin gerade sehr. Ihr Privileg sei es, ein eigenes Ballettstück zu diesem Thema zu kreieren.
"Blake Works V" von William Forsythe - Klassischer Tanz neu zusammengesetzt
Ein paar Türen weiter diese Musik: energiegeladener Elektro- Pop von James Blake. "Blake Works V - The Barre Project" heißt das zweite Stück des nahenden Premierenabends. William Forsythe hat es choreografiert. Der Mann ist weltweit einer der wichtigsten Choreografen unserer Zeit. Er hat den klassischen Tanz neu zusammengesetzt, die Ballettsprache verändert, die Positionen ins Extreme geführt.
"Ballett basiert auf einem sehr quadratischen Rahmen. William Forsythe nimmt Elemente aus diesem klassischen Lexikon, nimmt die Formen, die bekannt sind aus dem klassischen Ballett und er betrachtet sie anders. Er macht sehr viel daraus, deshalb ist es sehr physisch, sehr aktiv und sehr sportlich", sagt Noah Gelber, der zusammen Ballettmeisterin Jodie Gates "Blake Works V" mit dem Hamburg Ballett einstudiert.
Nur klassisch 1A ausgebildete Profis können da mithalten. Die Folgen sind atemberaubend schnell, exakte Linien, perfekte Positionen. "Wir haben eine sehr sehr schöne Erfahrung mit den Tänzern vom Hamburg Ballett. Sie haben Lust darauf, etwas Neues zu beherrschen." Ursprünglich entstanden ist ein Teil der Choreografie per Zoom in der Corona- Zeit, in der sich die Ballettprofis zuhause fit halten mussten und alles Mögliche zu einer Ballettstange -"the barre" - umfunktioniert haben. Die spielt bei der Premiere am Sonntag eine entscheidende Rolle.