Falk Richter © IMAGO / Funke Foto Services

"Endsieg": Falk Richter inszeniert Elfriede Jelineks Trump-Kommentar

Stand: 06.12.2024 06:00 Uhr

Die Uraufführung von "Endsieg" fand am 6. Dezember im Deutschen Schauspielhaus statt. Der Regisseur Falk Richter spricht im Interview über den Text, den Elfriede Jelinek zur Wiederwahl von Donald Trump geschrieben hat.

Im November 2016 wurde Donald Trump erstmals zum Präsidenten der USA gewählt. Die österreichische Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek schrieb daraufhin das Stück zur Stunde: "Am Königsweg". Nun, acht Jahre später, siegt Trump erneut. Und wieder verarbeitet Jelinek dieses Ereignis schreibend: "Endsieg" heißt der Text, den Falk Richter fürs Deutsche Schauspielhaus Hamburg umsetzt - auch er als Wiederholungstäter, denn er hatte auch den letzten Trump-Text von Jelinek auf die Bühne gebracht.

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Herr Richter, wir haben uns alle geirrt: Das war kein Betriebsunfall bei der ersten Wahl, sondern offensichtlich hat Amerika das so gewollt. Elfriede Jelinek hatte damals schon einen Text geschrieben - wie hat sich ihre Haltung jetzt verändert?

Falk Richter: Jetzt zeigt sie, dass der ganze Trump-Wahnsinn inzwischen zu einer Art Kult geworden ist. Dass das eigentlich mehr eine Art Sekte ist als eine politische Bewegung. Dass die Leute ihn verherrlichen und anhimmeln wie einen Heiland, wie einen Retter, der sie aus der schlimmen Situation des Landes und der Weltlage herausholen wird. Er hat so viele irrationale Anhänger, die völlig fasziniert sind von ihm. Er hat es irgendwie geschafft, eine Masse zu mobilisieren, die absolut gefährlich ist: wie man gesehen hat, als die Meute das Kapitol gestürmt hat. Es ist nicht mehr lustig und skurril - es ist wirklich gefährlich und faschistoid. Es ist eine Masse, die zusammen mit ihm sicherlich die Gesellschaft in den USA und damit auch die Weltpolitik enorm verändern wird.

In dem Text, der "Endsieg" heißt, geht es ganz viel um das Volk. Wir als Deutsche oder Europäer sagen: "Diese komischen Amerikaner..." Aber so ganz fremd sind unsere Systeme nicht. Ich finde es schwierig, wenn man von dem AfD-Wähler oder dem Trump-Wähler spricht. Was gibt uns da Elfriede Jelinek an die Hand in ihrem Text?

Richter: Ich finde es erstmal richtig, auf den AfD-Wähler zu gucken und sich zu fragen, warum er so wählt. Wie gefährlich die Parolen sind, die rechtsextreme Parteien rausgeben und das auch ernstzunehmen: Die meinen das, was sie sagen, das ist gegen die Demokratie gerichtet und das ist eigentlich eine Umsturzbewegung. Sie selber sieht es so, dass das eine internationale Bewegung ist. Diese neurechte Bewegung sei jetzt in jedem Land vorhanden, das sei nicht nur auf die USA konzentriert. Und es gebe kaum mehr eine standhafte Opposition zu diesem Rechtspopulismus.

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Kommen wir zu Ihrem Stück "Endsieg": Gibt es etwas Positives, mit dem man aus dem Deutschen Schauspielhaus hinausgehen kann?

Richter: Der Text ist eine erste Auseinandersetzung mit dem, was passiert, mit den Ängsten, mit dem, was auf uns zukommen wird. Trump hat angekündigt, zum Teil auch diktatorisch zu regieren. Alle illegalen Migranten sofort rauszuschmeißen, einiges umzukehren - Klimaschutz und so weiter. Das heißt, die Gesellschaft wird sich enorm verändern. Der Titel "Endsieg" - in Deutschland ist das eigentlich ein furchtbarer Titel - zeigt diesen Wahn von so einer Bewegung, die glaubt, für immer gewonnen zu haben, die Ewigkeit breche jetzt an - so sagt das Elfriede Jelinek. Wir wissen in Deutschland, dass das das 1.000-jährige Reich zwölf Jahre gedauert hat. Positiv ist es trotzdem nicht, weil man auch in zwölf Jahren einen gesamten Kontinent zerstören und Millionen von Menschen umbringen kann - das ist das Gefährliche daran. Sie spielt so ein bisschen mit dem Pathos einer neurechten Bewegung, mit diesem religiös-Verklärten, aber so richtig hoffnungsfroh ist es sicherlich nicht. Aber so sind die Zeiten auch wirklich nicht.

Der Text ist eine Art lyrischer Flow of Consciousness. Wie würden Sie das als Kenner der Texte von Elfriede Jelinek in Worte fassen?

Richter: Frau Jelinek schreibt immer sehr lange Textblöcke. Da gibt es keine Figuren, keine Situationen, sie gibt uns nichts an die Hand außer einem ganz konkreten Text, der aber meistens sehr stark ist, sehr witzig, sehr intelligent, der ganz viele Assoziationen zulässt und manchmal eine Wucht eines antiken griechischen Textes hat. In diesem Fall hat sie so eine Art hymnisches Gedicht geschrieben. Sie dreht das um: Sie besingt den neuen Herrscher, sie besingt Donald Trump als Heiland, der uns alle aus dem Elend herausführen wird. Die Provokation liegt darin, dass sie den Zuschauern immer wieder sagt: Sie können jetzt auch aufhören, dagegen zu opponieren, weil Sie sowieso keiner hört, weil das sowieso keine Kraft hat. Wir haben einfach verloren. Das löst, wenn es auch der Bühne gesagt wird, etwas sehr Spezielles aus. Im politischen Raum wäre das schrecklich, wenn das jemand sagen würde, aber auf der Bühne löst das etwas anderes aus, wenn man sich als Zuschauer wehrt und merkt: Ich muss jetzt auch mal etwas tun, damit wir nicht auch bald Merz und Höcke zusammen in der Regierung haben.

Das mussten sie jetzt in Höchstgeschwindigkeit inszenieren. Donald Trump ist gerade erst gewählt, das Ganze war nicht geplant. Gleichzeitig kann man mit so einem Text auch kein Improvisationstheater machen. Wie gehen Sie damit um?

Richter: Ich habe sehr gute Schauspielerinnen und Schauspieler und ein sehr tolles küstlerisches Team um mich herum, mit dem ich auch schon früher an Jelinek-Texten gearbeitet habe. Ich selbst habe gerade an den Münchener Kammerspielen die letzte Uraufführung von Frau Jelinek inszeniert und bin ein bisschen drin in dem Kosmos. Aber es ist schon extrem, was wir gerade machen: Wir bringen im Grunde in zehn Tagen diesen hochkomplexen Text auf die Bühne - mit viele Bildern, Videos, Kostümen und Musik. Das ist unser Wunsch gewesen, irgendwie auf das Ereignis zu reagieren, auch das Schauspielensemble wollte das gerne. Wir haben natürlich keine Antworten, aber wir gehen in die Diskussion, in die Auseinandersetzung, wir wollen einen Diskursraum eröffnen. Das geht auch am Theater, dass man manchmal sagt: Das ist jetzt nicht die ganz große, ins Detail ausgefeilte Inszenierung, sondern das ist ein Abend, über den wir uns danach unterhalten. Man kann sich damit auseinandersetzen, was der vor allem thematisch verhandelt.

Das Gespräch führte Mischa Kreiskott.

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NDR Kultur | Journal | 06.12.2024 | 08:10 Uhr

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