Mann durch Polizei-Schüsse getötet: Ermittlungen eingestellt
Die Staatsanwaltschaft Verden hat die Ermittlungen gegen 14 Polizeibeamte nach tödlichen Schüssen in Nienburg auf einen Mann aus Gambia eingestellt. Der 46-Jährige hatte die Polizisten zuvor mit einem Messer bedroht.
Die Staatsanwaltschaft Verden hat für ihre Ermittlungen die Aufnahmen aus zwei Bodycams ausgewertet, den Munitionsbestand in den Dienstwaffen untersucht sowie ein rechtsmedizinisches und ein waffentechnisches Gutachten eingeholt. Die Behörde kommt zu dem Schluss, dass sich die Polizisten in dem Einsatz am 30. März in Nienburg in Lebensgefahr befanden. Vorherige Versuche, die Lage zu deeskalieren, andere Mittel wie Reizgas und einen Diensthund einzusetzen und mit Schüssen zu drohen, seien erfolglos geblieben, so die Staatsanwaltschaft. Der Einsatz der Schusswaffen sei als "letztes Mittel" und "unter Einhaltung der Regelungen des Niedersächsischen Polizeigesetzes gerechtfertigt erfolgt".
Einsatz am Ostersamstag in der Wohnung des Gambiers
Zu dem Polizeieinsatz war es gekommen, weil der 46-Jährige offenbar seine Freundin in seiner Wohnung mit einem Messer bedroht hatte. Die Frau flüchtete und alarmierte per Notruf die Polizei. Das weitere Geschehen am Ostersamstag schildert die Staatsanwaltschaft nach ihren Ermittlungen wie folgt: Beim Eintreffen der Polizisten habe der Mann den Beamten zunächst hinter verschlossener Tür verbal mit einem Messerangriff gedroht. Als die Polizisten die Tür aufbrachen, soll dem Mann aus Gambia das Messer aus der Hand gefallen sein, woraufhin er ein anderes Messer ergriffen habe, mit dem er auf die Beamten zugegangen sei, so die Staatsanwaltschaft. Auf die mehrfache Aufforderung der Polizisten, das Messer fallen zu lassen, habe er nicht reagiert.
46-Jähriger stand mit Messer vor zwei Polizisten
"Die Gefahrenlage spitze sich zu", wie die Staatsanwaltschaft schildert, als der 46-Jährige im Garten vor der Wohnung auf zwei Polizisten losgegangen sei und mit dem Messer mehrfach in deren Richtung gestochen habe. Mit einem Polizeischild habe dies abgewehrt werden können. Anschließend habe der Mann mit vorgehaltenem Messer vor zwei weiteren Polizisten gestanden. Daraufhin seien "in kurzer Abfolge mehrere Schüsse auf den 46-Jährigen abgegeben worden", so die Staatsanwaltschaft. Die Schüsse wurden den Angaben zufolge drei Polizisten zugeordnet. Davon hätten zwei Polizisten jeweils einen tödlichen Schuss abgefeuert.
Polizistin durch Schuss schwer verletzt - Verfahren eingestellt
In dem Einsatz war auch eine Polizistin von einer Kugel getroffen und schwer verletzt worden. Da jedoch kein vollständiges Projektil gefunden wurde, konnte nicht ermittelt werden, wer diesen Schuss abgegeben hatte, so die Staatsanwaltschaft. Daher hat die Behörde auch in diesem Fall das Ermittlungsverfahren eingestellt.
Polizist mit verfassungsfeindlicher Einstellung? Prüfung läuft
Tanja Wulff-Bruhn, die Präsidentin der Polizeidirektion Göttingen, zu der die Polizeiinspektion Nienburg/Schaumburg gehört, wies den Vorwurf zurück, dass bei dem Einsatz Rassismus oder Diskriminierung in irgendeiner Form eine Rolle gespielt habe. Eine mögliche verfassungsfeindliche Einstellung eines beteiligten Polizeibeamten werde geprüft. Diese potenzielle Einstellung habe aber keinen Einfluss auf den Einsatz oder dessen Verlauf gehabt, dies hätten die Ermittlungen ergeben, so Wulff-Bruhn. Der betreffende Polizist sei aufgrund einer dienstrechtlichen Verfügung nicht mehr im Dienst. Knapp vier Wochen nach dem tödlichen Einsatz in Nienburg hatte die Polizeidirektion Göttingen mitgeteilt, dass es Vorwürfe gebe, denen zufolge der Diensthundeführer "rechtsextreme Inhalte und Verschwörungstheorien" im Internet verbreitet habe.
Situationen mit Messer: "Gefährlich für alle Beteiligten"
Der Familie des getöteten Gambiers drückte die Präsidentin der Polizeidirektion Göttingen ihr "aufrichtiges Mitgefühl" aus. Nicht zuletzt an diesem Einsatz habe sich gezeigt, "wie herausfordernd und gefährlich Situationen sind, in denen Messer eingesetzt werden", sagte Wulff-Bruhn. Solche Umstände seien schwer beherrschbar und stellten "ein enormes Risiko für alle Beteiligten" dar. Sie zeigte sich erleichtert darüber, dass die Staatsanwaltschaft Verden das Verfahren gegen alle beteiligten Polizeibeamtinnen und -beamten eingestellt hat.