Clemens Meyer über Leistung und Anerkennung
Nach der Verleihung des Deutschen Buchpreises in Frankfurt verlor der Nominierte Clemens Meyer die Beherrschung und verließ wütend den Saal. Wie es ihm heute geht, erzählt er im Interview.
Preise sind ein sonderbares Ding: Natürlich freut man sich, wenn es damit klappt, ist aber enttäuscht, wenn es eben nicht klappt. Dabei kann sich jeder ausrechnen, wie wahrscheinlich oder eher wie unwahrscheinlich es ist, mit der begehrten Auszeichnung von der Bühne zu treten. In diesem Herbst hat Clemens Meyer für ein besonderes Lehrstück gesorgt. Nominiert war der durchaus preiserfahrene Schriftsteller mit seinem Roman "Die Projektoren" für den Deutschen Buchpreis 2024. Als bei der Verkündung im Frankfurter Römer der Name Martina Hefter fiel und nicht sein Name, verlor er die Beherrschung und verließ wütend den Saal.
Inzwischen hat Clemens Meyer einen anderen Preis für den Roman erhalten, den Bayerischen Buchpreis, er hat viele Interviews zum Frankfurter Vorfall gegeben und war bei etlichen Leseveranstaltungen, so auch am 5. Dezember im Literaturhaus Hannover. In NDR Kultur à la carte spricht Katja Weise mit ihm über das Schreiben, darüber, wie es ihm heute geht, aber vor allem auch über sein Buch "Die Projektoren".
Sie haben gesagt, "Die Projektoren" ist ein Roman, der größer ist als sein Autor. Viele haben gedacht, Sie würden dafür den Deutschen Buchpreis bekommen. Das war nicht so. Darüber haben Sie sich ziemlich geärgert. Außerdem ist jede Menge darüber geschrieben und berichtet worden. Wie schauen Sie jetzt auf diese Preisverleihung zurück?
Clemens Meyer: Genauso wie damals. Ich werde das nie verstehen. Wenn Kompetitivität von dem Gremium verlangt wird und die Kompetitivität sich zuungunsten von so einem Buch entscheidet, dann muss ich das akzeptieren. Aber ich ärgere mich natürlich. Es geht mir darum, dass ich es meinem Buch einfach mehr gewünscht hätte als dem Büchlein von Frau Hefter; dass es durch den Buchpreis 100.000 Leute kaufen. Ich habe die anderen Bücher, die nominiert waren, alle gelesen. Es wird seinen Weg auch ohne den Preis gehen. Es braucht keinen Deutschen Buchpreis. Ich habe das sowieso für bedenklich gehalten, eine Kompetitivität von Literatur einzufordern. Ich habe mich dem gestellt und mich natürlich für mein Buch geärgert. Aber so ist das nun mal. Der Ärger ist vorbei, es interessiert mich nicht mehr.
Sie haben Anfang November 2024 den Bayerischen Buchpreis bekommen. Da war das Buch von Martina Hefter auch nominiert.
Meyer: Was ich nicht verstehe, aber das ist egal.
Hat Sie Ihnen gratuliert?
Meyer: Da möchte ich nicht drüber reden. Sie hat mir gratuliert, aber das spielt überhaupt keine Rolle, als wenn das irgendwie ein Äquivalent für irgendetwas wäre. Der Bayerische Buchpreis bringt nicht mal die Hälfte von dem Preisgeld des Deutschen Buchpreises ein und er schraubt die Auflage nicht auf 100.000 hoch. Ich hätte ihr auch gratuliert, wenn es umgedreht gewesen wäre. Da hätte ich darüber gelächelt. Ich nehme die Bücher von anderen Autorinnen und Autoren wahr. Wenn ich eins lese und ich sage, das ist nicht gut gemacht, dann nehme ich das zur Kenntnis und ärgere mich darüber. Mein Buch ist in der Welt. Wenn ich jetzt hier an Ort und Stelle tot umkippe, dann bleibt das Buch hier liegen. Das ist das Gute an Literatur, sie existiert auch unabhängig von ihren Erschaffern oder Erschafferinnen.
Ist es richtig, dass Sie nie wieder ein Buch für den Deutschen Buchpreis einreichen möchten?
Meyer: Das ist richtig und mit dem Verlag auch so abgesprochen. Ich hätte das auch in diesem Jahr nicht machen sollen. Man ahnte doch, worauf dieses Marketing-Vehikel hinauszulaufen scheint. Ich hatte das auch genauso vorausgesagt. Deshalb wundert es mich, dass ich mich trotzdem geärgert habe. Ich habe gesagt, wenn die die Möglichkeit sehen, den Preis einer der Damen zu geben, dann werden die das tun. So ist es auch gekommen. Nun ist es so. Man wird auch den Stempel als schlechter Verlierer behalten, aber wissen Sie was, das ist mir vollkommen egal.
Das Gespräch führte Katja Weise.