Polen will vor Usedom nach Erdgas bohren: Backhaus schaltet Berlin ein
In der Ostsee sollen vor dem polnischen Teil Usedoms bald Gas-Erkundungsbohrungen starten. Die zuständigen deutschen Behörden wurden nicht über das Projekt informiert. Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Backhaus fordert umfassende Aufklärung.
Vor der Ostseeküste ist von den Kaiserbädern auf Usedom (Landkreis Vorpommern-Greifswald) aus seit etwa einer Woche eine Bohrinsel zu sehen. Was einige Usedomer und Urlauber irritiert, sorgt bei Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Till Backhaus (SPD) für Verärgerung. Denn die deutschen Behörden wurden im Voraus nicht über das Projekt informiert, obwohl es eine entsprechende Vereinbarung gibt. "Es ist mir wichtig, dass wir umfassend über die Bohrungen aufgeklärt werden", sagte Backhaus am Freitag im Landtag in Schwerin.
US-Firma will Erkundungsbohrungen durchführen
Bei dem Projekt soll es sich um Erkundungsbohrungen für Erdgas handeln. Das kanadische Unternehmen CEP hat dafür die US-Firma Noble Corporation beauftragt. Diese hat dann die etwa 70 Meter lange und 68 Meter breite Bohrinsel "Noble Resolve" aus Dänemark an die Ostseeküste rund zehn Kilometer vor Swinemünde beordert. "Die Bohrplattform befindet sich derzeit in Vorbereitung, und wir werden in den nächsten Tagen anfangen zu bohren", sagte ein CEP-Sprecher. Die Bohrarbeiten sollen demnach etwa anderthalb Monate dauern. Es handle sich jedoch nur um Probebohrungen, nicht um eine kommerzielle Gasförderung, hieß es. Diese könnten laut polnischen Medienberichten erst nach 2027 beginnen.
"Bedeutender Beitrag zur polnischen Gasproduktion"
Das Unternehmen CEP wurde nach eigenen Angaben von der polnischen Regierung zur Erschließung einer Fläche von fast 600 Quadratkilometern berechtigt. Nach vorläufigen Daten könnte es um bis zu 16,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas gehen, wie polnische Medien berichteten. "Wenn ein solches Vorkommen erschlossen wird, wird das einen bedeutenden Beitrag zur polnischen Gasproduktion und zur Energiesicherheit leisten", teilte CEP-Unternehmenschef Rolf Skaar mit.
Backhaus fordert umfassende Aufklärung
Was Backhaus irritiert ist, dass sich Deutschland und Polen eigentlich dazu verpflichtet haben, sich über Projekte zu informieren, die erhebliche grenzüberschreitende Umweltauswirkungen haben können. "Ich bedauere, dass dies nicht geschehen ist und deshalb Irritationen vor Ort entstanden sind", so Backhaus. Es sei wichtig, dass umfassend über die Bohrungen informiert wird. Deswegen habe er Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) gebeten zu prüfen, ob der Deutsch-Polnische Umweltrat für Aufklärung sorgen kann. In diesem sind neben dem Bundesumweltministerium auf deutscher Seite Umweltministerien der Länder Brandenburg, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern beteiligt.
Backhaus: "Nachteilige Auswirkungen nicht ausgeschlossen"
Bislang haben weder das Bergamt Stralsund noch die zuständigen Umweltbehörden des Landes in einem offiziellen Verfahren Kenntnis über das Vorhaben und dessen Ziele erhalten. "Auch wenn davon auszugehen ist, dass für das Vorhaben die nach polnischem Recht erforderlichen Genehmigungen vorliegen, wäre es meiner Ansicht nach erforderlich gewesen, dass die polnische Seite mein Haus über das Vorhaben informiert hätte", so Backhaus, der negative Auswirkungen auf die Umwelt auf deutschem Staatsgebiet befürchtet.
Beobachtungen in der Gemeinde Heringsdorf würden nahelegen, dass dort durch die Bohraktivitäten Lärm- und Vibrationsbelastungen entstehen könnten. Zudem könne nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Erkundungsbohrungen und dabei gegebenenfalls austretende Stoffe Auswirkungen auf die Fauna und Flora im Küstenmeer von Mecklenburg-Vorpommern haben.
Ostsee-Region wurde wegen bestehender Infrastruktur ausgesucht
Die kanadische Firma CEP begründet die Wahl der Ostsee-Region mit der bereits vorhandenen Infrastruktur wie dem LNG-Umschlagterminal in Swinemünde. Zudem würde das Ende des polnischen Gasliefervertrags mit Gazprom nahelegen, dass eine stärkere heimische Gasversorgung für das Land insgesamt sowie die Wolin-Region im Besonderen von großem Nutzen wäre, heißt es auf der Internetseite des Unternehmens.
CEP hatte bereits vor mehr als zehn Jahren Testförderungen bei Barth (Landkreis Vorpommern-Rügen) unternommen - damals erfolglos. Einige Jahre später führte CEP auf Usedom Testbohrungen nach Erdöl durch. Doch die Bohrstelle in Lütow und Pudagla wurden nach kurzer Zeit wieder abgebaut.