Raewynne Latemore, Mitglied im "Coffin Club", sitzt in Wellington (Neuseeland) in dem von ihr gestalteten Sarg (undatierte Aufnahme). © picture alliance / dpa / Tracy Latemore Foto: Tracy Latemore

Wenn Menschen das Lebensende bunt machen

Stand: 10.02.2025 09:30 Uhr

"Mit Elvis Presley in die Kiste": Im Kiwi Coffin Club in Neuseeland bauen ältere Menschen ihre eigenen, individuellen Särge. Diese besondere Selbsthilfegruppe pflegt einen besonderen Umgang mit Trauer und Tod.

von Pastor Heiko von Kiedrowski

Das Foto im Internet sieht sympathisch aus: zwölf Männer und Frauen um die siebzig sitzen um einen Tisch. Darauf stehen Teetassen und liebevoll drapiertes Gebäck. Aber, wer glaubt, dass diese Runde zum Bingospielen zusammen gekommen ist, liegt falsch. Hier trifft sich der Kiwi Coffin Club.

Eine Frau pustet Löwenzahn © Istockfoto / Getty  Images Foto: Aleksander Nakic
AUDIO: Kirchenleute heute 10.02.2025 (2 Min)

Kiwi Coffin Club ist eine besondere Selbsthilfegruppe

Kiwis: So nennen sich die Menschen in Neuseeland gern selbst nach ihrem Nationalsymbol, einem flugunfähigen Vogel. Und Coffin ist das englische Wort für Sarg. Der Kiwi Coffin Club ist eine ganz besondere Selbsthilfegruppe. Es gibt ihn seit fünfzehn Jahren. Ein Kreis älterer Menschen hatte sich darüber unterhalten, wie unpersönlich und schrecklich traurig sie die üblichen Trauerfeiern fänden. Außerdem sehnten sie sich danach, getröstet zu werden in ihrer eigenen Trauer.

Liebevoll bemalte und dekorierte Särge

Im Kiwi Coffin Club treffen sich also seitdem Menschen, die auf ganz besondere Weise mit Tod und Trauer umgehen. Sie bauen nämlich ihre eigenen Särge. In der Gruppe wird geschreinert, geschraubt und geleimt, die Särge werden bemalt und dekoriert. Bunte Blumen, das Wappen des geliebten Fußballvereins oder ganz viel lila Glitzer: alles ist erlaubt. "Mein Sarg soll den Menschen zeigen, wer ich in meinem Leben gewesen bin", sagt eine der Frauen in einem Interview: "Das Leben geht weiter bis es zu Ende ist."

Wer aus Angst erstarrt, verliert kostbare Lebenszeit

Wer aus Angst vor dem eigenen Sterben erstarrt oder wer sich in der Trauer um einen geliebten Menschen verliert - der verliert seine kostbare Lebenszeit, sagen diese älteren Menschen. In der Bibel finde ich den 139. Psalm: "Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele."

Lebensgeschichte mit Freunden und Gleichgesinnten teilen

Mich beeindruckt der kluge Blick auf das Leben, den die neuseeländischen Seniorinnen und Senioren wagen. Sie erzählen einander, was sie in ihrem Leben glücklich gemacht hat, worauf sie stolz sind oder welchen Traum sie sich gern erfüllt hätten. Und dabei finden sie neue Freunde, mit denen sie ihre Lebensgeschichte teilen. Unsere Lebenszeit ist nicht unbegrenzt, das ist klar. Aber vom Kiwi Coffin Club können wir lernen, dass es bis zuletzt eine gute Zeit sein kann.

Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | 10.02.2025 | 10:40 Uhr

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