Ende der Friedenspflicht bei VW: IG Metall kündigt Warnstreiks an
Beim Wolfsburger Autobauer Volkswagen könnte es bereits am Montag zu ersten Warnstreiks kommen: Heute endet die Friedenspflicht. VW hatte den "Zukunftsplan" der Arbeitnehmerseite im Tarifstreit abgelehnt.
"Bundesweit streikbereit" oder "Keinen Kniefall, kein Verzicht, richtig streiken, das ist Pflicht" - das waren die Sprechchöre, die gestern Abend in Wolfsburg zu hören waren. Hunderte IG-Metallerinnen und -Metaller fanden sich am Gewerkschaftshaus in Sichtweite des Volkswagen-Stammwerks ein.
Kämpferisch gab sich auch der niedersächsische IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger in seiner Rede. Er sagte, die Friedenspflicht auszuläuten sei zwingend nötig, denn VW habe sich in den Verhandlungen an den entscheidenden Punkten überhaupt nicht bewegt. Der Konzern halte eisern an den angekündigten Einschnitten fest. Die Konzepte der Gewerkschaft, wie diese zu vermeiden wären, würden die Adressaten nicht interessieren. Warnstreiks seien jetzt das einzige Mittel, um Druck auf die Konzernspitze auszuüben. Wenn sich die nicht bewege, werde VW eine Auseinandersetzung erleben, wie sie es noch nie gegeben hat, so der niedersächsische IG-Metall-Chef gestern.
Erste Warnstreiks seit 2018 - schon ab Montag?
Die IG Metall hatte bereits nach dem Ende der dritten Tarifrunde angekündigt, mit dem Auslaufen der Friedenspflicht am Samstag zu Warnstreiks aufrufen zu wollen. "In allen Werken wird in nächster Zeit die Produktion temporär auf Eis liegen", hatte Gröger in Wolfsburg angekündigt. Einen konkreten Termin hatte die Gewerkschaft nicht genannt. Medienberichten zufolge könnte es bereits an diesem Montag zu ersten Arbeitsniederlegungen kommen. Es wären die ersten flächendeckenden Warnstreiks bei VW seit 2018. "Der Frust in der Belegschaft ist groß", sagte Betriebsratschefin Daniela Cavallo. Mit der Möglichkeit für Warnstreiks gebe es nun ein Ventil, "um Dampf abzulassen". Sie rechne mit großem Zuspruch, wenn die ersten Aktionen anstehen.
"Zukunftsplan" sollte 1,5 Milliarden Euro einsparen
IG Metall und Betriebsrat hatten vergangene Woche einen eigenen Plan für die Zukunft von Volkswagen präsentiert. Dem Konzern stellten sie dabei eine Kostenentlastung von 1,5 Milliarden Euro in Aussicht. Dafür will die Gewerkschaft eine mögliche Tariferhöhung in einen Zukunftsfonds einbringen und vorerst nicht auszahlen. Im Gegenzug sollte VW auf Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen verzichten.
Streichung von Manager-Boni rechtlich nicht umsetzbar?
Am Freitag hatte der VW-Konzern diesen sogenannten "Zukunftsplan" der Arbeitnehmerseite abgelehnt. "Zwar können sich kurzfristig auch positive Effekte ergeben, jedoch führen die genannten Maßnahmen überwiegend zu keiner finanziellen nachhaltigen Entlastung des Unternehmens in den kommenden Jahren", teilte VW nach Abschluss einer Prüfung des Konzepts mit. Die Vorschläge der Arbeitnehmer seien zum Teil rechtlich nicht umsetzbar. Das gelte etwa für die vorgeschlagene Streichung der Boni für Manager. Man wolle aber mit der Arbeitnehmerseite im Dialog bleiben, "um gemeinsam tragfähige Lösungen zu erarbeiten". Nach dem Scheitern der dritten Tarifrunde war für den 9. Dezember ein neuer Termin für die Fortsetzung der Verhandlungen angesetzt worden.
IG Metall: Vorschlag "hart an der Grenze des Zumutbaren"
Ein Sprecher der IG Metall nannte die Ablehnung in einer Stellungnahme "bedauerlich". Das Konzept entspreche "sehr wohl einer Entlastung in der bezifferten Höhe". Man sei "hart an der Grenze des Zumutbaren für die Beschäftigten" einen riesigen Schritt auf die Arbeitgeberseite Volkswagens zugegangen. "Scheinbar fruchten stundenlange Excel-Präsentationen und eine valide Datenbasis beim Volkswagen-Vorstand nicht", heißt es in der Mitteilung, die die IG Metall am Freitag veröffentlichte.
VW will Lohn der Beschäftigten einkürzen
Der Wolfsburger Autobauer steckt tief in der Krise und will bei den Arbeitskosten entlasten, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Der Konzern fordert deswegen unter anderem einen Lohnverzicht der Beschäftigten von zehn Prozent sowie den Wegfall von Sonderzahlungen. VW-Markenchef Thomas Schäfer hatte jüngst davon gesprochen, die Kapazitäten an die "neuen Realitäten" anzupassen. An Kündigungen und Werksschließungen führe kein Weg vorbei.
In Indien droht eine Milliardenstrafe
Am Freitag wurde unterdessen bekannt, dass Volkswagen in Indien eine Strafzahlung von bis zu 2,8 Milliarden Dollar droht. Das Unternehmen soll seit 2012 insgesamt knapp 1,4 Milliarden Dollar zu wenig an Einfuhrzöllen gezahlt haben, heißt es in einem 95-seitigen Dokument der indischen Zollbehörden. Im Kern geht es um die Frage, ob VW in Indien ganze Bausätze importiert, die dann vor Ort endmontiert werden. Diese Praxis wird in der Branche als "Completely Knocked Down"-Produktion (CKD) bezeichnet. Nach den indischen Vorschriften fällt in diesem Fall ein Zollsatz von 30 bis 35 Prozent an. Für einzelne Autoteile dagegen liegt der Zollsatz zwischen 5 und 15 Prozent. Die indischen Behörden vermuten, dass Volkswagen die Importe bewusst wegen der Zollersparnis als Einzelteile deklariert, aber als CKD verwendet habe.