1989: Schwerverbrecher nimmt Geiseln in Bad Salzdetfurth
Ein Mann drang am 10. Dezember 1989 in das Haus eines Ehepaars in Bad Salzdetfurth ein und nahm es sowie eine 95-Jährige als Geiseln. Was diese nicht wussten: Kurz zuvor hatte er einen jungen Mann erschossen.
10. Dezember 1989. Es ist der zweite Advent, kurz vor 8 Uhr, als für Gisela Schilberg der Albtraum begann. Im Schlafzimmer ihres Hauses in Bad Salzdetfurth (Landkreis Hildesheim) hat sie ein lautes Poltern aus dem Schlaf gerissen. Kurz darauf stand ein Schwerverbrecher vor ihr, hielt ihre eine Schusswaffe vor und schrie sie an. "Es war furchtbar", erinnerte sich Gisela Schilberg im Jahr 2019 - damals 30 Jahre nach den Ereignissen, die den Bad Salzdetfurther Ortsteil Groß Düngen überregional bekannt machten.
Tödliche Schüsse in Hannover abgegeben
Rund neun Stunden dauerte die Geiselnahme in ihrem Haus. Neben Gisela Schilberg hatte der Täter ihren Mann Siegfried und ihre damals 95 Jahre alte Mutter in seiner Gewalt. Dass es sich bei diesem um einen gefährlichen Mann handelte, ahnten sie - mehr aber auch nicht. Dass der Geiselnehmer in der Nacht zuvor in Hannover einen jungen Mann nach einem Streit mit drei Schüssen aus einer Waffe getötet hatte, dass er wegen Vergewaltigung und Einbrüchen im Gefängnis saß, dass er nur aufgrund eines Hafturlaubs frei war und auf seiner vorherigen Flucht bereits vier andere Geiseln genommen hatte - das alles war den Schilbergs nicht bekannt.
"Es war so schon hart"
"Nur gut, dass wir das nicht vorher wussten", erinnerte sich Gisela Schilberg 2019. Es sei daher "etwas leichter" gewesen, mit der Situation und dem Täter umzugehen. "Ich glaube, sonst hätte ich mehr gezittert. Es war so schon hart", sagte sie dem NDR Regionalmagazin Hallo Niedersachsen.
Die Angst kommt wieder
Die Polizei war dem 41 Jahre alten Täter damals schnell auf der Spur. Bad Salzdetfurth sollte nur ein Zwischenziel seiner Flucht sein. Mit dem Zug wollte er Richtung Süden. Weil am frühen Sonntagmorgen kein Zug fuhr, musste der Schwerverbrecher seinen Plan ändern - was ihn zum Haus der Schilbergs führte.
Die Folgen der Geiselnahme spüren beide noch etliche Jahre später. Wenn ungewöhnliche Geräusche zu hören sind - sei es auch nur durch einen Marder, der auf dem Dach aktiv ist - sei die Angst wieder da, erzählt Siegfried Schilberg dem NDR 2019. Er war die letzte Geisel in der Gewalt des Mannes.
Am frühen Nachmittag des 10. Dezember 1989 ließ der Täter die beiden Frauen frei. Zwei Stunden später gelang Siegfried Schilberg die Flucht durch ein Fenster. Danach gab der Geiselnehmer auf. Er starb Jahre später hinter Gittern.
Hafturlaub ausgenutzt - gewisse Risiken bleiben
Der Geiselnehmer hatte seinen Hafturlaub ausgenutzt, um diese Straftaten zu begehen. Niedersachsens damaliger Justizminister Walter Remmers (CDU) sagte in der Sendung Hallo Niedersachsen am 11. Dezember 1989, dass Gefangene nach Ablauf ihrer Haftstrafen wieder in die Gesellschaft integriert werden müssten. "Wenn wir vorher nicht die Gelegenheit haben, sie über Urlaub und Ausgang an die später sichere Freiheit zu gewöhnen, machen wir einen Fehler. Wir geben also Urlaub nicht, weil wir dem Täter so sehr wohlgesonnen sind. [...] Das Wichtigste ist: Wir möchten die Gesellschaft davor bewahren, dass der Täter nach Ablauf der Freiheitsstrafe wieder straffällig wird. Deshalb müssen wir gewisse Risiken eingehen. Wir versuchen, sie so gering wie möglich zu halten."